Petra Hartmann - Ephemera aeterna

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"Höre", sagte die alte Eintagsfliege, «ich will dir eine Geschichte erzählen: Es war einmal vor langer Zeit, da lebte hier am Fluss eine junge Eintagsfliege, genau wie du jetzt. Die stampfte plötzlich mit dem Fuß auf und schwor, sie würde länger leben als alle anderen Eintagsfliegen, ganz egal, ob mit Gott oder mit dem Teufel …»

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Petra Hartmann

Ephemera aeterna

und andere moralische Geschichten

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Inhaltsverzeichnis Titel Petra Hartmann Ephemera aeterna und andere moralische - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Petra Hartmann Ephemera aeterna und andere moralische Geschichten Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Fabel vom Baum, der nicht schnell genug wachsen wollte Die Fabel vom Baum, der nicht schnell genug wachsen wollte Ein Mann besaß einen Baum, von dem er wollte, dass er bis in den Himmel hineinwachsen sollte. Doch das Bäumchen tat sich ein wenig schwer mit dem Wachsen. Tatsächlich wuchs es noch langsamer als die anderen Bäume. Der Mann wurde ungeduldig und machte dem Baum Vorwürfe über Vorwürfe. Aber der Baum wuchs weiterhin nur langsam. Eines Tages bemerkte der Mann, dass der Baum sich mit den Wurzeln im Erdreich festhielt. Daran wird es liegen, dachte der Mann. Wie kann er da zum Himmel kommen, wenn er sich derart an der Erde festklammert? Und er hieb mit einem Beil die Wurzeln ab. Da fiel der Baum um.

Die Freiheit der Goldfische Die Freiheit der Goldfische Es waren einmal drei Goldfische – Mutter Goldfisch, Vater Goldfisch und ihr Kind – die lebten in dem Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel. Sie lebten glücklich und zufrieden, „denn“, so sagte Vater Goldfisch oft, und Mutter Goldfisch kaute zustimmend auf einem Blatt der Wasserpest herum, „denn wir sind Goldfische, und wir sind frei. Wir dürfen tun, was wir wollen, leben, wie wir wollen, schwimmen, wohin wir wollen. Das, mein Kind, bedeutet es, ein freier Goldfisch zu sein.“ „Wie schön!“, rief der kleine Goldfisch und klatschte vor Freude in die Flossen. „Wie schön! Wie schön! Wie schön! Wie schön!“ Er machte einen Salto. „Gepriesen sei die Freiheit der Goldfische. Wie glücklich und zufrieden bin ich, ein Goldfisch zu sein.“ Und er schwamm durch das Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel und genoss sein Glück, seine Zufriedenheit und seine Freiheit. Irgendwann aber kam der kleine Goldfisch in das Alter, in dem Kinder anfangen, Fragen zu stellen. „Mutter“, fragte er eines Tages, „wir Goldfische sind doch frei. Warum bleiben wir dann immer in dem Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel? Wir sind bisher nie über diese Punkte hinausgeschwommen.“ „Wir Goldfische sind frei“, bestätigte die Mutter und riss ein Blatt von der Wasserpest ab. Bedächtig kauend fuhr sie fort: „Ja, wir sind frei. Wir können tun, was wir wollen, leben, wie wir wollen, schwimmen, wohin wir wollen. Aber wir bleiben besser innerhalb dieser Punkte. Das Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel ist doch das schönste Land der Welt, gefällt es dir plötzlich nicht mehr?“ „Ich kenne kein anderes“, sagte der kleine Goldfisch, und er beschloss, sich die Welt anzusehen. Wer sollte es ihm verbieten? Er war ein Goldfisch, ein glücklicher, zufriedener und freier Goldfisch. So schwamm er los. Er kam nicht weit. Dicht hinter der Wasserpest prallte er gegen die durchsichtige Wand des Goldfischglases. Er kehrte um, redete mit seinen Eltern kein einziges Wort mehr und starb bald darauf an gebrochenem Herzen. Vater und Mutter Goldfisch aber lebten bis an ihr Ende glücklich und zufrieden und frei in dem Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel.

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Impressum neobooks Petra Hartmann Ephemera aeterna und andere moralische Geschichten Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Fabel vom Baum, der nicht schnell genug wachsen wollte

Ein Mann besaß einen Baum, von dem er wollte, dass er bis in den Himmel hineinwachsen sollte. Doch das Bäumchen tat sich ein wenig schwer mit dem Wachsen. Tatsächlich wuchs es noch langsamer als die anderen Bäume. Der Mann wurde ungeduldig und machte dem Baum Vorwürfe über Vorwürfe. Aber der Baum wuchs weiterhin nur langsam. Eines Tages bemerkte der Mann, dass der Baum sich mit den Wurzeln im Erdreich festhielt. Daran wird es liegen, dachte der Mann. Wie kann er da zum Himmel kommen, wenn er sich derart an der Erde festklammert? Und er hieb mit einem Beil die Wurzeln ab. Da fiel der Baum um.

Die Freiheit der Goldfische

Es waren einmal drei Goldfische – Mutter Goldfisch, Vater Goldfisch und ihr Kind – die lebten in dem Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel.

Sie lebten glücklich und zufrieden, „denn“, so sagte Vater Goldfisch oft, und Mutter Goldfisch kaute zustimmend auf einem Blatt der Wasserpest herum, „denn wir sind Goldfische, und wir sind frei. Wir dürfen tun, was wir wollen, leben, wie wir wollen, schwimmen, wohin wir wollen. Das, mein Kind, bedeutet es, ein freier Goldfisch zu sein.“

„Wie schön!“, rief der kleine Goldfisch und klatschte vor Freude in die Flossen. „Wie schön! Wie schön! Wie schön! Wie schön!“ Er machte einen Salto. „Gepriesen sei die Freiheit der Goldfische. Wie glücklich und zufrieden bin ich, ein Goldfisch zu sein.“

Und er schwamm durch das Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel und genoss sein Glück, seine Zufriedenheit und seine Freiheit.

Irgendwann aber kam der kleine Goldfisch in das Alter, in dem Kinder anfangen, Fragen zu stellen.

„Mutter“, fragte er eines Tages, „wir Goldfische sind doch frei. Warum bleiben wir dann immer in dem Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel? Wir sind bisher nie über diese Punkte hinausgeschwommen.“

„Wir Goldfische sind frei“, bestätigte die Mutter und riss ein Blatt von der Wasserpest ab. Bedächtig kauend fuhr sie fort: „Ja, wir sind frei. Wir können tun, was wir wollen, leben, wie wir wollen, schwimmen, wohin wir wollen. Aber wir bleiben besser innerhalb dieser Punkte. Das Land zwischen der Wasserpest und dem weißen Stein und zwischen dem Kiesstreifen und der alten Baumwurzel ist doch das schönste Land der Welt, gefällt es dir plötzlich nicht mehr?“

„Ich kenne kein anderes“, sagte der kleine Goldfisch, und er beschloss, sich die Welt anzusehen. Wer sollte es ihm verbieten? Er war ein Goldfisch, ein glücklicher, zufriedener und freier Goldfisch. So schwamm er los.

Er kam nicht weit. Dicht hinter der Wasserpest prallte er gegen die durchsichtige Wand des Goldfischglases.

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