Für mich hörte sich das mehr nach einer Legende an. Ein Mädchen kann seinen Körper so geschmeidig verbiegen, dass man sie mit einer Schlange vergleicht. Und als sie stirbt, aus welchen Gründen auch immer, gleicht ihr Geist ebenfalls einer Schlange, könnte man annehmen. Aber ich behielt meine Bedenken für mich, damit Zuko nicht gleich wieder einschnappte.
»Und dann gibt es da noch den Schwertschlucker, der über ein unsichtbares Hindernis stolperte und sich dabei den Oberkörper aufspießte«, sprach Zuko weiter, um mich endgültig zu überzeugen. »Wenn der sich sehen lässt, trägt er immer noch das Schwert in seinem Rachen, und die Spitze ragt aus seiner Brust. Allerdings kommt der nur zur Zeit des Zhongyuan, dafür aber jedes Jahr.«
Ich unterließ es, Zuko zu fragen, ob er den auch schon gesehen hatte, denn mir wurde schmerzlich bewusst, dass meine māma sich mir das erste Mal zum Totenfest gezeigt hatte. Zuko deutete mein nachdenkliches Schweigen als Anzeichen, mich endlich überzeugt zu haben. Ich ließ ihn in dem Glauben. Ich fragte mich nur, warum nur ich, ein paar Zuschauer und die Jongleure Li Ying und Li Bo meine Eltern gesehen hatten, Zuko aber nicht. Entweder er prahlte nur damit, die Geister Verstorbener sehen zu können, oder ließ absichtlich meine Eltern aus, wenn er von denen sprach, die dem „Geisterzirkus“ zu seinem Namen verholfen hatten. Früher oder später würde er mir darüber Auskunft geben müssen.
Zukos Erzählungen bereiteten mir dann aber doch unruhige Nächte und schwere Träume. Einmal meinte ich, von einem seltsamen Geräusch geweckt worden zu sein, eine Art Zischen. Als ich schlaftrunken die Augen öffnete, bewegte sich ein Wesen auf mich zu, das halb Frau und halb Schlange zu sein schien. Geschmeidig glitt sie über den Boden, und ihre lidlosen Augen, die die derart trüb waren, dass sie wie tot wirkten, fixierten mich furchteinflößend. Ich war vor Schreck wie gelähmt und konnte keinen Ton aus meiner trockenen Kehle hervorbringen, also auch nicht nach Mimi rufen. Erst als das Reptil mir so nahe war, dass ich seine gespaltene Zunge auf meiner Haut spüren konnte, löste sich meine Schockstarre in einem gellenden Schrei, der mich und Mimi erwachen und dankbar feststellen ließ, dass ich nur geträumt hatte.
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