Sie ließ die Klinge an einem ihrer Schwerter diagonal abgleiten, während sie mit der anderen Waffe in Richtung Hals hieb.
Die Soldaten sprangen von den Rücken ihrer Reitkatzen und zogen ebenfalls blank.
“Wartet”, rief Chan.
Amaru, der Zayao, nickte und hob die Hand als Signal für die anderen vier Reiter.
Chan hatte im Fort schon einige sonderbare Durchreisende erlebt, aber diese Kreatur war ihr völlig unbekannt. Neben der ledrigen Haut, die einen ungesunden grünlichen Ton aufwies, zogen drei nach oben gebogene Hörner an der Stirn ihre Aufmerksamkeit auf sich, jedes etwa eine halbe Handspanne lang. Heller brauner Dunst umgab den fremdartigen Krieger.
Chan betete zu Lamasti, dass die Schwertmeisterin mit diesem Kämpfer ebenso spielend fertig wurde, wie mit Menschen und Zayao.
Toshiras waagerechter Hieb hätte den Angreifer enthaupten sollen. Die Rüstung der fremdartigen Kreatur war anscheinend genau dafür geschaffen, dies zu verhindern.
Kurz analysierte die Schwertmeisterin den metallenen Rüstungsbeschlag, der auf den Schultern begann, in einen trichterförmigen Kragen überging und sich bis auf Höhe der Kiefergelenke fortsetzte. Der Kopf wurde durch einen Halbhelm mit Ohrenklappen geschützt, der auf der Stirn über den Hörnern endete. Das Wesen war einem Menschen im Wesentlichen ähnlich.
Mit dem Schwert, das sie zur Parade verwendet hatte, griff Toshira in einer kreisförmigen Bewegung aus dem Handgelenk an. Sie schnitt in den Unterarm ihres Kontrahenten, so dass dieser seinen gezackten Säbel fallen ließ. Weiteres Blut sprenkelte auf den Boden.
Die Kreatur schrie auf. Das Biest beugte sich herunter, um seine Waffe mit der anderen Klaue wieder aufzunehmen.
Genau in diesem Moment schleuderte Toshira ihrem Gegenüber mit dem Fuß Sand und Staub ins Gesicht.
Sie sprang in die Luft, griff nach den Reserven ihres Luft-Æthers und zog sich höher, als es ihr mit Muskelkraft allein möglich gewesen wäre. Sie vollführte einen halben Salto. Kopfüber stürzte die Schwertmeisterin aus vier Schritt Höhe auf die Kreatur zu, die Schwertspitzen voran.
Ihr Gegner erhob sich, das Schwert zum Schutz vor sich schwingend. Geblendet schüttelte er den gehörnten Kopf.
Toshira griff abermals nach ihrer Reserve an Luft-Æther und kreiselte wie von einer Spindel getrieben um ihre Hochachse, als die Schwertspitzen sich wirbelnd in den Hals des Wesens senkten. Stahl kreischte. Funken flogen, als die Schwerter an dem metallenen Kragen entlang schrammten und den Kopf vom Hals trennten.
Der Schädel fiel nach vorn in den Staub. Die Stirnhörner bohrten sich zur Hälfte in die Erde, wo sie stecken blieben.
Toshira stieß sich von dem seitlich wegsackenden Körper wieder ab. Sie setzte zwei Schritt hinter dem Leichnam am Boden auf. Ein Knie am Boden, ein Schwert senkrecht über dem Kopf, eines seitlich.
Als sie die Klingen an der Kleidung des Angreifers abwischte, bemerkte Toshira den braunen, immer dichter werdenden Nebel.
“Erd-Æther. Nehmt euch in Acht!”
Bei Lamasti . Hier waren größere Kräfte am Werk.
Aus den bräunlichen Nebelschlieren, die immer dichter wallten, schälten sich sechs weitere gehörnte Kreaturen.
Toshira griff den Neuankömmling an, der ihr am nächsten stand. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm. Die Schnittwunden, die sie ihm in schneller Folge zufügte, verlangsamten ihn nicht weiter. Kurzzeitig beeinträchtigte ihn ein gezielter Stich in die Nieren. Die Wunden schlossen sich kurz nach der Verletzung wieder.
Toshira fluchte. Als sie seine beiden Fersensehnen kappte und wirbelnd außer Reichweite sprang, hatte sie einen Moment Ruhe vor ihrem Gegner. Zwei weitere Gehörnte beendeten ihre Atempause.
Sie ließ ihre Kasanschwerter kreisen und kappte weitere Sehnen.
Hinter ihr bildete sich dichter brauner Nebel.
Chan stand wie angewurzelt da. Sie beobachtete Toshira, wie sie gegen die schier unbezwingbaren Gegner kämpfte. Als ein paar weitere Gehörnte wie aus dem Nichts in den braunen Ætherschlieren erschienen, Gab Amaru seinen vier Kämpfern den Befehl zum Angriff.
Entsetzt beobachtete Chan, wie ein vogelartiges Wesen, etwa von der Größe eines Adlers, heranflog. Es warf eine Kugel ab, die lautlos hinter der Schwertmeisterin zerplatzte. Undurchdringlicher brauner Æther wurde freigesetzt. Für die Soldaten war der Nebel nicht wahrnehmbar. Auch Toshira schien das Ereignis hinter ihr nicht zu bemerken.
Chan riss sich aus ihrer Erstarrung.
Chan rannte.
Sie erreichte die Abwurfstelle, als eine Gestalt aus dem wallenden Dunkel hervortrat. Sie überragte Chan um mindestens drei Köpfe. Lange Spitzen stachen aus schwarz gepanzerten Schultern, Ellenbogen und Kniegelenken hervor.
Die schmalen Klingen der Kreatur ähnelten stark gekürzten Rapieren. Der Unbekannte hielt vier dieser Waffen in seinen Klauen. Kein Wesen sollte mehr als zwei Arme besitzen.
Heiliger Lamasti! Der gehörnte Alptraum hieb mit allen Klingen zugleich auf den ungeschützten Rücken der Schwertmeisterin ein. Chan warf sich ohne nachzudenken dazwischen, während sie endlich ihre beiden Kasans blank zog. Sie bog ihre Arme in nahezu unmögliche Winkel, um mit jedem ihrer Schwerter zwei der Klingen abzufangen. Es wäre ihr gelungen, hätte nicht einer der vier Arme den angetäuschten Hieb in einen Stich abgeändert.
Überdeutlich wurde sie gewahr, wie kalter Stahl links unterhalb ihrer Rippen die Lederrüstung durchdrang.
Reflexartig senkte sie ihren Ellbogen, um zu verhindern dass die Klinge tiefer in ihren Körper drang. Ihr Unterarm blockierte die Aufwärtsbewegung des gepanzerten Arms.
Ihr Gegner setzte brachiale Kraft dagegen. Sie spürte, dass sie nicht länger standhalten konnte.
Die anderen Klingen drohten ebenfalls abzugleiten. Eine davon näherte sich ihrem Hals.
Entsetzt sah sie sich um. Keiner der anderen Soldaten stand nahe genug, um ihr zu helfen.
Toshira hörte hinter sich Stahl auf Stahl treffen. Zwei Schneiden waren auf eine getroffen. Zwei weitere Klingen: Eine pariert. Eine auf Leder getroffen. Ein Treffer - ein Stich. Ein metallisches Schaben von aneinander entlanggleitenden Klingen.
Noch bevor sie die Szene sah, hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie würde den Arm angreifen, der den Treffer gelandet hatte. Mit dem zweiten Schwert führte einen Stich in Kopfhöhe. Dorthin, wo sie den zweiten Gegner vermutete.
Der Stich ging ins Leere. Kurz vor dem Auftreffen ihrer anderen Klinge erkannte sie, dass ihr Schwert die metallene Panzerung niemals durchdringen würde.
Der hünenhafte Körper des Angreifers machte sich für eine gewaltige Kraftanstrengung bereit, mit der seine Klinge Chans Herz durchbohren sollte. Ihr blieb keine Zeit für einen weiteren Angriff.
Toshira nahm alle Reserven ihres Luft-Æthers zusammen. Sie versetzte in einer gewaltigen letzten Kraftanstrengung ihren Körper und ihr Schwert in den Zustand des Elements Luft.
Ihr zweites Schwert fiel zu Boden, da sie alle Reserven ihres Luft-Æthers brauchte, um die eine Waffe mitzunehmen.
Ihr Schwert durchdrang wie ein Geist die Armpanzerung am Ellbogengelenk der Bestie. In dem Bruchteil des Augenblicks, in dem die Schneide ganz im Arm versenkt war, ließ sie den Luft-Æther gehen. Die Bestandteile der Waffe suchten sich wieder ihre ursprüngliche Form, ebenso wie Toshiras Körper. Die Klinge nahm mitten im Arm des Dæmons feste Gestalt an. Der Schwung trieb die Klinge durch die Armpanzerung. Mit einem gequälten Kreischen riss das gehärtete Metall entzwei, als die Klinge die schwere Panzerung durchschnitt.
Die abgetrennte Hand mit dem Rest des Arms umklammerte weiterhin die Waffe, die aus Chans Körper unterhalb des Rippenbogens ragte. Toshira nahm sich zusammen. Sie konnte sich keine Ablenkung leisten.
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