Holm Roch
Sonne satt am Rentnerpool
Urlaubsnotizen aus der Türkei
Dieses eBook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Holm Roch Sonne satt am Rentnerpool Urlaubsnotizen aus der Türkei Dieses eBook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Immer wenn in Deutschland die Gräserpollen fliegen und bei mir heftige Niesanfälle auslösen, flüchte ich in den Orient. Hier an der Südküste der Türkei, östlich von Antalya, wächst kein Gras und folglich gibt es auch keine Pollen. Anstelle verquollener Augen und Gedanken behalte ich einen klaren Kopf und kann endlich den Themen, die im Leben wirklich wichtig sind, in Ruhe nachgehen. Dabei sind die folgenden Notizen entstanden. Sie greifen Erlebnisse und Gedanken auf, die mir während sieben solcher Reisen durch den Kopf gegangen sind. Im Juni herrscht in der Türkei Sonne ohne Ende, die Temperaturen steigen von Tag zu Tag, manchmal klettert die Anzeige bis zur 43-Grad-Marke. Regen ist so gut wie unbekannt. Zwar bauen sich im Laufe des Tages mächtige Gewitterwolken auf, aber gegen Abend verschwinden sie sang- und klanglos hinter dem Taurusgebirge. Man muss also höllisch aufpassen, keinen Sonnenbrand zu bekommen, jedenfalls dann, wenn man ständig faul am sogenannten Rentnerpool herumliegt. Mein Hotel bietet seinen Gästen neben dem Strand, an dem es extrem heiß ist und die Menschen wie Sardinen in der Dose lagern, zwei unterschiedliche Pools zur Auswahl an, einen mit viel Animation und den sogenannten „Rentnerpool“. Am ersteren treffen sich vorwiegend junge, sportliche Gäste, während meine Altersklasse sich eher am deutlich ruhigeren Rentnerpool versammelt. Da liegt man dann träge auf seiner Liege, studiert die BILD-Zeitung, liest einen Krimi, stopft sich Stöpsel mit Musik ins Ohr, geht mal eine Runde Schwimmen, lässt sich wieder trocknen, plauscht auch mal mit den Nachbarn auf der nächsten Liege – und wundert sich, wie langsam die Zeit vergeht. Das Leben im Hotel bietet Anregungen zum Nachdenken in Hülle und Fülle, angefangen von Einschlafproblemen über das Zusammentreffen mit originellen Menschen bis hin zu Fragen der Politik, der Medienkompetenz und der Nutzung des Internets. Zu solchen Themen finden sie auf den folgenden Seiten eine Reihe von Kurz- und Kürzestgeschichten, Gedankensplittern und Kommentaren. Viel Vergnügen bei der Lektüre dieser satirisch-ironisch gestimmten Texte wünscht Holm Roch ***
Der Reißverschluß Der Reißverschluß Die Reise fängt gut an. Auf dem Dortmunder Flughafen steht vor mir in der Warteschlange ein junge Frau in engen Jeans. Sie hat nicht nur einen knackigen Po, sondern auch einen auffälligen Reißverschluss, der nicht vorn, sondern hinten angebracht ist. Ein echter Hingucker! Das Teil setzt natürlich bei den Umstehenden einige Phantasien über seine Verwendung frei. Vielleicht könnte man ja solche Reißverschlüsse auch in anderen Körperzonen anbringen. Ein gewaltiger Auftrieb für die Reißverschlussindustrie wäre die Folge. Besonders in Ländern, wo sich Frauen nur völlig verhüllt in der Öffentlichkeit zeigen dürfen, könnte daraus ein echter Hype werden. ***
Auf in die Sonne Auf in die Sonne Blauer Himmel über Antalya. Das ist auch nicht überraschend, denn hier an Türkischen Südküste regnet es im Sommer so gut wie nie. In den vergangenen sechs Jahren habe ich nur einmal einen kurzen Regenschauer erlebt. Beste Voraussetzungen also für eine boomende Tourismusindustrie. Immer neue Hotelkomplexe werden hochgezogen. Der Strand ist schon ziemlich zu gebaut, jetzt kommt die zweite und die dritte Reihe dran. Manche dieser Neubauten sind bombastische Paläste mit Säulenreihen und antiken Standbildern - alles aus nachgemachtem Marmor. Überhaupt wirkt hier manches übertrieben. Das fängt schon im Bus an und setzt sich bei den Verkehrsampeln fort. Der Bus, der mich vom Flughafen nach Side in mein Hotel bringt, hat vorn neben dem Kopf des Fahrers einen großen Bildschirm. Darauf ist die ganze Zeit über die Landschaft, durch die wir fahren, zu sehen. Die Autostraße schwingt sich mal nach links, mal nach rechts, andere Fahrzeuge werden überholt, Ortschaften tauchen auf und verschwinden wieder, Moscheen recken ihre Minarette gen Himmel und Reklametafeln werben um unsere Aufmerksamkeit. Offenbar nimmt eine versteckte Kamera alles auf, was auf uns zukommt (die Zukunft!) und schickt die Bilder auf den Bildschirm neben dem Fahrer. Ein netter technischer Gag, aber man könnte ja auch direkt durchs Fenster nach draußen schauen. Die Küstenstraße ist jetzt komplett fertiggestellt und auch hier geht es nach dem Motto: Das Neueste ist gerade gut genug. Natürlich sind die Ampeln mit stromsparenden LEDs bestückt. Für die Fußgänger hat man sich noch eine zusätzliche Überraschung einfallen lassen: Das Ampelmännchen kann laufen. Sobald Grün kommt, bewegt es seine Arme und Beine ähnlich wie in einem Trickfilm und zeigt den Leuten wie man das macht: Über die Straße gehen. Da bin ich aber richtig gespannt, welche Überraschungen die Türkei noch bereit hält. ***
Der Dauerduscher Der Dauerduscher Die erste Überraschung wartet bereits. Nach dem Anreisetag bin ich rechtschaffen müde, liege auf meinem Hotelbett und versuche einzuschlafen. Das gelingt mir aber nicht, weil noch irgendwo Wasser rauscht. Das Geräusch kommt aus dem Badezimmer und hört sich an, als würde jemand in einer anderen Etage das Wasser aus der Badewanne ablassen. Die müsste aber doch eigentlich einmal leer sein. Nach einer halben Stunde geduldigen Wartens, kommt mir die Sache spanisch vor. Vielleicht ein Rohrbruch irgendwo in der Wand? Wenn das so weitergeht, werde ich nicht nur um den Schlaf gebracht, sondern es läuft vielleicht der ganze Hotelkeller voll. Da rufe ich doch lieber die Rezeption an. Die Verständigung ist nicht so einfach, weil der Mann am anderen Ende der Leitung gut Türkisch aber kaum Deutsch spricht. Ob ich vielleicht Wasser brauche? Im Gegenteil: Ich habe zu viel davon. Schließlich ist das Problem einigermaßen verstanden und mein Gegenüber verspricht, einen Techniker zu rufen. Als nach einer halben Stunde noch nichts geschehen ist, rufe ich wieder an. Ob denn niemand gekommen sei? Nein, wirklich nicht? - Dann werde man sich darum kümmern. Etwas Geduld bitte! Nach einer weiteren halben Stunde - es geht inzwischen auf Mitternacht zu - rufe ich wieder an, diesmal etwas unfreundlicher. Das hat Erfolg. Kurz nach Mitternacht erscheinen zwei Techniker. Sie hören sich die Geräusche an, laufen in die obere Etage und überraschen mich mit dem Hinweis, dass da jemand duscht. Da es offenbar für sie nichts zu tun gibt, sind sie auch gleich wieder weg. Ich bin nicht ganz sicher, ob sie sich nicht auch ein wenig über mich lustig machen. Schließlich ist es ganz normal, dass jemand seine Dusche benutzt, zumal in einem heißen Land. Und was nun? Dieser unbekannte Saubermann duscht jetzt schon fast zwei Stunden. Entnervt stopfe ich mir zwei gelbe Plastikstöpsel in die Ohren (sollte man immer dabeihaben!) und versuche, auf diese Weise einzuschlafen. Es gelingt tatsächlich. Gegen Zwei werde ich einmal kurz wach, nehme die Stöpsel aus dem Ohr und höre: Die Dusche läuft immer noch. Also: Stöpsel wieder rein und weitergeschlafen. Am nächsten Morgen ist der Spuk verschwunden und er kehrt auch am folgenden Abend nicht wieder. Man kann es mit der Sauberkeit auch übertreiben, aber bitte nicht ständig! ***
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