Am drauf folgenden Abend habe ich vergeblich auf einen Anruf gewartet. Rob hatte so viel zu tun, zweimal am Tag arbeiten. Er schrieb mir am Nachmittag die letzte Nachricht. Dann musste er sehr beschäftigt gewesen sein, ich wartete auf seinen Anruf bis halb zwölf. Von zehn bis halb zwölf habe ich zweimal angerufen, niemand hob ab. Ich schickte ihm auch noch eine Nachricht, dass es spät sei und ich nicht mehr warten könnte. Wünschte ihm eine gute Nacht, schrieb, dass ich ihn liebe und sendete noch Küsse XXZZXX. Dann ging ich draußen noch eine Rauchen, als ich reinkam, Blick aufs Telefon. Keine Nachricht, er war auch nicht online, hatte demzufolge auch meine Mitteilung nicht gelesen. Ins Bad, Zähne geputzt. Noch mal zum Handy, unverändert. Das war aber komisch. Was trieb er denn?? Das gibt es doch nicht, dass man vergisst seiner Freundin, die man so über alles liebt, eine Nachricht zu schicken oder kurz anzurufen, wenn man eine Tour beendet hat und bevor man einen neuen Fahrgast aufnimmt, ein paar Minuten sind da immer drin, für eine Zigarette hat er auch immer Zeit, während dessen könnte er sich doch auch kurz bei mir melden.
Es sei denn man ist wirklich mit etwas anderem so derart stark beschäftigt und abgelenkt, dass man da überhaupt nicht drüber nachdenkt und sich acht Stunden nicht bei seiner Freundin meldet.
In seiner Nachtnachricht, die ich am nächsten Morgen las, schrieb er, dass er am Flughafen Gatwick auf einen Fahrgast gewartet hatte, draußen stand und das Telefon im Auto vergessen hatte. Weiterhin, dass er sehr beschäftigt gewesen sei. Meine Antwort, dass er wenigstens zwischen zwei Zigaretten hätte eine kleine und kurze Nachricht an mich senden können, mit dem Inhalt, dass er keine Zeit hätte. Aber mich hier stundenlang warten zu lassen, ist auch nicht schön. Er hat sich dafür entschuldigt. Manchmal ist es nicht einfach mit ihm, aber mit meinem Mann auch nicht.
Ich hatte mir darüber Gedanken gemacht, was ich an Geschenken für seine Familie mitnehmen möchte. Das war gar nicht so leicht. Ich hatte Rob noch gefragt, er sagte mir, dass ich immer gute Ideen hätte und mir schon was einfallen würde, aber es sollte nicht so teuer ein, es käme auf die Geste und die gute Idee an.
In drei Tagen wollte ich fliegen und hatte noch nichts eingekauft. Aber ich hatte wenigstens schon Ideen. Bei Robs Mutter war es leicht, zwei Packungen Edle Kirschen, die mag sie total und Rob meinte, eine Schachtel würde als Geschenk für sie ausreichend sein, die andere Schachtel wäre für uns. Ich habe die Schachtel für seine Mum schön eingepackt und noch eine kleine Weihnachtstischdecke für ihre Kommode mit dazu gelegt. Schwieriger war der Rest. Das habe ich heute alles erledigt, auch gleich unseren Wochenendeinkauf gemacht.
Ich habe für Rob Bruder einen Bierkrug aus Keramik besorgt, mit der Werbung einer Biersorte aus unserer Region. Mein Mann fand den ziemlich hässlich und ging in unser Gartenhaus, in dem wir bereits schon viele Feste gefeiert hatten und holte einen sehr schönen Bierkrug aus weißem Porzellan mit postkartenähnlich gestalteten Ansichten aus Stadtmotiven, die gemalt waren. Sah sehr schön aus. Mein Mann meinte, «der ist besser, nimm den mit als Geschenk». Ich traute meinen Ohren nicht.
In den Bierkrug habe ich dann Tiroler Kaminwurzen und geröstete Erdnüsse getan, schön dekoriert mit einer halb rausschauenden Serviette und alles schön in Folie gepackt mit Schleife. Ein richtiges Herrengeschenk zum Bier. Für seine Frau habe ich eine Tüte ganz toller namhafter Pralinen gekauft, diese in einer kleinen und sehr alten Glasschale mit drei Füßchen arrangiert und auch verpackt mit Folie und Schleife. Für Robs Neffen kaufte ich vier Tüten verschiedener Sorten Haribo und band noch zwei kleine Modellautos, die Originalen aus dem Jahre 1964 und 1971 maßstabsgetreu nachgebaut wurden mit an die Schleife. Ich hoffe, dass meine Geschenke ankommen würden. Diese deponierte ich bis zu meiner Abreise, auf dem Tisch in unserem Büro und mein Mann sah all die Sachen, die ich wieder mitnehmen wollte, er verlor kein Wort darüber.
Ich musste Rob nun aber langsam die Türkei-Reise beichten, viel Zeit war nicht mehr. Als Rob mich am Abend anrief, war er sehr gut drauf, weil er sich schon sehr freute, dass ich bald kommen würde. Ich dachte, das ist die Gelegenheit und sagte ihm, dass ich im Dezember mit meiner Mutter für zehn Tage in die Türkei fliegen werde, getrennte Zimmer und Abflug von unterschiedlichen Flughäfen. Ich sagte ihm, dass ich wenig Zeit für meine Mutter hatte, in diesem Jahr und wir deswegen zusammen Urlaub machen. Er fragte nicht, in welchem Hotel, weil er vielleicht die Absicht hätte, ebenfalls (oh Gott!) dort aufzutauchen. Er meinte nur, dass wäre eine gute Idee und ich sollte mich auf jeden Fall vor türkischen Kellner in acht nehmen. Rob fragte mich noch, ob ich mir dort wieder einen neuen Mann suchen wollte. Ich hatte doch meinen eigenen dabei. Ich sagte zu Rob, dass er völlig ausreichend für mich sei und ich nicht die Absicht hätte, jemanden kennen zu lernen . Ich hatte mit meinen beiden Männern schon zu viel um die Ohren. Und musste Rob endlich die Wahrheit sagen.
Nach dem Frühstück hatte ich dann eingecheckt, allerdings nur für meinen Hinflug, Für den Rückflug war das erst einen Tag später möglich. Aber es gab Probleme auf der Homepage der Fluggesellschaft, ich konnte mein Ticket nicht drucken. Hatte einen ganz blöden Platz, Reihe 19 Sitz B. Na toll. Mitten zwischen zwei Leuten. Hoffentlich muss der Fensterplatz-Sitzer nicht laufend aufs Klo. Das hasse ich wie die Pest.
Rob schickte mir als Song für meinen Tag ein Lied, es war ein Video mit einem uralten Robin Hood Film in schwarz weiß. Ich schrieb zurück, dass Lied sei furchtbar, damit könnte er mich in den Schlaf singen. Prompt kam eine Sprachnachricht, Rob sang mir das Lied vor und wünschte mir gute Nacht und schlafe schön. Es war abends gegen sechs. Ich habe mir Robs Gesang mehrfach angehört und musste so sehr lachen. Mein Lachen erhielt er dann als Sprachnachricht zurück.
Ich hatte gut gekocht, Gulaschsuppe. Es war noch ein guter Rest übrig, diesen stellte ich in den Kühlschrank und sagte zu meinem Mann, den könnte er sich am Dienstagabend warm machen, da hatte er gleich noch etwas zu Essen. Ich koche für ihn immer vor oder sage ihm, dass noch gekochte Sachen im Frost sind, so dass er was zu essen hat, wenn ich nicht da bin. Es tut mir schon wieder sehr leid, ihn allein zu lassen, weil ich weiß, dass es für ihn eine fürchterliche Zeit ist. Aber ich musste, denn Rob zog stärker am Seil, als mein Mann und ich würde für drei Tage wieder nur ihm gehören. Auch wenn ich mit Rob zusammen war, dachte ich immer an meinen Mann, wie er allein zu Hause ist, die Sachen, die wir immer gemeinsam erledigt hatten, nun allein machen musste, er allein in unserem Bett lag und an mich dachte, es schmerzte mich schon sehr.
Habe an meinem Abreisetag noch meine E-Mails gecheckt, wir haben die Unterlagen für unsere Reise im Dezember erhalten. Ich habe alles ausgedruckt und angeschaut. Die Flugzeiten hatten sich erheblich geändert. Von abends auf mittags, das war besser. Habe meine Mutter angerufen, um ihr zu sagen, dass sie bei Erhalt ihrer Unterlagen darauf achten soll, dass es möglich sein könnte, dass sich auch ihre Flugzeiten geändert hätten. Es war nur der Anrufbeantworter dran, ich hinterließ ihr eine Nachricht und wollte mich später noch einmal melden. Am Nachmittag hatte mein Mann noch einen Termin zum Reifen wechseln von Sommer auf Winter. War auch dringend notwendig, Hatten schon erste Schneeflocken. Als er weg habe, ich noch mal meine Mutter angerufen. Sie war zu Hause. Ich sagte ihr noch einmal dasselbe, was ich bereits dem Anrufbeantworter erzählt hatte. Sie meinte, sie hätte ihre Unterlagen noch nicht, kämen bestimmt in den nächsten Tagen, sie wollte mich dann anrufen. Mist, da bin ich doch gar nicht zu Hause. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass ich wegfliegen würde, wieder zu Rob. Das musste ich jetzt tun. Sie hat mich angeschrien, «Was, fliegst du wohl schon wieder zu dem hässlichen Vogel? Was willst du nur von dem, dein Mann ist viel schöner». Da kommt es doch überhaupt nicht drauf an, dachte ich. Dann setzte sie noch nach, «ich wünsche dir die Pest an den Hals, der Teufel soll dich holen, am besten wäre es, wenn eine Bombendrohung am Flugplatz wäre». Ich fragte sie, ob es ihr wohl am liebsten wäre, wenn ich gleich mit dem Flugzeug in die Luft fliege? Sie sagte, «verdient hättest du es schon». Ich dachte, ich traue meinen Ohren nicht. Aber sie war noch nicht fertig, «ich werde im Urlaub mal mit deinem Mann ein ernstes Wort reden, dass er dich endlich rausschmeißt». Ich beendete das Gespräch und begann meinen kleinen Koffer zu packen, um wieder zu dem hässlichen Vogel zu fliegen. Die Whiskeygläser waren leider noch nicht angekommen, so musste ich ohne fliegen. Aber Rob wusste ja bereits, dass ich ein Geschenk für ihn gekauft hatte.
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