Sie nannte ihn nur Sebastian, wenn sie sauer auf ihn war.
Sebastian wusste gar nicht, was er sagen sollte. Er war durcheinander. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte diese Reaktion in seiner Planung nicht berücksichtigt. Er als Starverteidiger. Er hätte dran denken können.
Klar hatte er nicht zufällig einen schwarzen Hammer-Dildo gekauft. Es war Absicht. Aber wie konnte er das seiner Frau erklären ohne sich selbst zu blamieren? Instinktiv wusste er, dass er etwas Falsches gemacht hatte. Er hatte Lisa gerade schwer beleidigt, ohne es zu wollen.
Er dachte wirklich, dass er ihr gefallen würde, eben wie mit Wanted.
Er entschied sich, so zu tun, als ob nichts Schlimmes geschehen wäre und sagte lächelnd:
„Das ist doch schön, und ich finde schwarze Dildos schöner. In dem Sex-Shop habe ich lange überlegt, und der Verkäufer sagte mir auch, dass die schwarze Farbe öfter bevorzugt wird und sie passt besser zu weißer Haut. Ein bisschen Farbe halt.“
Lisa sagte nur:
„Danke fürs das Geschenk aber der ist zu dick für mich.“
Basti sah sie verdutzt an.
„Zu dick für dich? Das verstehe ich nicht.“ Er verlor kurzfristig die Fassung, aber bekam sich schnell wieder unter Kontrolle „Ich meine, du wolltest immer neue Sachen ausprobieren und du weißt es doch gar nicht, vielleicht gefällt es dir doch.“
„Sebastian, ich weiß, was ich will und ich weiß, was mir gefällt. Einen dicken Dildo will ich nicht. Von mir aus kann er blau, gelb, grün, weiß, rosa, schwarz sein. Aber diese Dimensionen möchte ich nicht haben und werde ich nicht haben und du weißt, dass du die ganze Aktion nicht ohne Hintergedanken veranstaltet hast!“
Basti stand sofort auf und versuchte noch, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden.
„Ja, das ist typisch. Was kann ich Gutes tun? Alles, was ich mache, ist falsch. Ja, ich wollte dir etwas Böses tun. Ich bin ein Monster, ich bin ein schlechter Mann, ein Versager, ein alles. Das willst du mir sagen? Ich wollte nur einen schönen Abend mit dir haben, nur ein…“
Lisa unterbrach ihn.
„Bitte, Sebastian, lass deine Jammerei sein. Ich will schlafen. Deinen Dildo werde ich trotzdem als Erinnerung für deine gute Tat aufbewahren“, sagte sie.
Sebastian sagte außer sich:
„Was? Du willst schlafen? Nur als Erinnerung und…“
Als er weiter redete, stand Lisa auf und meinte:
„Ich gehe zu Melanie. Ich werde dort schlafen. Und noch einmal danke für das Geschenk. Es wäre aber nicht nötig gewesen.“
„Hey, so geht es nicht, so einfach kannst du nicht gehen. Ist alles das wegen Wanted?“
Sie vergaß oder ließ absichtlich das Geschenk auf dem Bett liegen, trat aus dem Zimmer und machte die Tür hinter sich zu, ohne ein Wort mehr zu sagen.
Sebastian stand da wie ein Roboter, nicht wissend, was er nun machen sollte. Er schämte sich zu Tode. Er hatte sich so herabgesetzt, dass er sich nicht mehr traute, morgen zur Arbeit zu gehen und anderen Leuten ins Gesicht zu sehen.
„Was ist los?“, fragte er sich. „Was bin ich geworden? Was geht um mich herum vor? Warum hat… Warum mir? Was kann ich tun, um Wanted von meiner Familie zu entfernen? Er hat sich durch Annäherung an Melanie meine Frau erobert!“, schimpfte er.
„Warum ist Wanted so besonders? Ich bin reich, habe Erfolg, sehe gut aus, bin angesehen und so ein Mann kommt und stellt die Welt auf den Kopf? Was soll ich tun?“, fragte er sich. Diese Gedanken ließen ihn nicht einschlafen.
Sebastians Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hatten Kratzer bekommen. Die Kratzer waren so tief, dass ab diesem Tag seine Karriere darunter zu leiden begann.
Schlimmer für ihn war die Tatsache, dass Lisa sich weiter ganz normal verhielt und sehr glücklich zu sein schien. Je unglücklicher er war, desto glücklicher war sie.
Sebastian ertrug diesen Zustand schwer, und fing an zu trinken und Wanted richtig zu hassen, obwohl er null Beweise hatte, dass seine Frau mit dem Kameruner im Bett gelandet war.
Er schämte sich über sich selbst und fragte sich, wie es dazu kommen konnte, dass ein einfacher Gedanke ihn so kaputt machen konnte. Ja, es war nur ein Gedanke, nichts mehr.
Seine Frau hatte sich eigentlich nicht großartig geändert, auch ihm gegenüber. Sie war wie immer lieb und respektvoll gewesen und hatte ihm kaum Vorwürfe gemacht.
Lisa äußerte sich nie zu der Beziehung zwischen ihr und Wanted. Sie sprach nur immer gern darüber, wie gut Wanted und Melanie sich verstanden. Somit ließ sie ihm überhaupt keine Gelegenheit, über eine mögliche sexuelle Beziehung zwischen ihr und Wanted zu reden.
Mit niemandem konnte er darüber reden. Niemand würde ihn verstehen. Er wusste als Anwalt ganz genau, dass nur Fakten und Beweise zählten. Er hatte nur Indizien, und auch da nur gefühlte Indizien. Er konnte seiner Frau eigentlich nichts direkt vorwerfen und seine Frau stellte es auch so geschickt an, dass es absolut keinen Grund gab, darüber zu reden.
Sebastian saß in seinem eigenen, im Kopf kreierten Gefängnis fest und folterte sich selbst.
Aber warum macht mich dieser Wanted verrückt? Warum macht die Idee, dass meine Frau mit ihm schläft mich so fertig? Ja, die Macht der negativen Gedanken spüre ich gerade, sagte er sich, aber aus eigener Kraft konnte er nicht mehr daraus entkommen.
„Ich muss mir keine Hilfe holen“, entschied er dennoch.
Der Satz „Ich bin eifersüchtig, weil meine Frau mich betrügt“, kam nicht aus seinem Mund heraus.
Ihm ging es immer schlechter, und irgendwann musste er doch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Er fand Hilfe beim Psychotherapeuten Dr. Camara aus Frankfurt.
Die Jahre vergingen weiter so und nichts änderte sich privat zugunsten von Sebastian, aber er hatte sich ein bisschen aufgefangen und beruflich, nachdem ihm mit Rauswurf aus der Kanzlei gedroht wurde, ging es wieder bergauf.
Er war herabgestuft worden und war kaum noch für einen wichtigen Prozess verantwortlich. Aber er arbeitete sich dank der Hilfe von Dr. Camara wieder nach oben.
Die Krönung seines Comebacks war der Gewinn eines spektakulären und medienwirksamen Prozesses; ein Prozess, der Deutschland bewegte. Es ging um eine 19jährige Frau, die angeblich ihren Ehemann und dessen Geliebte bestialisch ermordet haben sollte. Alle Indizien und Beweise sprachen gegen die Frau. Die Frau hatte Pech, da der Ehemann der Geliebten ihres Mannes ein sehr einflussreicher Mann war mit Verbindungen bis nach Oben. Die Frau wurde lebenslänglich verurteilt mit keiner Aussicht auf Freilassung nach der Verbüßung der Strafe. Die Kanzlei brauchte Erfolg, den sie seit Jahren nicht mehr gehabt hatten. Sie verfolgte den Prozess, aber griff vorher nicht ein. Ein Jahr nach der Verurteilung der Frau suchte die Kanzlei Kontakt zu der Frau, die im Gefängnis saß, und bot ihr an, sie gerichtlich zu vertreten.
„Was würde so etwas kosten?“, fragte die Frau.
Der Chef der Kanzlei selbst, der persönlich mit der Frau sprach, meinte dass dies alles so um eine halbe Million kosten würde.
„Halbe Million? Vergessen Sie es. Ich kann nicht mal 500 zusammenraffen.“
„Ja, wir wissen das“, antwortete der Rechtsanwalt, und fügte hinzu: „Aber wenn Sie akzeptieren, dass wir Sie vertreten, sind wir bereit, alle Kosten zu übernehmen.“
„Wie das? Einfach so, weil Sie mir helfen wollen? Das glaube ich Ihnen nicht. Was soll ich als Gegenleistung erbringen?“, fragte die Angeklagte.
„Klar, dass Sie etwas machen müssen. Sie müssen nur unterschreiben, dass unsere Kanzlei Sie vertritt“, sagte der Kanzleichef.
„Und was haben Sie davon?“, fragte die Frau.
„Sie werden uns die gesamte Vermarktung dieser Geschichte abtreten.“ Und schnell fügte er hinzu: „Selbstverständlich übernehmen wir auch etwaige Schadensersatzforderungen gegen wen auch immer, aber dafür sind Sie vielleicht in wenigen Monaten wieder frei, können studieren und sich eine schöne Zukunft bauen. Überlegen Sie ganz in Ruhe, in wenigen Tagen wird unser Staranwalt Sebastian Koch Kontakt mit Ihnen aufnehmen, um Einzelheiten mit Ihnen zu besprechen.“
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