1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 Oder gehts es auch eine Nummer leiser und etwas weniger exaltiert. Die Parallelen zur Frauenemanzipation schienen mir unübersehbar. In den Fernsehdiskussionen rissen auch immer jene den schmallippigen Mund am weitesten auf und tönten über männliche Gewalt gegen Frauen, die sie am wenigsten zu befürchten hatten. Man muss nicht gleich ein Macho sein und beladen mit Vorurteilen, wenn man die Komik sieht. Und komisch konnten sie sein - gelegentlich. Meist fand ich allerdings die Kreischschwestern nervtötend und ziemlich unoriginell. Nur wenn eine gewisse Pfiffigkeit dahinter steckt, mag ich es leiden. Und besonders helle schien mir an jenem Abend keiner.
Schon der Gastgeber starrte mich fassungslos an, nachdem er sein Geschenk ausgewickelt hatte. Jüngst hatte ich mir eine ultraschicke Artdeco-Schachtel als Zigaretten-Etui in Schwarzlack mit Silberstreifen gegönnt. Mit wehem Herzen hatte ich mich von dem schönen Stück getrennt. Und nun das! Der Typ sah nur eine alte Blechschachtel vor sich. So eine Schachtel war das. Kollege Uwe war an meine Seite geeilt, um die Vorstellung zu übernehmen. Der jauchzte auch gleich los:
»Ah, wie toll, Mike, das ist ja reines Art-Deco!«
Stimmt, vorher hatte ich sie noch extra sauber gemacht und auf Hochglanz poliert. Die Dose glänzte mit mir um die Wette. Offensichtlich war das Geburtstagskind in Stilfragen nicht so bewandert, denn sein Mienenspiel änderte sich nicht. Immer noch stierte er kommentarlos auf das hochelegante Etui.
»Meensch, wo hast du das nur aufgetrieben?«, sprang Uwe bei. »Das ist ja supertoll!«
Für teures Geld hatte ich im Antiquitätenhandel die Rarität erworben und mein Herz blutete noch ein wenig, sie gleich wieder herzugeben. Der so Beschenkte war leider nicht zu überzeugen. Blech bleibt Blech, und Uwe redete ohnehin viel Blech. Mit spitzen Fingern packte er das alte Ding auf den Gabentisch und würdigte es keines Blickes mehr. Ebenso wenig wie mich, was in dem kleinen Wohnraum gar nicht so einfach war, denn ich fand mich alsbald von zänkischen Nebelkrähen aller Art umlagert, die mich anscheinend für prominent hielten. Wer weiß, was Uwe ihnen vorher erzählt hatte. An blühender Phantasie bestand offensichtlich ein gewisser Überschuss in seinen grauen Zellen. Ach nein, bei ihm waren sie ja rosa. Die von ihm groß angekündigten Spitzen aus Film, Funk und Fernsehen hatten es allesamt vorgezogen, einen anderen Termin wahrzunehmen.
Da war keine Brigitte Mira und kein Günther Pfitzmann mit Würstchen vom Grill. Die Dinger kamen einfach aus der Dose. Keine Evelyn Künneke oder Hildegard Knef hatte den Nudelsalat zubereitet. Nichts, nada. Selbst Uwes blonder Kollege glänzte wieder durch Abwesenheit. Pech gehabt. Stattdessen wurde ich umlagert wie Wallenstein und das Geburtstagskind immer saurer. Kaum jemand kümmerte sich noch um seinen Ehrentag und das er Mitarbeiter der Woche in der Parfümabteilung geworden war. Die Blicke, die er verschoss, wurden immer giftiger. Mit Mühe gelang es mir, mich für einen Moment freizukämpfen.
»Muss eben Zigaretten holen!« Mit diesem Spruch hatte sich schon Allerhand verkrümelt. »Bin gleich zurück!«
Na, das kennt man ja. In zehn Jahren oder so. Am Bahnhof Zoo wählte ich am Nachtverkauf für Drachenfutter drei gelbe Rosen, deren Blütenränder zusätzlich mit etwas Glimmer aufgehübscht waren. Das fand ich angemessen. Zu üppige Sträuße wirken immer so neureich. Dann ging ich zur Party zurück und schnappte mir das unwillkommene Geschenk und legte die verzuckerten Rosen an seine Stelle. Noch einmal winkte ich den verblüfften Fans zu und verschwand. Dort wurde ich auch nicht wieder eingeladen. Irgendwie war ich wohl nicht der passende Umgang.
HEILIGABEND ZU ZWEIT
Traute Zweisamkeit. Festglanz. Weihnachtsglocken Süßer! - Die Glocken klingen!
Es lief nicht allzu gut mit uns beiden. Ständig schielte Rudi nach frischerem Gemüse. Manchmal kam er erst vormittags nach Hause und sah aus wie ein zufriedener Kater nach einer Extraportion Sahne. Fast vermeinte man noch den Milchbart zu sehen, wenn er mir behaglich schnurrend um die Beine strich. Ach so, das war jetzt Alfred, unser Kater, da hab ich was verwechselt. Aber genau so benahm sich Rüdiger. Von Reue keine Spur, schließlich führten wir eine moderne Beziehung. Also schluckte ich den Ärger runter und revanchierte mich mit einer Nacht in der Herrensauna oder einer anderen Kurzaffäre.
In die Sauna traute ich mich schon seit längerem. Rudi wohnte noch in der Keithstraße, als er mir anvertraut hatte, dass er zum Duschen gelegentlich die Sauna aufsuchte. Zum Duschen??! Normalerweise ging er am Arbeitsplatz im Druckhaus Tempelhof unter die Brause. Nur zum Duschen in die schwule Sauna, wo der Eintritt stolze 25 DM kostete? War deshalb das gemeinsame Konto stets so geplündert?
Also, das wollte ich aber jetzt mal genauer wissen, und anschließend waren wir gemeinsam in den verruchten Schwitzkasten gepilgert. Es war ja nicht so weit, räumlich gesehen, denn ansonsten war es höchste Zeit, auch mal einen Blick auf die Fleischbeschau zu riskieren.
Und was soll ich sagen: Es hat mir gefallen. So gut, dass ich fortan die kleine Bar inmitten der handtuchbekleideten Menge zum Zweitwohnzimmer erklärt hatte, um dort auf meinen fleißigen Spätheimkehrer zu warten.
Zu einem geringen Aufpreis gab es Einzelkabinen mit Liege zum Entspannen, nach dem anstrengenden Saunagang oder dem Nebel im Dampfbad mit seinen vielen Nischen, in welchen reichlich Dampf abgelassen wurde. Es wurde entspannt was das Zeug hielt. Über zwei Etagen zog sich ein halb- bis volldunkler Parcours mit schmalen Gängen zwischen den Kabinen und Treffplätzchen für allerlei Mätzchen. Was Mätzchen nicht lernt, lernt Matz nimmermehr, hatte ich vorher noch gedacht und danach mit Freude doch noch eine gewisse Lernfähigkeit festgestellt. Der Mensch lernt bis zuletzt.
Es machte Spaß zwischen den sparsam bekleideten Herren zu wandeln, um sich etwas Nettes auszugucken. Hinter der Bar tummelten sich muskulöse Saaltöchter in Hot-Pants um das leibliche Wohl der Gäste. Ganz reizend. Warme Küche bis früh um Fünfe mit überraschend bürgerlicher Speisenkarte. Rinderroulade unterm Handtuch und auf dem Teller. Rotkohl, Grünkohl, Massageöl. Da kam zusammen, was nicht unbedingt zusammengehörte. Lautes Gestöhn hinter der Sperrholzwand und extrascharfer Mostrich auf der Bulette.
Die Bar war im Geviert und bot gute Rundumsicht. Es war einfach, sich jemanden auszugucken, da alle mit der gleichen Absicht gekommen waren. Und jene, die an der Bar nichts abbekommen hatten, vergnügten sich anonym in der Dunkelkammer, wo nach Belieben getastet und getestet werden durfte, was das Testosteron hergab. Von Aids hatte noch niemand je etwas gehört, und so waren alle eine große Familie von Fleischkonsumenten und äußerst lustig im Umgang miteinander.
Ja, das hatte mir gefallen, und mehrmals war mir der Keuschheitsgürtel in Form eines Badelakens von der Hüfte gerutscht. Man will ja kein Spielverderber sein. Lieber aber noch ging ich mit Rudi hin, um in der anregenden Atmosphäre ausgiebig zu plaudern oder so. Mit ihm war es netter, und wenn im Dampf mal etwas dazwischen kam, war es auch nicht so schlimm. Alles atmete Sauberkeit und Frische, wie überall beim Sport, und nur wer ganz abgeschlafft war, begab sich in die Hände des Masseurs, um sich wieder in Form kneten zu lassen. Viele Paare gingen in die Sauna, um einzeln oder zu zweit Abwechslung vom öden Ehealltag zu finden.
Es war ein kumpelhaftes Miteinander. Von großen Gefühlen keine Spur, es wurde lediglich ein gewisser Triebstau beseitigt. Und hinterher tauschte man Telefonnummern nur, wenn es besonders nett gewesen war.
Die Meisten allerdings waren Einzelkämpfer, die keine feste Beziehung wollten und ein eheähnliches Verhältnis als verlogen und spießig ablehnten. Sollten sie nur, ich jedenfalls war wild entschlossen, mein künftiges Leben nicht im Alleingang zu verbringen und als Einzelschicksal auf eine gute Rente zu hoffen, die mir später einen Stricher pro Woche erlauben würde. Das war absolut nicht mein Ding. Also biss ich die Zähne zusammen, wenn mein Liebster gutgelaunt wieder auftauchte und schritt verdrossen zur Rache, um zu zeigen, dass ich ebenfalls unabhängig war. Illusion ist alles.
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