Luis Brünnstein
Vom Kommen, Sein und Gehen
Tragische und komische Verse
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Luis Brünnstein Vom Kommen, Sein und Gehen Tragische und komische Verse Dieses ebook wurde erstellt bei
Vom Heute und Morgen
Vom Reisen und Rasten
Vom Gedenken und Träumen
Vom Wahn und Sinn
Vom Erinnern und Vergessen
Impressum neobooks
Das Nichts und der Anfang
So willst du also neu anfangen
und den Staub abschütteln,
den Erdbeben abgeladen haben;
den Kopf heben und prüfen,
ob die Sonne wirklich so ist
oder nur im Traum so war,
ob alles ringsumher tot ist
oder der und die noch leben,
und ob auch sie neu anfangen,
dir den Staub abschütteln
und die Trümmer zusammenfügen
zu neuem Lebendigem
und die Toten begraben
und beweinen, die da waren,
im früheren Leben dich quälten.
Wer aufsteht aus dem Staub,
kann nur lächeln über die Alten;
und die Schmerzen von damals
weichen der stummen Trauer
über das Nie-wieder,
über das Immer-anders,
die entrissene Geborgenheit
in der ewig gestrigen Stadt,
die dich ausgespien hat
in die heute heutige Stadt.
Neu anfangen! Von Anfang an!
Wer bist du, wer bin ich?
Keiner weiß es, du nicht
von dir und mir, ich nicht
von mir und dir.
Bist du der ewige Schatten,
der jedem von uns folgt,
bist du das pralle Licht,
das uns die Schatten verbrüht?
Bin ich der Schöpfer dessen,
dem ich deinen Namen gebe,
bin ich der Denker, der morgen
sein Wort vergessen wird?
Nichts von dir ist da,
alles fließt in Gedanken davon,
wie vom Regen gepeitscht,
zersprüht an der Wand.
Und doch ist es Leben,
das sich bewegt und fühlt
und wieder Fühlen erhofft
von mir und von allen,
die noch da sind
und im Vorübergehen
ein klein wenig innehalten,
sich umsehen im hohen Gras,
als ob sie etwas verloren hätten
und nicht wissen, was es war,
schließlich zu glauben beginnen:
Es war nichts und ist nichts
und kann denn je etwas sein?
Bilder frührer Tage
Wir lächeln über Bilder frührer Tage
und wissen doch nicht mehr,
als Doktor Faustus je gewusst.
Doch stoßen wir die Türen auf
zu jenen Räumen, in welchen
unsre Kinder von uns träumen.
An meinen Deskjet
Du bist bereit.
Bist du's also?
Harrst des Befehls,
der nicht kommt.
Nicht kommen will?
Nicht kommen kann?
Wo ist die Botschaft?
Steckt sie im Stau?
Hat sie ein Wort verloren,
das noch gesucht wird
zwischen den Zeilen,
damit sie verstehen?
Jetzt aber leg los!
Fass dir Mut zur Fülle
für den leeren Magen!
Gib ihm die fetten Sätze!
Und stoß sie hinunter
mit einem harten Klaren!
Schon brüllt der Magen,
getroffen im vagen Ziel,
schwingt tausend Glocken
auf schwankenden Türmen
über das Land, die Welt.
Jetzt schreib schnell, Gesell!
Was ist heute bloß?
Was ist heute bloß für eine Nacht!
Hat die Straße am Himmel gewebt,
die dich von der sinkenden Erde
auf die Gipfel der Hoffnung hebt.
Was ist heute bloß für ein Morgen!
Tausend Perlen küssen dich wach
und besetzen die kostbaren Poren
deiner Haut zum royalen Glanz.
Was ist heute bloß für ein Tag!
Der auf schwankendem Brettergedeck
starres Eis an deinen Fuß friert
und dir Glut in die Augen brennt.
Was ist heute bloß für ein Abend!
Der den Tag zur Hölle schickt,
damit alles Weinen und Klagen
in betäubenden Träumen erstickt.
Heute und morgen
Strom der Tiefe überflute,
Sturm der Höhe unterziehe,
wo das Tal im Staub versinkt!
Schürfe aus der Höhle Dunkel,
wringe aus dem Ufersand,
was uns gestern morgen schien!
Warten werfen wir hinüber,
wenn das Heute hier geschieht.
Trost ist Junkfood für die Seele,
wenn Gelegenheit uns blüht,
heute noch den Pot zu knacken,
Ewigkeit zertrümmernd Dasein.
Rote Feuer in den Schächten
wallen für das andere Band,
fürchten mit den alten Wächtern
fester Platten und Disketten
Reichtum an Erinnerung,
gefroren im Betriebssystem.
Nasdaqs Alptraum
Im Kessel wird ein Wert gemacht.
Hexen reiten durch die Nacht
auf ihren stummen Drähten.
Laokoon bringt frisches Gewürm
für das siedende Menschengehirn
und Melpomene streut die Würze,
fein gehackt von Elektras Beil,
und Sokrates bietet Sprüche feil.
Die Suppe zischt vom frischen Trug,
den kein Prüfer hinterfrug
mit seinen schlauen Räten.
Gläubige schleppen die Opfergaben
bienengleich in hohle Waben
zu ihrer kindlichen Königin,
gerüstet für die weite Reise
zu ferner Tage Erntepreise.
Sprüht schon Saft in geiler Lust,
macht den Häretikern bewusst,
dass sie im Gestern starren.
Hoch schnellt die Kraft
der Lanze Schaft
zum weiten Himmelsbogen.
Und der junge Börsenhag
steht glänzend wie am ersten Tag.
Doch Wotan bläst Feuer auf das Dach
und Zeus schickt Bruder Dionysos nach,
damit die Wachen schlafen.
Die der Liebe Lust entsagen,
laden ihr Gold auf Sonnenwagen
und lassen den andern die Träume.
Und die schlimmsten verlorenen Wetten
füllen morgen die bunten Gazetten.
Illusion
Tage bersten am Felsen der Arbeit,
sinken in tiefe Ewigkeit ab.
Wenn deine Hände gierig greifen
nach dem Balken Augenblick,
gaukelt der Regenbogen Freude,
sengt die Flamme zitterndes Glück,
wärmt damit den mit dem Boot der Zeit
Gestrandeten.
Glasklare Strahlen grüßen spöttisch
krächzend von den vielen Fernen.
Rauschend rasselt roter Sand.
Sacht weicht die Nacht dem Trugbild
milder Gefühle Träumereien.
Bald strahlt kaltes Licht ins Dickicht,
brechend den schwarzen Schwur,
der Schöpfung Pfand.
Vom Stern
Dem Stern eine Zacke abbrechen
tief hinunter werfen
lustvoll nachblicken
treffen sehen
und unerreichbar bleiben.
Die neuen Dome
Zeig hinauf,
Turm!
Töne herab,
Glocke!
Denkmäler
der Ahnungslosen.
Wie Soldaten
steht der Wald,
weicht zurück
vor Macbeth
und kriecht
wieder hinein
in die Bäuche
der Hexen.
Die Dome haben
keine Türme mehr,
Altäre Tastaturen,
und Toren
sind wir alle.
Was gilt?
Was gilt denn noch in diesen Tagen,
da eines nicht mehr gilt: das Wort?
Nach welchen Zeichen soll ich fragen?
Wo bleibt ihr, rasend machende Sirenen,
in diesem Meer von nacktem Fels?
Vertreibt das Fressen, schürt das Sehnen!
Im Hunger ist der Reiche satt
und will dem Nächsten nichts mehr nehmen.
Er gibt, was er noch gar nicht hat.
Wo ist für diese Welt ein Ort,
an dem wir unsere Kreuze lagern
und Zeichen tragen Fragen fort?
Verlassene Poesie
In tausend goldne Sterne
das Mondlicht, Geliebte,
in deinem Haar sich brach,
als du den Bogen säugtest,
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