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Edgar Wallace: Die gefiederte Schlange

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Edgar Wallace Die gefiederte Schlange

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Leicester Crewe erhält eine merkwürdige Visitenkarte mit den Worten «Damit sie es nicht vergessen!» und einer gefiederten Schlange darauf. Handelt es sich um eine Drohung? Wer ist der Versender der Visitenkarten, die nach und nach in Umlauf geraten. Als einer der Empfänger mitten auf der Straße erschossen wird, versucht Reporter Peter Dewin herauszufinden, was sich hinter dem Rätsel verbirgt.

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LUNATA

Die gefiederte Schlange

Die gefiederte Schlange

Kriminalroman

© 1927 by Edgar Wallace

Originaltitel The Feathered Serpent

Aus dem Englischen von Ravi Ravendro

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Die Geschichte der gefiederten Schlange

1

Reporter Peter Dewin war unzufrieden. Schuld daran war der Fall Lane – besser gesagt eine Kette von rätselhaften Ereignissen, deren Begleitumstände geradezu ans Unwahrscheinliche grenzten.

Übrigens hätte sich auch kein anderer Zeitungsreporter, der etwas auf seinen Ruf hielt, gerne mit einer solchen Sache abgegeben. Gute Kriminalgeschichten ziehen im Zeitungsmetier zwar immer, aber jeder Redakteur lehnt schaudernd ab, wenn von mysteriösen Mördern und Unterweltbanden die Rede ist, an deren Existenz doch niemand glaubt – außer den Autoren von sehr guten oder sehr schlechten Romanen.

Als man Peter Dewin zum erstenmal von der gefiederten Schlange erzählte, lachte er laut; als er zum zweiten Mal davon hörte, lächelte er nur noch höhnisch und war ganz und gar uninteressiert. Solche Märchen waren seiner Meinung nach typisch für die Welt des Theaters – denn es war ein Theater, in dem die außergewöhnliche Geschichte der gefiederten Schlange ihren Anfang nahm ...

Der Beifallssturm schlug gegen die stuckverzierte Decke des Zuschauerraumes und brandete von dort zu dem dichtbesetzten Parkett zurück.

Ella Creed tänzelte wieder aus den Kulissen hervor. Ein enganliegendes Kleid brachte ihre Figur ausgezeichnet zur Geltung; sie warf ihren Bewunderern ein reizendes Lächeln zu und verschwand dann mit einer leichten Verneigung – nur um gleich wieder hervorgerufen zu werden.

Sie schaute aufmerksam zum Kapellmeister hinüber, der soeben noch einmal die Anfangstakte des großen Erfolgsschlagers der letzten Monate dirigierte. Das Orchester setzte ein, Miss Creed lief zur Mitte der Bühne, und die Girls der Revue gruppierten sich um sie, um den ungeduldigen Wunsch des Publikums nach einer Zugabe zu erfüllen. Das Solo von Ella Creed, ein Exzentrik-Tanz, war sehenswert, und ein Sturm von Applaus und Bravorufen, der besonders von den billigen Plätzen des Hauses ausging, belohnte sie.

Der Vorhang fiel, und Miss Creed trat atemlos an das kleine Pult des Regisseurs.

»Das dritte Mädel von rechts in der ersten Reihe können Sie entlassen; sie tanzt nicht besonders und versucht außerdem unentwegt, die Aufmerksamkeit der Zuschauer von mir abzulenken. Und dann möchte ich wissen, warum Sie eine Blondine in die zweite Reihe gestellt haben? Ich habe Ihnen doch bestimmt schon zwanzigmal erklärt, daß ich nur Brünette als Hintergrund brauchen kann!«

»Entschuldigen Sie vielmals, Miss Creed« – der Regisseur hatte eine Frau und drei Kinder zu Hause und war darum sehr gefügig –, »ich werde dafür sorgen, daß dem Mädchen noch heute gekündigt wird ...«

»Unsinn, werfen Sie sie einfach hinaus. Meinetwegen können Sie ihr noch ein Monatsgehalt geben, aber dann fort mit ihr!«

Ella Creed war wirklich hübsch, besonders ihren Gang konnte man als sehr effektvoll bezeichnen. Doch als sie jetzt vor dem Pult stand, grell beleuchtet von der Lampe, wirkte sie in keiner Weise mehr so reizvoll wie vorher auf der Bühne. Wenigstens sahen ihre Lippen unter der schwungvollen grellroten Bemalung sehr dünn und hart aus.

An und für sich hätte sie jetzt warten müssen, bis die Kapelle mit ihrem letzten Musikstück zu Ende war, aber Ella Creed hatte eine Verabredung zum Abendessen – und schließlich war sie ja auch kein gewöhnlicher Revuestar, sondern die Besitzerin des Theaters, in dem sie auftrat.

Sie schritt an den Mitgliedern der Tanzgruppe vorbei, die ihr diensteifrig Platz machten. Einige wenige wagten einen Gruß, erhielten aber nur einen hochmütigen Blick ihrer Chefin.

Miss Creeds Garderobe war ein kleiner, luxuriös eingerichteter Raum; indirekte Beleuchtung und weiche Teppiche gaben ihm ein sehr intimes Aussehen. Eine Garderobiere half ihr beim Ablegen ihres Kostüms. Sie schlüpfte in einen seidenen Kimono, setzte sich in einen Sessel und ließ sich abschminken. Ihr Gesicht war gerade von einer dicken Schicht Cold Cream bedeckt, als jemand an die Tür klopfte.

»Sehen Sie nach, wer es ist!« rief Miss Creed ungeduldig. »Ich möchte jetzt niemand empfangen.«

Das Mädchen kam aus dem kleinen Vorraum zurück.

»Mr. Crewe wartet draußen«, berichtete sie leise.

Miss Creed runzelte die Stirn.

»Gut, von mir aus – lassen Sie ihn herein. Wenn Sie mich abgeschminkt haben, können Sie gehen.«

Mr. Crewe trat lächelnd ein. Er war ein großer, schlanker Mann mit harten Gesichtszügen und spärlichen, leicht ergrauten Haaren. Sein eleganter Frack ließ nichts zu wünschen übrig.

»Warte einen kleinen Moment«, bat sie. »Rauche inzwischen eine Zigarette. – Machen Sie schnell«, wandte sie sich wieder an die Garderobiere.

Mr. Crewe setzte sich nachlässig auf die Armlehne eines Sessels und sah gleichgültig zu, wie Ella sich abschminken ließ und dann ein neues Make-up auflegte. Endlich stand sie auf und verschwand hinter einem Seidenvorhang, um sich anzuziehen. Man hörte ihre scharfe Stimme, mit der sie der Garderobiere die Meinung über irgendeine kleine Nachlässigkeit sagte. In der besten Laune war sie heute Abend wirklich nicht, aber Mr. Crewe ließ sich davon nicht im mindesten beunruhigen. Tatsächlich gab es nur wenige Dinge, die die stoische Ruhe dieses erfolgreichen Börsenspekulanten stören konnten. Und trotzdem war an diesem Morgen etwas vorgefallen, das ihn aus der Fassung gebracht hatte.

Ella kam in einem tief ausgeschnittenen Abendkleid wieder zum Vorschein. Die Perlenschnur, die mit fünf Smaragden besetzte kostbare Spange und die Ringe, die sie trug, sahen aus, als hätten sie ein kleines Vermögen gekostet.

»Ich habe alles wie ausgemacht erledigt«, begann Mr. Crewe liebenswürdig, als sich das Mädchen zurückgezogen hatte. »Bist du übrigens verrückt, dich mit diesem ganzen Schmuck zu behängen ...?«

»Imitationen!« unterbrach sie ihn lässig. »Glaubst du vielleicht, daß ich mit einem Vermögen von zwanzigtausend Pfund herumlaufe, Billy? Und jetzt, was willst du von mir?«

Sie hatte die letzten Worte sehr brüsk gesagt, aber er schien gar nicht zugehört zu haben.

»Wer ist heute Abend das unschuldige Opfer?« erkundigte er sich lächelnd.

»Ein junger Gentleman aus Mittelengland – sein Vater hat ungefähr zehn Millionen. Die Leute sind so reich, daß sie nicht wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen ... Übrigens muß mein Kavalier jeden Augenblick kommen – warum bist du eigentlich hier?«

Mr. Leicester Crewe zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr ein Kärtchen; es hatte ungefähr die Größe einer kleinen Visitenkarte, ohne daß aber ein Name darauf stand. Dafür war in der Mitte eine merkwürdige Figur eingedruckt – das Bild einer gefiederten Schlange. Darunter standen die Worte:

Damit Sie es nicht vergessen.

»Was soll das sein? Ein Vexierbild? Blödsinn – eine Schlange mit Federn?«

Mr. Crewe nickte.

»Die erste Karte – sie sah genauso aus wie diese – wurde mir vor einer Woche mit der Post zugesandt; und diese hier fand ich heute morgen auf meinem Schreibtisch.«

Sie starrte ihn erstaunt an.

»Was soll das nur?« fragte sie neugierig. »Eine neuartige Werbung für irgendeinen Gebrauchsartikel?«

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