uns, wir geben uns das, wonach wir uns sehnen eben auf diesem - nun ja
- ungewöhnlichen Weg, aber wir geben es uns! Das kann doch und soll
doch so bleiben! Ja, ich mag Dich auch sehr, ja, ich träume auch
täglich davon, mit Dir Sex zu haben, Dich richtig zu spüren, mich Dir
völlig hinzugeben, aber es geht nicht, sieh das bitte ein, es ist
besser so wie es ist."
Er war enttäuscht. Und er teilte ihr das auch mit. Zweifel kamen in ihm
hoch. Sicher mag sie ihn nicht, weil er um so vieles älter war als Sie.
"Aber das spielt zwischen uns doch überhaupt keine Rolle, das weißt du"
war ihre Antwort. "Aber verstehst Du mich denn nicht? Ich kann nicht,
wenn ich hier nicht alles aufs Spiel setzen will!"
"Schade, ich hatte es mir so schön vorgestellt. Ich dachte, Du willst es
auch." schrieb er zurück.
Die täglichen Unterhaltungen wurden danach etwas weniger. Schließlich
hat man ja auch noch anders zu tun. Jeder versuchte, sowenig wie
möglich an den anderen zu denken, sich in die alltägliche Arbeit zu
vergraben. Der Austausch von Zärtlichkeiten ließ spürbar nach. "Hallo,
wie geht es Dir?" "Danke es geht." "Na gut, schönen Abend noch." "Ja,
bis morgen, Kuss." "Ja, Tschüß."
So zog sich das eine ganze Weile hin. Ihre Beziehung kochte inzwischen
nur noch auf ganz kleiner Sparflamme.
Eines Tages las sie überraschend wieder eine Geschichte von ihm im
Internet. Er hatte sie ihr nicht vorher geschickt, was er sonst immer
tat. Das gab ihr einen Stich. Die Geschichte war sogar gut, ja sie
spürte, wie in ihr wieder jene Erregung aufstieg, die sie schon bei der
ersten Story empfunden hatte, dieses Kribbeln diese Ziehen, diese
Geilheit. Sie las aber auch von der inneren Spannung die die beiden
Akteure der Geschichte beherrschte.
Plötzlich wurde sie gewahr: es war die Geschichte ihrer
Internetbeziehung! Sie erkannte ihn und sich selbst in dem was da stand
wieder. War das möglich!? Doch hier stand genau das, was sie dachte und
fühlte und das, was er ihr von sich und seinen Gefühlen zu ihr
mitgeteilt hatte. Sie las von den Hoffnungen und Enttäuschungen,
schließlich von der Resignation, die ihn seit ihrer Absage ergriffen
hatte.
Nachdem sie die Geschichte mehrmals gelesen hatte, war sie wie benommen.
So war das also mit ihm. Scheinbar hatte er nichts begriffen, ihre
Sorgen und ihre Vorbehalte überhaupt nicht ernst genommen. Nur auf die
Befriedigung seiner Geilheit war er aus. Sie ärgerte sich, dass sie in
der Geschichte eine, wie sie fand, negative Rolle bekommen hatte. Sie
schaltete den PC ab und ging erst mal einkaufen.
Unterwegs dachte sie natürlich an das Gelesene. Es ließ sie nicht mehr
los. Mit einem Mal sah sie alles anders. Ja, er hatte im Grunde genau
verstanden, was sie bewegte, warum sie zu dem Treffen "nein" gesagt
hatte. Wie konnte sie das nur übersehen, schalt sie sich.
In den nächsten Tagen las sie die Geschichte wenigstens zwanzigmal.
Immer mehr verspürte sie nun auch den Wunsch, ihn zu treffen. Doch mit
keinem Wort teilte sie ihm das in ihren spärlichen E-Mails mit. Sie
wollte keine neuen Hoffnungen in ihm wecken.
Nach einem weitern Monat ergab es sich, dass sie völlig überraschend zu
einem Lehrgang nach Hannover geschickt wurde. Sie hatte nur zwei Tage,
um sich darauf vorzubereiten. Dann fiel ihr ein, das wäre ja die
Gelegenheit!
Doch sie zögerte. Erst eine Stunde vor der Abreise schrieb sie ihm eine
Mail, in der nur der Hotelname und die Zimmernummer stand und der
Hinweis "Kursus für Finanzmitarbeiter" sowie "erwarte Dich morgen 19
Uhr. Beate." Im Zug war sie sich nicht sicher, ob es richtig gewesen
war. Vielleicht liest er die Mail ja gar nicht oder nicht rechtzeitig.
Und wenn er nicht mehr will? Vielleicht hat er inzwischen eine andere
Bekanntschaft gemacht, von der ich nichts weiß, die eher auf seine
Wünsche eingegangen ist?
Je mehr der Zug sich Hannover näherte, je unsicherer wurde sie.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und dachte: wenn er kommt, gut!
Wenn nicht, auch gut. Sie bezog das Hotelzimmer, danach fuhr sie mit
der Straßenbahn zum Tagungsort, wie man es ihr in der Firma gesagt
hatte. Der Lehrgang begann um 14 Uhr und sollte an diesem ersten Tag
bis 18 Uhr dauern.
Je näher das Ende des ersten Tagesthemas rückte, ein eher langweiliger
Vortrag, desto unruhiger wurde sie. Immerzu sah sie auf die Uhr.
Endlich war Schluss, es war bereits 18.20 Uhr, als sie das Haus verließ
und zur Straßenbahn eilte. Wird er kommen, war alles, was sie denken
konnte.
Im Hotel warf sie die Tasche auf das Bett, zog sich so schnell sie
konnte aus und sprang unter die Dusche. Das tat gut. Während sie das
warme Wasser über ihren Körper rinnen ließ, wünschte sie sich, jetzt
mit ihm gemeinsam zu duschen, sich gegenseitig einzuseifen und zu
verwöhnen. Verträumt spielten ihre Hände an ihren Brüsten und an ihrer
Spalte.
Doch sie beherrschte sich, trocknete sich ab und zog sich für den Abend
an. Sie wollte in die Empfangshalle hinunter fahren um zu sehen, ob er
käme. Es war bereits 19 Uhr durch. Vom Bahnhof bis zum Hotel, so
rechnete sie, braucht man etwa eine halbe Stunde. Und wenn er mit dem
Zug um 18:44 Uhr eintrifft, müsste er um 19:20 im Hotel sein können.
Sie wurde immer nervöser, sah alle Männer an, die das Hotel betraten,
doch ihn sah sie nirgends. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja nicht
einmal genau wusste, wie er aussieht. Sie hatte vor Monaten nur das
eine Foto als Anhang einer Mail erhalten und das war nicht mal
besonders deutlich.
Sie verspürte Hunger. Ja, essen wollte sie eigentlich mit ihm! Darauf
hatte sie sich schon gefreut, endlich Auge in Auge dem Menschen
gegenüber zu sitzen, den sie nur aus dem NET kannte. Doch wenn er nicht
kam? Sie schaute zum hundertsten Mal auf ihre Uhr. 20:20! Wo bleibt er
nur?! Nein, das war wohl nichts. Er kommt nicht. Sie stand auf und ging
zum Restaurant. Ihr Magen knurrte bereits und forderte sein Recht.
Enttäuscht sah sie sich nach einem Platz um, möglichst in einer Ecke.
Sie wollte nichts mehr sehen, ihre Erwartung war der Ernüchterung
gewichen, alle Freude war verflogen.
Sie machte sich klar, er würde nicht kommen. Wie hatte sie das auch nur
erwarten können! Wie töricht war der Gedanke, mit diesem plötzlichen
Treffen die Erfüllung all ihrer und seiner Träume realisieren zu
können. Wie ein unvernünftiger Teenager hat sie sich verhalten!
Während sie im Restaurant einen Platz suchte, was nicht allzu schwer
war, denn es war nur etwa zur Hälfte gefüllt, nahm sie sich vor, diesen
Abend trotzdem so angenehm wie möglich zu verbringen. Sie würde nach
dem Essen in die Bar im Untergeschoss gehen und erst einmal mit ein
paar Drinks ihren Ärger runterspülen. Vielleicht gibt es ja ein paar
nette Herren, die sich gern in eine Unterhaltung mit ihr einlassen. Ein
kleiner Flirt, ja warum nicht, sie hätte nichts dagegen. Schon gar
nicht seit sie sicher war, er hatte sie versetzt und sie hatte umsonst
gehofft.
Sie fand einen Platz an der Seite und bestellte sich frischen Spargel
mit Sauce a' la hollandaise, und ein paar Schinkenscheiben, dazu ein
Glas Tonic.
Auch während sie aß beobachtete sie die Eingangstür, eine leise Hoffnung
hatte sie noch immer. Doch niemand der ankommenden Gäste entsprach dem
Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte.
Eine Stunde später, gegen 22 Uhr setzte sie sich in der Bar auf einen
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