Ein Gemeinschaftsgebäude der Siedlung war in dieser Entwicklungsphase der Gesellschaften in Ostanatolien nichts Ungewöhnliches. Das teilweise in den Berg eingelassene Gebäude diente aber vermutlich auch der Aufrechterhaltung der Macht in einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft! Hier ist viel Opferblut geflossen, das noch in Krusten von den Ausgräbern an Dolchen und Opfersteinen gefunden wurde. Nach hinten schlossen sich Kammern an, in welchen die Schädel von über 70 Menschen und Skelettteile von mehr als 400 verschiedenen Individuen lagen.
Nach 9500 v.h. war die Temperatur in ein tiefes Minimum gefallen (Abb. 11) und, just als sie zur Wiedererholung angesetzt hatte, brach um 9430 v.h. der chilenische Vulkan Chaiten aus. Das bedeutete ein noch tieferes Minimum der Temperatur und es brachte wohl auch große wirtschaftliche Nöte mit sich! In Cayönü führte es zu einem Umsturz und zu einem Umbruch zu einem völlig anderen Klassensystem. Die herrschaftlichen Häuser an der Nordseite des großen Platzes brannten so schnell nieder, dass die Besitzer ihre Schätze nicht mehr retten konnten. Das Ritualgebäude wurde abgerissen, die Steinsäulen um den freien Platz niedergelegt und die größeren zerschlagen. Es muss sich ein gewaltiger Zorn der Einwohner entladen haben! Offensichtlich wurden hier die Wirren der Französischen Revolution schon vorweggenommen! Der Platz selbst – über lange Zeit hinweg gepflegt – wurde zur Müllhalde!
Nach einer kurzen chaotischen Übergangszeit entstand nur wenige Schritte von den Ruinen der Herrschaftshäuser entfernt das neue Cayönü. Die Häuser waren nun größer und es wurde in allen Häusern produziert: es scheint nun eine mehr egalitäre Gesellschaft entstanden zu sein!
Zum Umsturz in Cayönü konnte der Grabungsleiter, Mehmet Özdogan, eine Invasion fremder Völker, Krieg und Seuchen als Ursache ausschließen. Der einzige Grund dieser Veränderung kann nur ein sozialer Umbruch gewesen sein. Ganz offensichtlich waren große wirtschaftliche Nöte infolge eines starken Klimaeinbruchs in einer schon von schlechtem Wetter geprägten langen Zeit der Auslöser . Lit. 8.3
Ausbreitung der Kultur im Orient und in Nordafrika
Nach einem langen wechselvollen Rückfall der Sonnenaktivität (Abb. 6) setzte diese vor mehr als 9200 Jahren zur Wiedererholung an und sie erreichte auch schnell wieder einen Spitzenwert. Allerdings fiel sie um 9000 v.h. ebenso schnell für kurze Zeit wieder auf einen Tiefstwert ab. Die folgende lange Zeit – von 8800 bis etwa 8400 v.h. – war dann von meist überdurchschnittlichen Werten der Sonnenaktivität gekennzeichnet. Allerdings wurde die Zeitspanne von 8800 bis 8200 v.h. von einer Reihe größerer und großer Vulkanausbrüchen unterbrochen, welche immer wieder einen Rückfall von mehreren Jahren in Kühle und Unfruchtbarkeit mit sich brachten.
Die Temperatur folgte weitgehend den Vorgaben der Sonne (Abb. 11). Die Eisberge im Atlantik zogen sich schnell wieder zurück und sie blieben auch in ihrer nördlichen Position bis nach der Mitte des 9.Jahrtausends v.h. (Abb. 10). Die Menschen durchlebten so einerseits viele Jahrhunderte einer Gunstzeit, welche ihre Entwicklung begünstigte; anderseits waren sie aber auch wiederholt von Perioden von einigen Jahren mit Unfruchtbarkeit geplagt. Da es noch keine Vorratssysteme zu ihrer Überbrückung gab sahen sich die Menschen daher immer wieder zur Suche nach einem fruchtbareren Land gezwungen.
Ausbreitung und Westverlagerung von Siedlungen in Anatolien
In Südost-Anatolien hatten an den Hängen des Taurus-Gebirges eine frühe Besiedelung und ein früher Ackerbau eingesetzt. Dieser breitete sich nun während der klimatischen Gunstzeiten in benachbarte Gebiete aus; es ist aber auch eine schrittweise Verlagerung der Siedlungen von Osten nach Westen feststellbar. Hierzu haben wohl die Trockenphasen beigetragen: Westanatolien ist ja begünstigt, denn den Feuchte-bringenden Einfluss des Atlantiks verstärken dort Ägäis und Marmarameer und im Nordwesten das Schwarze Meer.
Von 9300 bis 9000 v.h. fiel die Feuchtigkeit am Vansee trotz steigender Temperaturen ab (Abb. 12) und in Ostanatolien wurde es trockener. Diese Anfangszeit ist zwar noch durch die Gründung neuer Siedlungen sowohl im Osten als auch im südlichen Zentralanatolien geprägt. Dann aber entstanden in Ostanatolien keine weiteren Siedlungen mehr, sondern nur noch im südlichen Zentrum; aber auch in West- und Nordwest-Anatolien tauchten schon erste Ackerbau-Siedlungen auf.
Abb. 12 Feuchtigkeit am Vansee (Ost-Anatolien) (nach Lemke und Sturm 1997 – Austrittsverzögerung des Niederschlags von ca. 200 Jahren berücksichtigt)
Ab 9000 v.h. bis zur Mitte des folgenden Jahrtausends stieg die Feuchtigkeit am Van-See wieder stetig an (Abb. 12). Vermutlich herrschte nun in ganz Anatolien eine günstige Feuchtigkeit – von kurzeitigen vulkanisch bedingten Einbrüchen von Temperatur und Feuchtigkeit abgesehen. Diese lange Gunstphase hat offensichtlich zu einem beträchtlichen Wachstum der Bevölkerung geführt, denn seit etwa 8500 v.h. (6 500 v.Chr.) griffen neolithische Lebensweise und Ackerbau sogar auf europäische Regionen an Ägäis und Marmarameer über. An Flussläufen mit landwirtschaftlich günstigen Böden fanden sich nun dort kleine Siedlungen. Die Bauern brachten Keramik mit, die schon einen hohen Entwicklungsstand aufwies. Über ihre Herkunft besteht kein Zweifel, denn viele zeitgenössische Funde von Zentralanatolien bis in den europäischen Donauraum weisen gemeinsame Merkmale auf. Lit. 9.1
Erste Bauern in der Region des späteren persischen Reiches Elam
Die Menschen, welche in der Tiefebene des heutigen Persischen Golfs gelebt haben und von den Fluten heimgesucht worden sind, sind – so weit sie die Fluten überlebt haben – in noch verbliebene Räume der Tiefebene zurückgedrängt worden oder auch entlang der Flüsse in angrenzende Regionen abgewandert. Nach Nordosten hin trafen sie dabei auf die heutige iranische Ölprovinz Chusistan am Fuße des Zagros-Gebirges. Dort findet sich ein wasserreiches Gebiet mit der später historisch bedeutungsvollen Tiefebene Susiana, welche von mehreren Flüssen aus dem Zagros, wie dem mächtigen Karun, durchflossen ist.
Hier, in der Susiana, bildete sich später das erste Reich im persischen Raum aus, das Reich von Elam mit einer seiner Hauptstädte, Susa. Offensichtlich war dies auch das Kerngebiet einer sehr frühen Besiedelung. In einem schon weitgehend durch Planierung zerstörten Tell, Choga Bonut, konnten Forscher aus Chikago trotzdem noch eine Besiedelung vor mehr als 9000 Jahren wie auch die Verwendung von Lehmziegeln mit Strohbindung nachweisen. Der angetroffene schon relativ hohe kulturelle Stand lässt auf einen schon längeren kulturellen Vorlauf schließen.
Die Menschen aus dem Golf sind wohl schon recht früh in die fruchtbare und wasserreiche Ebene der Susiana gelangt. Von dort aus führt ein natürlicher Weg zunächst in angehobene Regionen der Vorberge des Zagros, welche hinter dem modernen Ahwas rampenartig ansteigen. Die Gegend ist sehr wasserreich, da das Grundwasser von den höheren Ebenen jeweils in die tiefere dringt. Als Folge wechseln sich fruchtbare Ackerflächen mit Sümpfen ab. Nach der ersten Kette des Zagros-Gebirges aus Sandstein folgen nach oben lang gezogene und weite fruchtbare Täler, die bis auf die Hochfläche der Persis führen. Von den Elamern wurde hier später der sog. Königsweg angelegt, der die beiden Hauptgebiete des Reiches Elam, die Susiana im Tiefland und die Persis im Hochland quer durch den Zagros verband. Auch für die frühen Siedler muss dies ein Konigsweg für eine Expansion auf die fruchtbare Hochebene gewesen sein, in welcher die heutige Millionenstadt Shiraz, die romantische Stadt der Rosen und der Dichter, wie auch die Palaststadt Persepolis der berühmten Achaememidenkönige Kyros II. und Xerxes liegt. Hier hat man nicht weniger als 350 vorgeschichtliche Siedlungshügel gezählt, von denen aber bisher nur ganz wenige erforscht sind.
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