Halten Sie Schüler von Journalistenschulen, hier speziell von der DJS, für geeignete Autoren für dieses Buch?
Ja unbedingt. Im Idealfall sind natürlich Journalistenschüler voller Elan und Esprit und kommen hoffentlich auch mit kritischen neuen Ideen. Und lassen sich nicht durch die Schere im Kopf „Das haben wir aber immer schon so gemacht“ in eingefahrene Bahnen lenken.
Re:publica
Digitales Quartett und ein Preis fürs Internet
Am zweiten Tag im Schwerpunkt re:publica: das digitale #Quartett, diesmal aber ganz analog auf der Bühne. Dazu eine kleine Bastelstunde zu ehrlicheren Social-Media-Accounts und der Preis an das Internet von Ex-VIVA-Moderator Nilz Bokelberg und Markus Herrmann.
Autor: Martin Moser
Ganz ehrlich: So ein bisschen flunkert doch jeder bei seinen Profilen auf Facebook oder Twitter. Da wird mal für das neue Profilfoto ein fieser Pickel wegretuschiert, natürlich Unangenehmes verschwiegen und Gutes besonders gerne gepostet. Doch was wäre, wenn alle Menschen im Netz wüssten, wer man wirklich ist? Das fragt sich die Social-Media-Managerin Ninia Binias. Mit ihr konnte man ganz analog mit Schere, Papier und Stiften an ehrlicheren Social-Media-Profilen basteln – um sich bewusst zu werden, welche Rolle man persönlich in den Netzwerken spielt.
Ebenso analog gab es das digitale Quartett zu sehen. Ulrike Langer, Thomas Knüwer und Daniel Fiene senden normalerweise immer montags um 21 Uhr per Hangout auf Google und diskutieren mit Gästen über den Medienwandel. Für die re:publica gestalteten die drei eine Live-Sondersendung. Mit Schwierigkeiten bei der Technik, dafür spontan und mit einem witzigen Daniel Fiene.
Ein Hauch von Hollywood wehte durch die re:publica, als “der Internet” verliehen wurde. Richtig gelesen: DER Internet. Nilz Bokelberg verlieh zusammen mit Markus Herrmann einen selbst kuratierten Preis an wahllos herausgegriffene Leute aus dem Publikum. Etwa den Telekom-Liebhaber-Preis oder den Preis für den besten Zwischenrufer. Am Ende präsentierten sie noch ihre neue Partei: Die Guten-Tag-Partei.
Re:publica
Lobo: „Wir sind eine Hobbylobby“
Sascha Lobo über die Macht der Netzgemeinde, einen gepflegten Merkel-Pragmatismus und wie sein neues Projekt reclaim.fm das Internet verändern könnte.
Autoren: Martin Moser und Michael Risel
Du hast gestern bei deinem Vortrag gesagt, du hättest keinen Bock mehr auf Hilflosigkeit. Warum fühlst du dich hilflos?
Sascha Lobo: Ich glaube, die meisten Leute, die sich netzpolitisch interessieren, haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten wie ich hilflos gefühlt. Die vorläufige Krönung war, als das Leistungsschutzrecht im Bundestag durchgewunken wurde. Das Leistungsschutzrecht ist ein völlig unsinniges Quatschgesetz. Als es beschlossen wurde, war klar, Netzpolitik funktioniert in Deutschland null nach den Kriterien der Vernunft. Die vielen Argumente aus dem netzpolitischen Bereich sind fast alle verpufft.
Warum kann sich die Netzgemeinde bei Themen wie dem Leistungsschutzrecht nicht durchsetzen?
Die Netzgemeinde ist eine Hobbylobby. Das sind Leute, die sich den Auftrag, für das freie, offene und sichere Internet zu kämpfen, selbst gegeben haben. Dahinter stehen keine Industrie oder große Mäzene. Es sind meistens Leute, die denken, irgendjemand muss das doch tun.
Fehlt eine gemeinsame politische Stimme?
Ich glaube nicht, dass die fehlt. Es gibt sehr viele politische Stimmen in der Netzgemeinde. Was es nicht gibt, sind Überzeugungstrukturen. Die Netzgemeinde ist nicht so nah an der Macht wie andere Lobbys. Das hängt mit ihrem Hobbylobby-Status zusammen. Mit dem Erfolg der Piraten haben viele Parteien gesagt: „Oh, wir müssen uns darum kümmern.“ In jeder Partei wurden dann netzpolitische Gruppierungen gegründet. Seitdem die Piraten schwächer geworden sind, hat sich der politische Freiraum mit anderen sehr lautstarken Lobbys gefüllt, die jetzt die Internet-Politik nach ihrem Gusto bestimmen.
Haben die Piraten als politische Alternative versagt?
Ich glaube, dass die Piraten ein wichtiger Treiber sind. Netzpolitik ist dann wichtig, wenn eine Partei dasteht und sagen kann: „Wenn ihr euch nicht ums Netz kümmert, dann kriegen wir die Stimmen.“ Insofern sind die Piraten für mich eine wichtige und relevante Stimme. Ich würde mich aber freuen, wenn sie ein bisschen substantieller wieder am Parteienmarkt agieren würden. Ich bin selbst aber rot-grün.
Trotzdem hast du gegenüber Frau Merkel Kompromissbereitschaft gezeigt.
Ich habe versucht, Frau Merkels Politik so weit wie möglich zu verdammen. Der Angriff auf die Netzneutralität ist die direkte Folge von Frau Merkels Politik, das Leistungsschutzrecht wurde von Frau Merkel gewollt. Vielleicht müssen wir in diesen sehr sauren Apfel reinbeißen und überlegen: wie können wir da jemanden, der so zäh ist wie Merkel, davon überzeugen, wenigstens ein bisschen in die richtigere Richtung zu gehen?
Hast du den Eindruck, dass die Netzgemeinde bereit ist, pragmatischer zu denken?
Ich habe ja nur so getan, als müssten die Leute, die sich als Netzgemeinde sehen, diametral umdenken. Eigentlich müssen sie ihr politisches Spektrum nur ein bisschen erweitern. Die Netzgemeinde ist sehr absolut mit ihren Themen umgegangen. Ich habe das auch gemacht. Man kennt das Gefühl: Das ist der richtige Weg, wie man mit dem Internet umgeht. Man akzeptiert keine Abweichungen. Diese Position lässt sich nur schwer halten. Lasst uns versuchen, das Beste herauszuholen. Auch wenn das nicht zu hundert Prozent das ist, was wir uns eigentlich vorgestellt haben.
Worauf kommt es jetzt für dich an?
Ich glaube, es gab viel Wut und auch Enttäuschung, die wir rausgeschrien haben. Aber uns fehlte dieses ernsthafte, dieses größere Bild. Was passiert eigentlich gerade mit diesem digitalen Ding? Warum ist die Netzneutralität wichtig? Warum ist es eine Katastrophe, dass die Telekom die Netzneutralität aufkündigt? Das kann man nicht machen, indem man sagt: Naja, da gibt es so ein http-Protokoll und hier vorne und hinten und wenn man den Stecker anders herum reinsteckt, dann fängt’s an zu funken.
Sondern?
Das muss man in ganz großen Zusammenhängen erklären. Man muss dafür große Bilder finden. Man braucht dafür Pathos. Ruhig größer denken, größer sprechen. Der zweite, vielleicht noch wichtigere Teil ist Handeln: Viele kleine und große Projekte angehen, die vielleicht etwas verändern können. Projekte um das Internet herum, die vielleicht eine Wirkung haben. Eins hab ich gestern versucht vorzustellen – nämlich reclaim.fm. Das ist so ein Wordpressbaukasten im weiteren Sinn, mit dem man alles, was man im Netz tut, auf sein eigenes Blog draufholen kann. Keine Ahnung, ob das der tolle Treffer wird oder versandet. Ich hab’ versucht, das zusammen mit Felix Schwenzel in den Ring zu werfen. Jetzt schauen wir, was damit passiert.
Welche Wirkung erhoffst du dir von reclaim.fm?
Im letzten Jahr habe ich verkündet: Macht wieder mehr Blogs. Ich hab aber gemerkt, dass große Teile von Blogs von den sozialen Netzwerken aufgefressen wurden. Ich glaube an das Instrument Blog. Insofern glaube ich, dass man einen Teil von sozialen Netzwerken wieder zurück aufs Blog holen sollte. Genau dafür ist reclaim.fm gedacht. Was immer ich auf Facebook,Youtube oder Twitter mache, reclaim.fm holt das alles automatisch auch auf meinen Blog. Dort kann ich es mir anschauen – unabhängig davon, ob Marc Zuckerberg das jetzt heute gefällt und morgen nicht mehr. So gewinnt der Einzelne die Kontrolle und Souveränität über seine Inhalte.
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