„Na, gefällt es dir hier?“, fragte der eine.
„Der kann doch nicht antworten. Ihm ist die Sprache gefroren“, sagte der andere.
„Ach, richtig!“
Dann lachten und verhöhnten sie ihn: „Der arme Babahu kann nicht mehr reden, nein, wie ich das vermisse, sein Spotten und Frohlocken.“
„Ja, das ist ihm jetzt vergangen. Schau nur die Augen, die blanke Angst schaut da heraus. Das hast du nun davon, du frecher Magihexer.“
Dann packten sie ihn erneut und, plopp, stießen sie sich wieder mit ihren Schwänzen ab. Sie machten aber nur noch einen kurzen Sprung hinein in einen dunklen, von einem kleinen vergitterten Fenster kaum erhellten Raum. Er konnte nicht erkennen, was um ihn herum war. Hilflos stand er dort, wo sie ihn abgestellt hatten.
„Wir kommen wieder. Wir wollen sehen, wie du hier langsam verdampfst!“, riefen sie noch, dann schlugen sie mit ihren Schwänzen auf und weg waren sie.
Babahu war allein. Bittere Tränen rannen ihm aus den Augen, die er gerade noch bewegen konnte. Wie sollte er jemals wieder einen Wolkenkörper bekommen, wenn niemand ihn finden würde. Rufen konnte er die andern nicht mehr, weil er seine Gedankenkraft verloren hatte. Nein, er wusste, er musste hier langsam verdampfen. Ob die andern traurig wären? Würden sie begreifen, was mit ihm geschehen war, wenn er nie mehr nach Magihexanien zurückkehrte? Vielleicht waren sie aber auch froh darüber, weil sie sich oft genug von all seinen Späßen genervt fühlten. Nie mehr könnte er die Elflinge jagen und die Koboldiner ärgern. Da begann er, den Herrn des Lebens flehendlich um Hilfe zu bitten. Er wollte das alles wirklich nie mehr tun, wenn er ihn nur aus dieser schrecklichen Lage erlöste. Doch konnte der Herr des Lebens ihn ohne seine Gedankenkraft überhaupt hören? Noch mehr Tränen der Verzweiflung rannen aus seinen Augen, fielen zu Boden und wurden zu Eisperlen.
*
Inzwischen waren die anderen Magihexer nichts ahnend auf dem Heimweg nach Magihexanien. Vorbei flogen sie an Mond und Sonne durchs Universum zum Schwarzen Loch. Was fühlten sie sich gut. Sie hatten die Eisluchse besiegt! Sogar Ermano vergaß vor Freude darüber die Schmerzen seiner bösen Verletzungen. Dabei waren sie fast ratlos gewesen und doch hatten sie am Ende alles zum Guten wenden können. Sie konnten es nicht erwarten, den andern davon zu erzählen, besonders Malipu. Diesmal musste er anerkennen, wie klug sie gehandelt hatten.
„Wer von uns hatte eigentlich die gewagte Idee, Dennis ins Eis einbrechen zu lassen?“, fragte Satano.
„Das war Babahu“, antwortete Ermano.
„Na, da ist dir ja mal etwas Gescheites eingefallen“, wollte sich Satano lobend an Babahu wenden. Suchend sah er sich um. Der aber war nicht bei ihnen. „Wo ist er?“
„Er ist noch dageblieben, will wohl warten bis der letzte Eisluchs verschwunden ist und dann nachkommen“, erklärte Jojotu.
„Hoffentlich macht er keinen Blödsinn!“, meinte Ermano.
„Ja, hoffentlich!“, stimmte Satano zu und schüttelte seinen Kopf.“
„Er hat uns sicher bald eingeholt. Bestimmt will er es sich nicht entgehen lassen, mit uns den andern davon zu berichten“, glaubte Asgeida.
„Dieser Verrückte! Vielleicht will er dem letzten Eisluchs noch eins auswischen. Für Überraschungen ist er ja immer gut. Wenn er das schafft, soll es mir recht sein“, lachte Ermano.
„Vielleicht will er aber auch noch zu Oma Berta oder woandershin. Das weiß man bei ihm nie“, überlegte Satano noch.
Nein, allzu große Sorgen machten sie sich nicht um Babahu, den Schabernack. Sie waren von ihm gewöhnt, dass er oft eigene Wege einschlug.
*
Während all der Magitage, die Jojotu auf der Erde verbringen musste, saß Broncho oft auf einem Felsen und schaute hinunter ins Tal des Lebensflusses. Er wartete auf Mama Jo. Auch Babahu fehlte ihm. Mit ihm hatte es viel mehr Spaß gemacht, das Fliegen zu üben, als mit Zufido. Stolz war er gewesen, als Mama Jo ihn das erste Mal zur Quelle mitgenommen hatte, aber jetzt mit dem ewig ruhigen Zufido, das war langweilig. Und wer hatte sonst noch Zeit für ihn? Imada kam manchmal heran und fragte, ob er etwas für ihn tun könne.
„Ja, ruf Mama Jo von der Erde zurück“, antwortete Broncho dann.
Ratlos zuckte Imada die Schultern, das konnte er nicht. „Vielleicht würde es dir Spaß machen, bunte Steine zu suchen, doch dazu bist du wohl noch zu klein“, meinte er bedauernd.
„Solche Steine, wie Mama Jo in seiner Höhle hat?“
„Ja, genau solche.“
„Und er würde sich darüber freuen?“
„Bestimmt!“
„Wo kann man die finden?“ Neugierig sah sich Broncho um.
„Überall oben an den Bergen“, antwortete Imada und wies ringsherum auf die bunten Gipfel.
Enttäuscht folgte Broncho seinem Blick. „Die sind ja so hoch oben.“
„Einmal wirst auch du zu jedem fliegen können, sogar zum Zauberberg, aus dem du gekommen bist“, vertröstete ihn Imada.
„Ich bin aus einem Zauberberg gekommen?“, staunte Broncho und fragte sofort: „Weißt du, wo der ist?“
„Ja, ich war dabei, als wir dich in deinem Ei zusammen mit deinem Muttergeist dort aus der Tiefe des Schachtes geholt haben.“ Stolz reckte sich Imada auf.
„Könntest du mich hinführen?“ Bronchos Augen glänzten unternehmungslustig.
„Sicher!“
„Dann komm! Den will ich sehen.“ Schon sprang er von dem Felsen herunter und begann auf seinen Krallenfüßen loszulaufen, dabei immer die Flügel schwingend.
„Halt! Halt!“ Aufgeregt folgte ihm Imada.
Doch Malipu versperrte ihnen bereits den Weg. „Wo wollt ihr hin?“
„Zum Zauberberg“, antwortete Broncho hastig und versuchte, an ihm vorbeizulaufen.
Vergebens, Malipu hielt ihn fest. „Zum Zauberberg? Der ist viel zu weit entfernt von hier. Was hast du ihm erzählt, Imada?“
„Nur, dass er von dort her ist.“ Imada wand sich verlegen.
„So ein Unfug. Hast du ihm nicht gesagt, dass er so weit nicht laufen kann?“
„So genau nicht. Ich meinte nur, zu allen Bergen könne er einmal fliegen“, verteidigte sich Imada.
„Ach so! Ja, dann nicht so ungeduldig, kleiner Broncho. Deine Flügel werden dich einmal weit tragen; deine Beine können es nicht“, erklärte Malipu ihm nachsichtig lächelnd.
„Aber ein bisschen kann ich schon fliegen“, behauptete Broncho eifrig und schlug sogleich heftig mit seinen kleinen Schwingen, so dass Malipu und Imada zurückwichen.
„Ist ja gut! Ich weiß es. Nur wenn du größer bist, wird es noch besser gehen.“ Damit wollte Malipu weiterschweben, doch er zögerte, als sich Larifax unten vom Lebensfluss her näherte.
Aufgeregt rief er: „Kommt alle zum Erzählplatz. Die andern kehren von der Erde zurück. Ruft Magifa! Sie werden ihn brauchen, so, wie sie aussehen. Sie müssen heftig mit den Eisluchsen gekämpft haben.“
„Mama Jo kommt zurück! Mama Jo!“ Sofort hatte Broncho den Zauberberg vergessen, machte einen Satz und begann mit den Flügeln schlagend den Berg hinunterzulaufen.
Um ihn herum und an ihm vorbei schwebten die anderen Magihexer, auch Malipu. Nur Imada rief erst eifrig: „Ich hole Magifa!“, glitt los zu dessen Höhle und prallte fast mit ihm zusammen, als der gerade herauskam.
Vor Schreck fiel Magifa, dem Magier, sein Zauberstab aus seinem Wolkenleib. „Ich bin nicht taub!“, fuhr er Imada an, nachdem er gerade noch ausweichen konnte.
Schuldbewusst bückte sich Imada und wollte den Zauberstab aufheben.
„Lass das! Nicht anfassen!“, wehrte Magifa entsetzt ab.
Doch Imada zog seine Hand bereits schnell zurück. Ihm war, als würde er sich die Hand verbrennen, sobald er damit in die Nähe des Zauberstabes gekommen war. Der glitt von allein zur Seite und schien zu glühen.
„Das fehlte mir noch, dass du Tollpatsch mir die Zauberkraft meines Stabes verdirbst“, schimpfte Magifa. Er streckte seine Hand über den Stab. Sofort hörte der auf zu glühen und sprang von allein hoch in seine Hand. Magifa schob ihn zurück in seinen Wolkenleib und machte sich auf den Weg zum Erzählplatz am Lebensfluss.
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