Aber dann erschien es mir als ein Irrtum.
Als dann das gute Dutzends Reiter hinter einer nahegelegenen Hügelkette auftauchte, wußte ich, daß ich mich nicht getäuscht hatte.
Die Männer wirkten aus der Entfernung wie graue Schatten, aber sie kamemn rasch näher.
"Wir bekommen Besuch", meinte ich lakonisch und trank meinen Kaffee aus.
Chip hatte es unterdessen auch bemerkt. Er griff sofort zu seiner Winchester und lud sie mit einer energischen Bewegung durch.
"Was soll das!" zischte ich ihm zu. Aber Chip schien wie von Sinnen vor Angst.
Und dann begriff ich.
Für ihn waren das keine Fremden, die da herangeprescht kamen. Er mußte wissen, um wen es sich bei dem Trupp handelte.
In diesem Augenblick hätte ich zu gerne gewußt, weshalb er so eine Höllenangst vor diesen Männern hatte.
Ich erhob mich und dann waren die Kerle auch schon heran. Einige hatten ihre Gewehre aus den Sätteln gezogen. Nein, es konnte keinen Zweifel geben: Sie waren nicht gekommen, um sich mit uns zu einem Plausch ans Lagerfeuer zu setzen!
Die Hände gingen zu den Revolvern.
"Sieh an, Chip Barrows!" rief einer der Kerle, dem Augenschein nach ihr Anführer. "Diesmal mit einem Komplizen, was?" Er lachte rauh.
Es handelte sich um einen äußerst hageren Mann mit hervorspringenden Wangenknochen und wettergegerbter Haut. Er war schon etwas älter, das Haar, das unter dem breitkrempigen Hut hervorschaute war bereits ergraut.
Aber in seinen Zügen lag etwas Kompromißloses, Hartes, das es mir ratsam erschien, ihn nicht unnötig zu provozieren.
"Scheint, als wären Sie mit diesen Leuten gut bekannt, Chip!" raunte ich ich zu ihm hinüber.
Ich hatte nicht die geringste Lust dazu, mich in irgendwelche Händel hineinziehen zu lassen, die mich nichts angingen.
Aber manchmal wird einem keine Wahl gelassen. Chip war noch unschlüssig darüber, was er tun sollte. Er hielt das Gewehr schußbereit in der Hand, aber noch war keine Kugel auf den Weg geschickt worden - von keiner Seite. Der Anführer der Meute verzog den Mund.
"Endlich haben wir dich, Chip, du Ratte!" Einer der Männer sprang aus dem Sattel und lief zu den Pferden.
"Hey, Todd! Unsere Markierungen!"
Todd, der Anfüher ließ ein müdes Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen.
"Hast du etwas anderes erwartet?"
Jetzt war alles klar. Chip Barrows war ein Pferdedieb und das machte die Sache nicht gerade leichter.
Ich überlegte.
Ein Dutzend Rohre gegen eines. Oder zwei, je nachdem. Beides war glatter Selbstmord.
"Die Waffe weg, Barrows!" rief der hagere Todd. "Sonst nutzen wir die günstige Geleghenheit, Sie in Notwehr zu erschießen!"
Chip Barrows schien verzweifelt. Er wandte sich kurz hilfesuchend an mich, aber ich hatte wenig Neigung für einen verdammten Pferdedieb meinen Hals zu riskieren. Wer anderen Leuten die Gäule stiehlt, muß wissen, welches Risiko er eingeht.
"Legen Sie das Gewehr weg, Chip es hat keinen Sinn", meinte ich.
"Dein Komplize scheint mehr Grips im Gehirn zu haben!" meinte Todd.
"Ich bin nicht sein Komplize", erklärte ich. "Wir haben uns vor kaum einer Stunde zum erstenmal gesehen." Todd spuckte verächtlich aus.
"Das ist eine selten dumme Ausrede!" meinte er. "Es reicht nicht, daß ihr beide die Frechheit hattet, Mr.McCranes Pferde zu stehlen... Jetzt entpuppt sich unser Freund hier auch noch als ausgemachter Feigling!"
Todds Gedankengang war absolut logisch, auch wenn er nicht der Wahrheit entsprach. Vielleicht hätte ich an seiner Stelle den selben Schluß gezogen.
Warum auch nicht?
Es paßte ja alles zusammen.
Es würde nicht einfach sein, Todd von meiner Version der Dinge zu überzeugen. Vielleicht sogar unmöglich. Aber ich versuchte es trotzdem, denn ich wußte, was im Allgemeinen mit Pferdedieben geschah.
Oft genug wurden sie einfach an Ort und Stelle aufgeknüpft.
"Ich bin kein Pferdedieb!" rief ich, aber Todd winkte ab.
"Hören Sie auf, Sie langweilen mich mit ihrem Geschwätz!" Er gab seinen Leuten ein Zeichen und wenige Augenblicke später waren Chip Barrows und ich gefesselt und vollständig entwaffnet.
Einen kurzen Augenblick lang hatte ich erwogen, mich zu wehren. Ich bin ein schneller, sicherer Revolverschütze. Aber ich konnte leider unmöglich ein Dutzend Kugeln auf einmal und in verschiedene Richtungen abfeuern und so wehrte ich mich nicht.
Anders dagegen Chip.
Er strampelte heftig mit den Beinen und schlug wild um sich, als die Männer ihn packten. Aber das half ihm nichts. Er bekam einen Haken, der ihn fürs Erste ins Land der Träume versetzte. Sie ließen ihn der Länge nach auf die dünne Schneedecke fallen.
Am Ende saßen wir aneinandergeschnürt drei Schritt vom Lagerfeuer entfernt. Chip hing wie ein nasser Sack in seinen Fesseln. Er war noch nicht wieder beieinander.
Einer der Kerle hatte neues Holz hineingelegt.
"Hey, Vormann!" wandte sich ein anderer dann an Todd, der etwas abseits stand und den dunkelgrauen Himmel mit gerunzelter Stirn betrachtete.
"Was gibt's, Billy?"
"Warum machen wir soviel Umstände mit den Beiden? Die paar Bäume hier sind zwar ziemlich morsch, aber für die beiden Halunken wird es vielleicht noch reichen..."
"Du warst doch dabei, als Mr.McCrane seine Anordnungen gegeben hat, oder?"
"Ja..."
"Der Boss will selbst entscheiden, was mit Chip Barrows passiert..."
"... und mit seinem Komplizen, Todd!" Der Vormann nickte.
"Ja, mit dem auch."
Billy machte eine verzweifelte Geste.
"Steht das nicht längst fest?" Der Cowboy fuhr sich mit der Handkante den Hals entlang und grinste. Eine eindeutige Geste, die mich schlucken ließ.
"Ich halte mich an die Anordnungen vom Boss!" meinte Todd unmißverständlich. "Mr. McCrane hat sich klar ausgedrückt und da er mich bezahlt, tue ich, was er sagt." Billy schien nicht zufrieden damit.
Aber für mich und Chip bedeutete dies eine Gnadenfrist. Und das war immerhin etwas.
Todd deutete zum Himmel.
"Da zieht ein übles Wetter auf...", meinte er. "Heute nacht kampieren wir hier. Das ist ein guter Lagerplatz!"
*
Ich hörte den Gesprächen der Männer zu und erfuhr auf diese Weise, daß der Trupp schon den dritten Tag hinter Chip Barrows herhetzte.
Er schien ein guter alter Bekannter von ihnen zu sein, den sie aber bisher nie hatten schnappen können. Diesmal hatte er offensichtlich den Bogen überspannt.
Unterdessen war es dunkel geworden.
Langsam kam der Pferdedieb wieder zu sich.
"Sie haben mich in eine schlimme Lage gebracht, Chip!" zischte ich ihm ärgerlich zu.
"Tut mir leid", meinte er.
"Das nützt mir kaum etwas!" versetzte ich. "Die denken, daß
ich Ihr Komplize bin und wahrscheinlich gibt es nichts, was sie von dieser Meinung abbringen könnte!"
Es war sinnlos, zu lamentieren.
Es änderte nichts.
Irgendwie mußte es mir gelingen, hier 'rauszukommen. Immerhin blieb mir etwas Zeit, bis wir McCrane, dem Boss dieser Männer vorgeführt würden.
Ich beobachtete aufmerksam die Männer am Lagerfeuer, die sich die Hüte ins Gesicht gezogen hatten. Ich mußte auf meine Chance warten, ruhig abwarten, bis der richtige Augenblick gekommen war, um einen Fluchtversuch zu unternehmen. Jetzt hieß es, kühlen Kopf bewahren.
"Die werden unseiskalt aufhängen, nachdem sie uns ihrem Boss vorgeführt haben!" murmelte Chip.
Verzweifelung sprach jetzt aus seiner Stimme. "Ich kenne diesen McCrane. Das ist ein harter, kompromißloser Mann!" fuhr er fort. "Was er sagt, ist Gesetz in dieser Gegend!" Ich verzog das Gesicht.
"Scheint, als hätten Sie sich den Falschen für einen Händel ausgesucht!" zischte ich ärgerlich. Das Gezeter dieses Mannes ging mir ziemlich auf die Nerven. Er hatte sich seine Lage nicht nur in vollem Umfang selbst zuzuschreiben, sondern auch mich in diese lebensgefährliche Sache hineingezogen. Todd, der Vormann, wandte sich in diesem Augenblick zu uns um und warf uns einen unfreundlichen Blick zu.
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