Peter Franger
Sonne im Blut
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Inhaltsverzeichnis
Titel Peter Franger Sonne im Blut Dieses ebook wurde erstellt bei
Danksagung und Einführung
Aller Tage Morgen
Feriengeschichte
Kalle von der Mannesmann
Winterzeit
Das limbische System
Alles ist Nichts und Nichts ist Alles
Ruf des Lichts
Leise rieselt der Schnee
Die Aliens sind Wir
Impressum neobooks
Danksagung und Einführung
Besondere Danksagung
für meinen Zustand geistiger Verwirrung an
Albert Hofmann
Hermann Hesse
Helmut Kohl
SINGARAJA anno 2008
Momentan ist es sehr ruhig hier. Sogar die Hunde sind kaum zu hören. Und die sind hier in unserer Straße reichlich vertreten. Kunstlicht und irgendwelche wie auch immer geartete akustische Äußerungen sind strikt untersagt. Für 24 Stunden ist das Verlassen des Hauses zu unterlassen. Und das, obwohl Kinder hier ähnlich oft anzutreffen sind wie die besagten Hunde. Resümierend bitten wir also gottesfürchtig um leise Orgasmen bei 35 Grad im Schatten und 95% Luftfeuchte. Es ist der 11. März 2005 in Singaraja, Bali, Indonesien und wir, die Hindus und ich, begehen das Neue Jahr. Lassen sie mich erklären, wie es so weit mit mir kommen konnte. Folgen sie mir auf eine Reise, die durch geistige Verwirrung geprägt und mit viel ´ Sex and Drugs and Rock`n Roll` garniert ist. Das meiste ist wahr, manches erträumt und im Zweifelsfall bestätigt ihnen mein Anwalt, dass alles frei erfunden ist. An alle, die sich im Folgenden wieder zu erkennen glauben sei gesagt: Ja, ihr seid es. Ja, die Namen sind frei erfunden, die Personen nicht. Bevorzugte synthetische oder natürliche Substanzen, sexuelle Neigungen und der individuelle Musik-geschmack lassen gewisse Rückschlüsse zu, was nicht zu vermeiden ist. Eine mögliche Spezifikation: Led Zeppelin, schnelles Pulver und unverschämter Austausch sämtlicher Intimitäten. Eine Andere: Joan Baez, Mineralwasser und das besagte volle Programm. Details später. In aller Ausführlichkeit. Schließlich sind wir hier nicht im Kindergarten und Spaß muss sein. Im mitteleuropäischen Zeitalter heutiger Tage ist ein Besuch im Swingerclub durchaus gesellschaftsfähig. Aber die detaillierte Beschreibung saftiger Details im Kreise unserer lieben Verwandten und Freunde, oder aber auf dem Jahres-Betriebsausflug der Sparkassen-Filiale Hintertupfingen erntet selten größeren Beifall. Allenfalls führt das zu einer steilen Karriere im Milieu gesinnungsähnlicher Genossen, die ihre Geschlechtsteile in zweifelhafter Umgebung gegen Bares darbieten. Oder es endet in Singaraja - Buleleng. Falls ihnen das alles dann doch zu heftig wird, schalten sie den Fernseher doch einfach aus oder wählen sie ein anderes Kapitel. Bevorzugen sie aber, sensationsgeil am Ball zu bleiben und sich so richtig zu ereifern, dann tun sie das. Besonders erquickend ist das Belauschen folgender oder ähnlicher Diskussionsbeiträge: "Hast du gestern die Schweinerei da in diesem Dschungelcamp gesehen, weißt schon, bei RTL?" "Du meinst da wo sie die Würmer gegessen haben?" "Mann, so ein Bockmist gehört doch wirklich verboten. Armes Deutschland." "Und die Alte da, die früher Pornos gemacht hat, ist nur am Flennen wegen der Schwerkraft und so. Da gibt es halt keine Schmink- und Wischpause, ha-ha." "So, so, Pornos. Wusste ich nicht, bin ja verheiratet und viel unterwegs, du weißt schon, ha-ha." "War wirklich froh, als der Mist endlich fertig war. Was Mann sich so alles antun muss bis der Deckel zugeht." "Also dann bis Morgen. Muss fit sein. Betriebsausflug und so, du weißt schon." Wählen sie nun im folgendem ihr bevorzugtes Kapitel:
Meine Ankunft war durchaus erfreulich und so wurde ich auch begrüßt: mit einem anständigen Klaps auf den Hintern. Zum Glück prägte das nicht mein späteres Geschlechtsleben. Darüber hinaus gab es jede Menge sinniger Kommentare. Kleines Beispiel gefällig? "Ach was ein Süßer und so schrumpelig." Oder ganz besonders originell. "Dubidubidubi, jaja dubibubi, ...usw." Das prägte mich dann schon eher und legte gleich mal den Grundstock für meine eigene Rhetorik. Wovon Sie sich ja gerade überzeugen. Mit mir waren noch etliche andere Neue angekommen, die sich ähnliche Feinheiten anhören durften. Alles in allem ein gelungener Tag. Es war früher Morgen, die ersten Sonnenstrahlen wärmten unser Gemüt und Vogelgezwitscher sorgte für die musikalische Untermalung. So sollte es allerdings nicht bleiben. Spätestens mit Beginn der Geschlechtsreife wurde den meisten von uns die ganze Tragweite so einer Ankunft bewusst. Wo soll es denn hingehen, und wie? Wie organisiert man denn so ein Leben? Was ist der Sinn des Ganzen und was unternehme ich gegen dieses wohlige Kribbeln zwischen den Beinen? Besonders die Antwort auf die letzte Frage war von primärer Bedeutung! Unsere Spielwiese war ein Ghetto. Gebaut um den Arbeitern und Angestellten des beheimateten Chemieriesen ein angemessenes Zuhause zu bieten. Errichtet auf einem Sumpf - und Moorgelände in unmittelbarer Nähe zu der besagten Firma, direkt am Rhein. Nachdem sie Vater Rhein schon seit Jahrzehnten mit der Einleitung verschiedener Errungenschaften der modernen Chemie, selbstredend alle natürlich völlig harmlos, beglückt hatte, wurde jetzt also auch diese angrenzende Rheinaue zubetoniert. Zum Wohle der Allgemeinheit und zum besonderen Wohle der dortigen Fauna und Flora. Als Kinder waren viele von uns dort oft zum Spielen und angeln, um Tiere zu beobachten und um anderen unproduktiven Beschäftigungen nachzugehen. Dieser Müßiggang hatte ja jetzt ein Ende. Nachdem man in der Vergangenheit zehntausende von Arbeitern und Anwohnern bei verschiedenen Betriebsunfällen verloren hatte, wollte man wenigstens den Gefahren des Anfahrweges Abhilfe schaffen. Das war man als stolzer Enkel der früher so beliebten IG Farben der Bevölkerung einfach schuldig. Zusammen mit den hiesigen sozialen Baugesellschaften der Stadt schritt man zur Tat. 1970 zogen wir als eine der ersten Familien dort zu. Ich war zehn Jahre alt. Unsere schmucke dreieinhalb Zimmerwohnung befand sich im vierten Stock eines achtgeschossigen Hochhauses, wie sich im Laufe der Zeit herausstellen sollte, in einem der besseren Bezirke der Gegend. Ganze zwei Gebäude waren bereits bezugsfertig. Alles andere befand sich noch im Bau. Von unserem Balkon aus hatte man eine fantastische Sicht auf diese gigantische Baustelle. Eingebettet zwischen Hochhausriesen im Rohbau, entstanden langgestreckte Betonblöcke, meist vierstöckig. Nur der erste, vordere Straßenring war schon leidlich fertiggestellt. Zumindest schon mal asphaltiert. Alle anderen Zufahrtswege glichen mehr Dschungelpisten. Von Morgen bis Abend dröhnten die Baumaschinen und riesige Lastwagen. Tieflader durchpflügten den Schlamm auf ihrem Weg zu den Großbaustellen. Tausende Arbeiter huschten wie ein geschäftiges Ameisenvolk umher, hingen angeseilt in den Stahlgerüsten, schleppten Baumaterial, aßen, tranken und pissten. Und über der gesamten Szenerie ein ständiges Dröhnen, Hämmern und Rufen. Für einen Jungen meines Alters ein wahres Paradies. Ein einziger großer Abenteuerspielplatz. Am Abend und am Wochenende lag eine gespenstische Ruhe über der Gegend. Die Gewerkschaften waren stark und das Familienleben zählte noch etwas. Jeden Tag nach Bauschluss zog mein Vater los, um die schon halb fertigen Gebäude zu verschließen.
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