So sollte Diebstahl und Vandalentum vorgebeugt werden. Soweit jedenfalls die Theorie. Manchmal begleitete ich ihn auf seinem Rundgang. So bekam ich schon sehr früh einen genaueren Plan des Ganzen. Von möglichen Verstecken, in denen man sich lagermäßig einrichten konnte und von der Position ungeheurer Mengen hochinteressanten Baumaterials. Da gab es riesige Sandberge, auf die man aus einem noch offenen Etagenblock hinunterspringen konnte, jede Menge Eisen, Stahl in allen Variationen und große Baukisten voll mit allerlei Spielzeug wie Bohrmaschinen und Sprengpatronen. Wow! Das konnte ja noch heiter werden. Und genau das wurde es dann auch. Unter anderem. Morgens vor Baubeginn machte mein Vater die Runde noch einmal und schloss die ganzen Tempel wieder auf. In diesen frühen Morgenstunden gab es ein ganz besonderes Phänomen zu beobachten. Kinder und Jugendliche die in den großen Abfallcontainern nach Essensresten und anderen noch verwertbaren Dingen der Konsum - und Wegwerfgesellschaft suchten. Die am Ghettobau beteiligten sozialen Baugesellschaften hatten damit begonnen, ärmste Familien aus allgemein bekannten und gefürchteten gesellschaftlichen Brennpunkten der Stadt umzusiedeln. Ganz zur Freude der restlichen Bewohner und der baubeteiligten Industrie. Im krassen Gegensatz zur besagten morgendlichen Nahrungsbeschaffung sah man den geschniegelten Teil der Bevölkerung zur Arbeit hasten. Hoch motiviert und gut gefüttert wurden sie im Fünfminutentakt mit Bussen der städtischen Verkehrsbetriebe in die Produktionsanlagen gekarrt. Das war das Bild das sich uns allmorgendlich darbot. Ein sich abzeichnender gesellschaftlicher Brennpunkt mit einem rasanten sozialen Gefälle. Während wir also unsere neuen Dreigangfahrräder bestiegen um in die Schule zu fahren, versuchten die anderen Kids zu überleben, indem sie sich um meine Hähnchenknochen vom Vorabend stritten. Auf der einen Seite Angst und Unsicherheit der Behüteten, auf der anderen Seite Neid, Frustration und Wut. Dass die einen an die Fleischtöpfe der anderen wollten war klar. Vielleicht sogar an unsere dralle Frauen? Mein. Gott!!!Wir radelten also morgens in die Gymnasien und Realschule des angrenzenden Frankenthal. Die anderen gingen in die Haupt - und Sonderschule der Vororte unserer Stadt. War Mistwetter angesagt, benutzten wir die Schulbusse. Ich versuchte, in der Realschule ein Mitglied der gehobenen Mittelklasse zu werden. Meine Schwester ging ins Gymnasium. Davon gab es in Frankenthal zwei. Ein gemischtes und eins nur für Mädchen - ein Backfischaquarium! Durchaus interessant. Allerdings war beim Angeln eine gewisse gehobene Vorgehensweise zu beachten. Da legten die Mädchen aus den besten Wohngegenden gesteigerten Wert darauf. Wie sich später herausstellen sollte, verhielten sie sich nach dem Anbiss allerdings alles andere als wohlerzogen. Da zierten sich die Mädchen aus den unteren Schichten doch noch um einiges mehr. In meiner Klasse waren ein paar ganz Hübsche dabei. Überhaupt kam ich mit den Mädchen der Mittelklasse am besten zurecht. Gleiches gesellt sich gerne. Das deutete schon auf die ganze Mittelmäßigkeit meiner Talente hin. Aber da war ja noch meine Schwester. Und ihre Schulfreundinnen. Ganz besonders oft sah man sie in Begleitung mit Rita. Rita war ein blondes, leicht affektiertes Wesen aus gutem Elternhaus. Freundlich nervös und nervig. Mit Einsetzen ihrer Pubertät waren ihre äußeren, sich entwickelnden Reize durchaus geeignet ihre fehlende innere Ruhe zu kompensieren. Zumindest für den interessierten männlichen Betrachter. Nachdem mir zunehmend ihr sich üppig entwickelnder Busen bewusst wurde, begann sich eine Lösung für das zunehmend drängende Gefühl in mir abzuzeichnen. Diese vorpubertären Spielchen mit Gleichgesinnten beiden Geschlechtern sollten der Vergangenheit angehören. Zeigst du mir Deins, dann zeig ich dir Meins nahm eine neue Dimension an. Besonders mit meinem selbst herbeigeführten ersten Samenerguss. Das konnte auf Dauer auch nicht die einzige Lösung sein. Abhilfe musste her. In der Nachbetrachtung musste Rita wohl ganz ähnliche Gedankenspiele und Selbstexperimente durchgeführt haben. Ich beschloss sie demnächst darauf anzusprechen. Vielleicht erzählte sie mir ja, was man mit Mamas elektrischer Zahnbürste noch so alles anstellen kann. Sie wohnte ganz in der Nachbarschaft. Von unserem Balkon aus konnte man direkt auf den lang gestreckten Häuserblock blicken, in dem sie wohnte. Diese Blöcke waren den leitenden Angestellten des Chemieriesen Vorbehalten. Ihr Vater war so einer. Ein netter, ruhiger Zeitgenosse. Ihre Mutter dagegen war alles andere als ruhig, aber ebenfalls recht freundlich. Standesdünkel war beiden relativ fremd. Und da meine Familie der gehobenen Mittelschicht angehörte, war ihnen die Freundschaft mit meiner Schwester sowieso willkommen. Und so kam es, dass Rita bei uns fast täglich ein und ausging. Meine Eltern hatten Vertrauen zu ihren Kindern. Was im Großen und Ganzen auch gerechtfertigt war. Wir waren öfters allein zuhause, während sie Verwandte besuchten oder sich anderweitig vergnügten. Und da gab es feste Termine, an denen nicht mit ihnen zu rechnen war. Besonders der Samstagnachmittag war interessant. An so einem Mittag begann mein erster wirklicher realer Einblick in das weibliche Geschlecht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Feuchte Finger vom Knutschen und Fummeln im Halbdunklen waren mir durchaus schon bekannt. Auch verschiedene Darstellungen in einschlägigen Magazinen. Aber was jetzt folgen sollte, läutete eine völlig andere Dimension ein. Ein Quantensprung meiner Evolution. An so einem Mittag lümmelte ich in unserer Wohnung rum. Fußball spielen oder aber sein Unwesen allein oder mit Freunden in den Baustellen treiben konnte man ja jederzeit. Ein sturmfreies Zuhause hatte man dagegen nicht so oft. Manchmal entscheidet das Schicksal. In diesem Fall glaube ich allerdings war es kein Zufall. Wobei noch zu klären wäre, inwieweit Schicksal und Zufall korrelieren oder einen gemeinsamen Nenner haben. Wie auch immer. Jedenfalls hörte ich vertraute Geräusche. Ein Gemisch aus Brummen und Summen und hydraulisches Begleitrauschen. Der Fahrstuhl hielt in unserem Stockwerk. Dann das mechanische Schaben und Klicken des Schlüssels in seinem Loch. Die Wohnungstür wurde geöffnet und schon hörte ich das aufgekratzte Geschnatter und Gekicher meiner Schwester und ihrer Freundin. Sie stürmten sogleich ins Wohnzimmer. So ein typisches Wohnzimmer der frühen siebziger Jahre. Großes samtbezogenes Sofa, die passenden Sessel, ein runder Marmortisch mit verchromten Beinen. Die übliche Schrankwand, schöne weiche Teppiche aus Tunesien, Fernseher, Stereoanlage und ein paar Bilder an der Wand. Eine große Fensterfront öffnete den Blick auf die umliegenden Hochhäuser und verlieh dem Raum Großzügigkeit und helles Tageslicht. Sicher lief auch irgendeine Schallplatte. T. Rex, Slade, Sweet, Suzi Quattro, David Cassidy und andere Teenieschwärme waren zu dieser Zeit hauptsächlich angesagt. Die entsprechenden Poster säumten die Wände unserer Jugendzimmer. Wie auch immer. Im Moment saß ich mit den Beiden in unserem Wohnzimmer und lauschte gespannt, was sie mir da gerade berichteten. Nach dem üblichen Wortgeplänkel steuerte zu meiner Freude das Gespräch in eine eindeutige Richtung. "Wir kommen gerade von der Rubens drüben. Ihre Eltern waren nicht zu Hause." "Von der Karin aus den Bungalows?" "Ja, ja, die aus unserer Parallelklasse. Mit der haben wir Mau Mau gespielt." "Und, wer hat gewonnen?" "Na ja. Die hatte als erstes nichts mehr an. Wir haben sie dann Turnübungen machen lassen. So in die Brücke gehen und Handstand an die Wand." "Und, die war ganz nackt?" "Ja!" "Und wie ging es weiter?" "Och, ihre Eltern sind gekommen. Da haben wir uns schnell wieder angezogen und sind hier rübergekommen." Ja, also gut. Da war sie nun. Die Gelegenheit. Vor meinem inneren Auge lief der ganze Film noch einmal ab. Das eben gehörte wurde umcodiert und visionär verarbeitet.
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