Dominique Belleda
Der Grossvater und seine Enkelin
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dominique Belleda Der Grossvater und seine Enkelin Dieses ebook wurde erstellt bei
Ein roter Bus
Aufbruch
Reise nach B
Unter den Linden
Um und am Alex
Geschichtsstunde
Im Zoo
Der Küste entlang
Tulpen und holländische Geschichte
Boote und neue Bekanntschaften
Reisen
Überfahrten
Immer der Nase nach
Letterboxes
Am Ende der Welt
Bärenfell und Königinnen
Frankreich, Frankreich
Großstadtfieber
Hunde, Kirchen und ein Bild
Weiterreise
Primavera en la Costa Brava
Ferien
Übers Meer
Antike Stätten
Italianità
Tauben, Masken und Kanäle
Neue Freunde
Heimkehr
Epilog
Impressum neobooks
Es ging wieder einmal zu den Großeltern. Schweigend sah Lilly aus dem Fenster des schwarzen Autos auf die karge spätwinterliche Landschaft. Sie hatte schwarz noch nie gemocht. Es war so eine düstere Farbe. In einem schwarzen Auto war es unmöglich, farbig zu träumen.
Auf den Vordersitzen unterhielten sich ihre Eltern, doch sie hörte nicht zu. Neben ihr stritten sich ihre beiden Brüder. Ab und zu mahnte der Vater sie zur Ruhe, und die Mutter warf einen besorgten Blick zur Tochter. Lilly war es gleich.
Die Großeltern wohnten nicht weit von Lillys Zuhause entfernt, mit dem Auto waren es höchstens zehn Minuten.
Ihre Mutter nahm sie bei der Hand, als sie aus dem Auto stiegen. Ihre Brüder rannten vor, um als erste an der Tür des Hochhauses zu stehen. Abwesend ließ Lilly den Blick über den bleichen Rasen vor den Häusern gleiten. Bald würde sie ihren Großvater wiedersehen.
Ihre Mutter wirkte nervös, als sie klingelte. Sie war immer nervös, bevor sie ihre Familie besuchte. Es würden alle da sein. Mutters drei Brüder und ihre Schwester mit ihrem Freund. Nur Lilly wusste, weshalb ihre Mutter jedes Mal nervös wurde, wenn sie unten klingelte. Wegen ihr. Sie schämte sich für ihre Tochter. Mit ihren Brüdern war das etwas anders, mit ihnen konnte man in die Öffentlichkeit, ohne Mitleid oder Häme zu ernten.
Der Lift brachte sie in den dritten Stock. Lillys Brüder sprangen aus dem Lift und fielen der Großmutter um den Hals, die sie an ihre große Brust drückte.
„Hallo Mutter“, begrüßte Lillys Mutter ihre Großmutter.
„Schön dich zu sehen, Alexandra. Hallo Markus, hallo Lilly.“ Lilly schüttelte ihre Hand. Sie war immer die Letzte, die begrüßt wurde.
„Die anderen sind schon da und warten auf euch“, lächelte die Großmutter ihre Tochter an. „Kommt rein.“
Geschwind drückte sich Lilly vor ihrer Mutter durch die Tür. Da war er! Großvater lächelte, als er sie sah und kniete sich hin, um seine Enkelin in die Arme zu nehmen.
„Hast du wieder etwas für mich?“, wollte Lilly erwartungsvoll wissen. Aber ihre Mutter hatte sie auch gehört. „Lilly, lass Großvater in Ruhe.“
„Ist schon gut, Alexandra“, lächelte der Großvater nur. Die beiden warteten im Flur, bis Lillys Eltern und ihre Brüder im Wohnzimmer verschwunden waren und die Großmutter sich in die Küche verzogen hatte.
„Diesmal ist es sogar etwas besonders Großes. Willst du es sehen?“ Lilly nickte begeistert. „Also dann.“ Großvater nahm seine Jacke vom Haken und zog seine Schuhe an. Leise öffnete er die Tür und winkte Lilly zu.
Vor der Tür nahm er sie bei der Hand und führte sie die Treppe hinunter, ganz hinunter, bis in die Tiefgarage. Es roch nach Abgas und Benzin, nach Geschwindigkeit, fernen Orten und der großen weiten Welt. Hier unten hatten Lilly und ihr Großvater schon manches Abenteuer bestanden.
Großvater führte sie in den Teil der Garage, wo sonst die Lieferwagen für das Einkaufszentrum darüber parkten.
Dort stand, von einer nackten Glühbirne beleuchtet, ein knallroter VW-Bus. Lilly staunte.
„Wie findest du ihn?“, fragte Großvater. Lilly gab keine Antwort, sondern machte sich von seiner Hand los und ging auf den Bus zu. Auf dem unteren Teil des Busses waren Sterne, Kringel, Punkte, kleine Schiffe und Friedenszeichen auf den roten Lack gemalt. Mit dem Finger strich Lilly behutsam den Formen entlang. Das reichte Großvater als Antwort. Mit einem Lächeln zog er den Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür. Lilly kletterte hinein und machte es sich auf dem Fahrersitz bequem. Großvater setzte sich daneben.
„Darin kann man Abenteuer erleben, oder?“, wollte Lilly wissen. Großvater nickte. „Werden wir zusammen auf Abenteuerreise gehen?“, fragte sie ernst. Großvater schmunzelte.
„Das machen wir ganz bestimmt. Aber jetzt müssen wir wieder hinauf. Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen um uns. Und außerdem verpassen wir das Nachtessen.“
Lilly nickte und stieg aus. Sie hüpfte um den Bus herum und legte ihre kleine Hand in Großvaters große, runzlige. Zusammen gingen sie zur Wohnung zurück. Auf der Treppe ging Lilly ganz langsam, damit Großvater mit ihr Schritt halten konnte.
„…hat sich einen alten, klapprigen VW-Bus gekauft. Weiß der Himmel, wofür er ihn braucht, aber ich konnte ihn nicht umstimmen“, hörten sie Großmutter aus dem Wohnzimmer schimpfen, als sie in die Wohnung kamen. Fragend sah Lilly ihren Großvater an, doch der lächelte nur, legte seinen Finger auf die Lippen und zwinkerte ihr zu. Lilly nickte.
„Wir holen sie nächste Woche wieder ab“, erklärte die Mutter. Lilly war wieder bei ihren Großeltern. Ihre Familie würde in die Ferien fahren und sie würde hier bleiben. Das war immer so und Lilly war es ganz recht.
„Sie hat so viele Bücher mitgenommen, dass kaum noch Platz für was anderes in der Tasche war. Aber ich denke, die Kleider werden für eine Woche reichen. Sonst habt ihr ja unseren Hausschlüssel.“
Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete sich die Mutter von Lilly. Großvater nahm ihr die schwere Tasche ab und stellte sie ins Gästezimmer.
„Pack schon mal aus. Bald gibt’s Mittagessen“, rief die Großmutter aus der Küche. Fragend sah Lilly Großvater an. Der lächelte sein geheimnisvolles Lächeln und schüttelte sacht den Kopf. Lilly nickte und ging ins Gästezimmer, um sich ein Buch aus ihrer Tasche zu holen.
„Immerzu lesen“, meckerte die Großmutter, als sie alle um den Tisch herum saßen. Es gab Pasta mit Tomatensauce.
„Das kann einfach nicht gut tun. Da kann ja nichts Gutes bei rauskommen.“ Lilly legte ihr Buch vorsichtig neben sich auf die Eckbank. Sie verstand nicht, was an Büchern so schlimm sein sollte. Verstohlen blickte sie zu Großvater hinüber, der ihr zuzwinkerte. Ohne etwas zu sagen wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Pasta zu.
Nach dem Essen verzog sich Lilly ins Gästezimmer, um zu lesen. Sie hatte sich ein paar Kekse mitgebracht und ein Glas Milch, um sie hinunter zu spülen.
Da klopfte es auf einmal leise an der Tür. Lilly stand auf und ging hin, um zu sehen wer es war. Es war Großvater.
„Es ist soweit, Kleine. Du hast doch noch nicht ausgepackt, oder?“ Lilly schüttelte den Kopf und bedeutete ihrem Großvater, sich zu ihr hinunter zu beugen. „Wo ist Großmutter?“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Einkaufen gegangen“, flüsterte Großvater zurück. Lilly nickte zufrieden und wandte sich um. Sie brachte das leere Glas in die Küche zurück und steckte ihr Buch in die Tasche. Großvater griff sie sich und trug sie in den Flur hinaus.
„Ich habe noch etwas für dich. Es wartet unten im Bus auf dich.“ Lilly nickte und Großvater half ihr, sich die Schuhe und die Jacke anzuziehen. Dann setzte er ihr ihre Kappe auf den Kopf und gab ihr die Hand. Mit der anderen machte er die Tür auf, packte ihre Tasche und die beiden machten sich still und leise auf den Weg.
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