Jürgen Mietz - Die Schülerhilfe in Hamburg und ihre Nachfolgeorganisationen

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Der Autor setzt sich mit der Tradition der so genannten Schülerhilfe in Hamburg auseinander. Schülerhilfe bedeutete Schülerkontrolle, Schülerfürsorge und schulpsychologischer Dienst. Die daraus sich ergebenden Aufgaben bis hin zur Lehrerberatung und Supervision sind teilweise widersprüchlich und konkurrierend (gewesen). Beratungssettings und der Rahmen für Beratung sind in manchen Fällen wenig eindeutig und kohärent. Für Identitätsbildung und Entwicklung einer Beratungskultur können Irritationen und Hindernisse auftreten.
Die traditionell starke Orientierung im Sinne einer Schülerforsorge erschwert die Umsetzung systemischer Ansätze, also solcher Ansätze, die im Lehrerhandeln mit seinen subjektiven Voraussetzungen wesentliche Entwicklungsressourcen für die Mitglieder der Schule sehen.
Im Jahr 2000 ging die Schülerhilfe in den Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (ReBuS) auf. Seit 2012 setzen sie ihre Arbeit als Beratungsabteilungen in einer neuen Organisation, den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBz), fort. Tradition und neue Aufgaben formen und formieren die Beratungspraxis – teilweise mit beunruhigenden Folgen, sofern Beratung als Möglichkeit der Aufklärung und des vertieften Verstehens gelten soll. Als Weg zu Einsichten in die eigene Lebensgeschichte und zu ihrer mündigen Gestaltung.
Der Autor möchte dazu anregen, die Funktion und Bedeutung von Organisationsveränderungen zu hinterfragen. Zudem warnt er vor den Folgen eines Beratungsverständnisses, das sich als Steuerung versteht und sich im Korsett einer zweckrationalen Organisation mit ihren emanzipatorischen Anteilen aufgibt.

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Die Schülerhilfe in Hamburg

und ihre Nachfolgeorganisationen

Wege und Varianten der Schulberatung

Jürgen Mietz

Mai 2015

schulpsychologie.mietz@posteo.de

ISBN 978-3-7375-5469-5

“Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kantischen Ausdruck verwenden darf, die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen.”

Theodor W. Adorno

Dieses Zitat fand ich zufällig (?) kurz vor der Fertigstellung meines Textes. Es trifft recht gut, was Zweck von Beratung sein könnte: Kraft zur Reflexion, Selbstbestimmung, Urteils- und Widerstandsfähigkeit.

Georg Lind verwendet das Zitat in seiner Veröffentlichung: Ist Moral lehrbar?, 2002

Sehr aktuell die Schlussfolgerungen, ab S. 259

http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/pdf/Lind-2002_Ist-Moral-lehrbar_Xerox.pdf

Das erforderliche Passwort ist auf der Website benannt: kohlberg

Die Schülerhilfe in Hamburg

und ihre Nachfolgeorganisationen

Inhaltsverzeichnis

Die Schülerhilfe in Hamburg und ihre Nachfolgeorganisationen

1 Einleitung 1 Einleitung Die folgende Darstellung ist Teilergebnis einer Veranstaltung des »Landesverbandes Schulpsychologie NRW«. Es ging um einen Vergleich der schulpsychologischen Entwicklungen in NRW mit jenen in Hamburg. In NRW und in anderen Bundesländern wie auch in der Hamburger Selbstdarstellung war das Hamburger Modell der ReBuS (Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen) häufig als nachahmenswert charakterisiert worden, unter anderem in Gutachten von Klaus Klemm und Ulf Preuß-Lausitz 1 . Bemerkenswert schien den Befürwortern die Zusammenlegung unterschiedlicher Funktionen und Professionen in einer Organisation. Wo Betrachter sich von der Menge der Schulformen, der Hürden bei Übergängen, der bürokratischen Abgrenzungen abgestoßen fühlen, mochte ihnen das ReBuS-Modell als elegante Überwindung solcher Untiefen erscheinen. Tatsächlich hatten sich beide Gutachter mit ReBuS unkritisch und nur summarisch befasst. Unter anderem Interventionen des Landesverbandes Schulpsychologie NRW dürfte es zu verdanken sein, dass das Modell bisher nicht in NRW eingeführt wurde. Besonders attraktiv am ReBuS-Konzept dürfte für Pädagogen und Sonderpädagogen das Versprechen auf individualisierte Förderung und sozialpädagogische Betreuung von Kindern sein. Hilfe für das Kind ist wesentlich Hilfe unmittelbar am Kind – im pädagogischen Gedankengang einleuchtend. Darüber hinaus war es immer Aufgabe der Schülerhilfe, der ReBuS und ihrer jüngsten Nachfolgerin der ReBBz (regionale Bildungs- und Beratungszentren), Schulpflichtverletzungen zu verfolgen, zu dokumentieren und zu bearbeiten. Dieser Aufgabenmix wirft aus beratungstheoretischer Sicht Fragen auf. Die Beratungseinrichtung ist einerseits schulnah parteilich und »aufsichtsaffin«. Andererseits soll Beratung modern systemisch konzipiert, also Schule und Lehrerschaft problem- und lösungsrelevant einbeziehen. Das Qualifikationsprofil und die Ausrichtung der Hilfe am Kind lassen in der Praxis nur einen (paradoxen) halbierten systemischen Ansatz zu. Der in der deutschen Schulpsychologie in Gang gekommene »Paradigmenwechsel der Schulpsychologie« als Erweiterung des Blicks über das symptomtragende Kind hinaus auf Schule und Lehrer vollzog sich in Hamburg auf besondere Weise mehrfach gebrochen. In meiner Darstellung benutze ich Quellen der Sektion Schulpsychologie des BDP, ältere Ausgaben der Hamburger Lehrerzeitung der GEW und Zeitzeugenaussagen. Meine 5 jährige Erfahrung als Schulpsychologe in ReBuS und ReBBz bemühte ich mich zu objektivieren, was nicht vollständig gelungen sein mag. Bedauerlicherweise sind in den mir zugänglichen Bibliotheken Konzepte der Schulbehörde, die Veränderungen der Organisationsform begründeten, nicht angezeigt worden. Falls Leserinnen und Leser mit Dokumenten aushelfen können, bin ich für solche Hinweise dankbar.

2 Geschichte der Schülerhilfe

3 Die Schülerhilfe in Identitätsbrüchen

3.1 Viele Auftraggeber, Erwartungen und Entwicklungsnotwendigkeiten

4 Paradigmenwechsel der Schulpsychologie

4.1 Die Lehrkraft wird relevant für Lösungen

4.2 Zeichen des Paradigmenwechsels in der Schülerhilfe

4.3 Lehrerklagen über Ineffizienz

4.4 Sicherheit gebende Settings in einem veränderten Beratungsverständnis

5 Das Ende der Schülerhilfe – die Gründung der ReBuS

5.1 Innovation als Bedrohung

5.2 Mit »Neuer Steuerung« Wildwuchs beenden und eine Organisation aus einem Guss schaffen

5.3 Konzeption und Gründung der ReBuS

5.4 Multiprofessionalität

5.5 Beratungsverständnisse – Beratungskultur

5.6 Der politische Kontext der Rebus

5.7 Überlegungen zum Verhältnis von politischer und fachlicher Logik

6 Nach Rebus ReBBz

6.1 Prozessberatung notwendig, jedoch ohne Ort

6.2 Beratung als Lenkung und Belehrung

6.3 Leitungsstruktur und Vorgaben/Leitbilder für Leitungen

6.4 Fazit

7 Abschließende Anmerkungen zu Perspektiven der Beratung

7.1 Zweck von Beratung seit 1945

7.2 Beratung in Zwangskontexten

7.3 Entleerung der Erziehungsarbeit, Steuerungspostulat und Ethik

8 Abschließende Anmerkungen zu Wirkungsmöglichkeiten der Berater/innen und ihrer Selbstorganisation

1 Einleitung

Die folgende Darstellung ist Teilergebnis einer Veranstaltung des »Landesverbandes Schulpsychologie NRW«. Es ging um einen Vergleich der schulpsychologischen Entwicklungen in NRW mit jenen in Hamburg. In NRW und in anderen Bundesländern wie auch in der Hamburger Selbstdarstellung war das Hamburger Modell der ReBuS (Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen) häufig als nachahmenswert charakterisiert worden, unter anderem in Gutachten von Klaus Klemm und Ulf Preuß-Lausitz 1. Bemerkenswert schien den Befürwortern die Zusammenlegung unterschiedlicher Funktionen und Professionen in einer Organisation. Wo Betrachter sich von der Menge der Schulformen, der Hürden bei Übergängen, der bürokratischen Abgrenzungen abgestoßen fühlen, mochte ihnen das ReBuS-Modell als elegante Überwindung solcher Untiefen erscheinen. Tatsächlich hatten sich beide Gutachter mit ReBuS unkritisch und nur summarisch befasst. Unter anderem Interventionen des Landesverbandes Schulpsychologie NRW dürfte es zu verdanken sein, dass das Modell bisher nicht in NRW eingeführt wurde.

Besonders attraktiv am ReBuS-Konzept dürfte für Pädagogen und Sonderpädagogen das Versprechen auf individualisierte Förderung und sozialpädagogische Betreuung von Kindern sein. Hilfe für das Kind ist wesentlich Hilfe unmittelbar am Kind – im pädagogischen Gedankengang einleuchtend. Darüber hinaus war es immer Aufgabe der Schülerhilfe, der ReBuS und ihrer jüngsten Nachfolgerin der ReBBz (regionale Bildungs- und Beratungszentren), Schulpflichtverletzungen zu verfolgen, zu dokumentieren und zu bearbeiten.

Dieser Aufgabenmix wirft aus beratungstheoretischer Sicht Fragen auf. Die Beratungseinrichtung ist einerseits schulnah parteilich und »aufsichtsaffin«. Andererseits soll Beratung modern systemisch konzipiert, also Schule und Lehrerschaft problem- und lösungsrelevant einbeziehen. Das Qualifikationsprofil und die Ausrichtung der Hilfe am Kind lassen in der Praxis nur einen (paradoxen) halbierten systemischen Ansatz zu. Der in der deutschen Schulpsychologie in Gang gekommene »Paradigmenwechsel der Schulpsychologie« als Erweiterung des Blicks über das symptomtragende Kind hinaus auf Schule und Lehrer vollzog sich in Hamburg auf besondere Weise mehrfach gebrochen.

In meiner Darstellung benutze ich Quellen der Sektion Schulpsychologie des BDP, ältere Ausgaben der Hamburger Lehrerzeitung der GEW und Zeitzeugenaussagen. Meine 5 jährige Erfahrung als Schulpsychologe in ReBuS und ReBBz bemühte ich mich zu objektivieren, was nicht vollständig gelungen sein mag. Bedauerlicherweise sind in den mir zugänglichen Bibliotheken Konzepte der Schulbehörde, die Veränderungen der Organisationsform begründeten, nicht angezeigt worden. Falls Leserinnen und Leser mit Dokumenten aushelfen können, bin ich für solche Hinweise dankbar.

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