Um zu den Felsen zu gelangen, müssen wir ein Stück durch hochgewachsene Gräser laufen. Aus Sorge vor Schlangen und anderen gefährlichen Tieren tragen wir natürlich geschlossene Schuhe. Trampelnd ziehen wir durch das Grasland. Durch die Erschütterungen sollen die Schlangen vertrieben werden. Ich persönlich glaube, der Gesang von Andy würde zusätzlich die Viecher in die Flucht schlagen. Doch ich kann - den besten Ehemann von allen - einfach nicht dazu bringen, laut stapfend das Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ zu singen. Offensichtlich reicht das Gestampfe aus, denn wir treffen auf keinerlei Getier.
Während unserer Weiterfahrt bemerken wir plötzlich etwas Außerordentliches. Es ist riesig und pink. Dem Reiseführer entnehmen wir, dass es sich dabei um einen salzhaltigen See handelt. Spezielle Algensorten sorgen bei Mittagslicht für die außergewöhnliche Farbe des Gewässers. In der Landschaft wirkt dieser See echt skurril. Schnell wird das Ereignis fotografiert und weiter geht die Fahrt zum Kalbarri Nationalpark .
Der Park zählt zu den landschaftlichen Höhepunkten auf dem Weg in den Norden. Von verschiedenen Aussichtsplattformen aus, der Natural Bridge , Eagle Gorge und Red Bluff , erblicken wir schroffe Felsen.
Wir zuckeln noch eine Weile durch den 1830 km² großen Park. Wir wollen zwei Wanderwege oberhalb des Murchison-River erkunden. Um zu dem Fluss zu gelangen, müssen wir eine unbefestigte Outbackpiste entlang holpern. Für solche Touren wird eigentlich ein Auto mit Allradantrieb empfohlen. Wir reisen aber mit einem Toyota Campervan mit Zweiradantrieb und sind auf der Strecke nicht versichert. Darum fahren wir auf dieser Ruckelpiste besonders vorsichtig. Nach einigen Minuten erreichen wir den Parkplatz und starten zu unserer Wanderung. Der Weg ist kurz und nicht sehr anstrengend. Darüber bin ich froh, denn es ist sehr heiß. Nach kurzer Zeit erreichen wir das „ Natures Window “. Der Fluss hat vor Tausenden von Jahren ein Fenster in die Felsen gespült und ein spektakulärer Blick auf den River im Tal erwartet uns.
Im Nationalpark wächst die für diese Region typische Pflanze „ Banksia “. Die Blüte ähnelt einer Toilettenbürste. Andere Pflanzen erinnern an Flaschenbürsten.
Tipp:
In Westaustralien gibt es einige großzügig angelegte Parkplätze. Es sind sogenannte „24-Hour Rest Areas“. Auf diesen Plätzen kann man kostenlos übernachten. Meistens gibt es überdachte Picknicktische und Toiletten. Strom und Wasser gibt es allerdings nicht.
Heute Nacht rasten wir auf einem besonders schönen 24-Stunden-Parkplatz. Er liegt direkt am Murchison-River. Auf dem Fluss schwimmen ein paar schwarze Schwäne in der Abendsonne. Wir genießen unser Abendessen draußen in der untergehenden Sonne. Ich bin überrascht, wie sauber und ordentlich alles ist. Zu den benutzbaren Chemietoiletten, die jeden Tag gereinigt werden, führt sogar eine rollstuhlgerechte Rampe.
Am nächsten Morgen habe ich an einer Tankstelle ein nettes Erlebnis. Ich frage den Verkäufer mit meinem „Holperenglisch“ nach der Möglichkeit, Wasser aufzufüllen. Da lächelt er mich an und sagt: „Frage mich doch einfach auf Deutsch!“ Der Typ stammt aus Paderborn und erarbeitet sich dort sein Reisegeld. Ich freue mich, einen Deutschen zu treffen. Er beantwortet sogleich meine Fragen. Wir tanken, füllen die Wasservorräte auf und schon sind wir wieder unterwegs.
Die Landschaft hat sich sehr verändert. Eine grüne Buschlandschaft weicht roter, mit Steinen übersäter Erde.
Wir weichen etwas von der Route ab und besichtigen noch einmal Stromatolithen. Diese Stromatolithenfelder sind viel größer als die anderen. Doch ich finde sie genauso unspannend wie die vorigen Felder.
Als Nächstes besuchen wir den Shell Beach (Muschelstrand). Dort haben sich extrem viele Muscheln angesammelt. Einige Muschelbänke sind bis zu vier Meter hoch. Warum sich genau an diesem Ort so viele Muscheln ablagern, ist nicht genau bekannt. Die Bauindustrie nutzt die Ablagerungen und errichtet Häuser aus Muschelgestein. Die Kirche aus diesem Gestein, die wir unterwegs entdecken, finden wir jedoch langweilig.
Wir fahren die Küstenstraße entlang. Auch wenn meine Englischkenntnisse ziemlich grottig sind, habe ich eine genaue Vorstellung von der Bezeichnung Shark Bay . In dieser Region gibt es Haie!
Von der Aussichtsplattform Eagle-Bluff aus sehen wir auch gleich zwei Haie. Sie umkreisen einen Wasservogel. Gut, dass wir unser Fernglas mitgenommen haben! Von einer ca. 50 m hohen Aussichtsplattform kann ich den Blick auf die Haie durchaus genießen und mich daran erfreuen. Wir entdecken riesige Rochen, die gut sichtbar an der Oberfläche des Ozeans schwimmen. Auf einer Tafel werden wir darüber informiert, dass es hier auch große Schildkröten gibt. Einige ihrer Art legen von ihren Nestern bis zu dem dortigen Standpunkt mehr als 10.000 km zurück. Das finde ich wirklich bewundernswert. Auf dem Weg zu unserem Auto begegnen wir einer ca. 70 cm langen Eidechse.
Wir wollen nach Monkey Mia , einem sehr beliebten Touristenort. Dort kann man angeblich Delfine ganz nah am Strand beobachten. Normalerweise muss man den beliebten Campingplatz im Voraus reservieren. Das haben wir natürlich verpasst. Ich bete, dass wir dort trotzdem übernachten können. Nach einem kurzen Moment des Bangens erfahren wir, dass wir für diese Nacht auf dem Campingplatz schlafen dürfen.
Während wir unsere Campingmöbel aufbauen, entdecke ich sie - zwei merkwürdige Krallen - und denke: „Oh sind die hässlich!“ Ich denke sofort an E.T., den Kinofilm mit dem freundlichen Außerirdischen. Nach wenigen Augenblicken wird klar, dass die „hässlichen Füße“ zu einem Emu gehören. Die Tiere stolzieren über den Campingplatz und sind alles andere als schüchtern. Die Emus sind ständig auf der Suche nach Nahrung. Da gilt es, auf das eigene Essen aufzupassen. Kleine Kinder fangen an zu weinen, denn die Tiere sind einfach zu groß für sie.
In der Rezeption des Campingplatzes erhalten wir einen Zettel mit den wichtigsten Verhaltensregeln zum Aufenthalt. Die erste Regel lautet, man solle wegen der Haie nicht allein schwimmen oder schnorcheln. Soweit ich das überblicken kann, halten sich die Touristen daran. Ich finde diese Anweisung nur in Maßen tröstlich. Was soll ich denn bitte tun, wenn Andy beim Schnorcheln von einem Hai angegriffen wird? Außer in Ohnmacht fallen, bleibt mir ja nicht viel übrig. Die zweite Regel lautet: „Die Delfine bitte nicht berühren!“ Es besteht Infektionsgefahr – für die Delfine, nicht für die Menschen! Ich hoffe, dass sich die Menschen auch an diese Regel halten. Die dritte Regel lautet: „Bitte die Emus nicht füttern!“ Daran hält sich niemand, denn scheinbar findet es jeder Tourist interessant, wenn die Emus so zutraulich sind.
Im Meer, nahe dem Strand, schwimmen Pelikane. Sofort habe auch ich Lust auf ein erfrischendes Bad. Ich schwimme mit Pelikanen. Unglaublich! Leider gibt es am Strand keinerlei Schatten. So gehe ich nach dem Schwimmen zurück zu unserem Camper. Andy badet auch das erste Mal im Indischen Ozean.
Am Abend spazieren wir in der Dämmerung zu dem Bootssteg, um den herum morgens die Delfine erwartet werden. Auf dem Steg lernen wir eine junge deutsche Familie kennen. Manuel (Name geändert) und seine Familie sind vor ca. einem Jahr von Deutschland nach Perth gezogen. Vorher hatte die Familie vier Jahre auf ein Visum für Australien gewartet. Manuel ist Optikermeister. Er erzählt uns interessantes über Australien. So erfahren wir z.B., dass ein Tag in einem Kindergarten in Perth 80 australische Dollar kostet. Er gibt uns seine Telefonnummer und bietet seine Hilfe an, falls wir in Australien in Not geraten. Zu dem Zeitpunkt ahne ich nicht, dass ich bereits am nächsten Tag seine Hilfe brauchen werde.
Читать дальше