Brigitte Jäger-Dabek - Die Bilder in unseren Köpfen

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Das Verhältnis zwischen den Nachbarn Polen und Deutschen sollte eigentlich eng und herzlich sein, denn man müsste sich eigentlich gut kennen. Doch beiderseits der Grenze an der Oder halten sich hartnäckig Klischees, Vorurteile und Stereotype über die Nachbarn, an denen auch der EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 wenig geändert hat. Erst mit der Fußballeuropameisterschaft 2012 nahmen weite Kreise der deutschen Bevölkerung erstmals ein ganz anderes Polen, als das der Klischees wahr: ein modernes, ein weltoffenes Polen
Das Ebook «Die Bilder in unseren Köpfen. Deutsche Polenbilder – Polnische Deutschlandbilder» von Brigitte Jäger-Dabek zeigt wie Polen und Deutsche einander bis heute oft noch sehen. Immer noch nämlich ist das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarnationen geprägt von Stereotypen, alten Ängsten und vielen Vorurteilen. Das ist eine Folge der unseligen Geschichte und davon, dass man noch immer zu wenig voneinander weiß. Genau das will dieses Ebook ändern und erklärt, woher diese Geschichtsbilder und Sichtweisen stammen, auf welchen Hintergründen sie beruhen und wie sich das Verhältnis langsam zu ändern beginnt.

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Brigitte Jäger-Dabek

Die Bilder in unseren Köpfen

Deutsche Polenbilder - Polnische Deutschlandbilder

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Inhaltsverzeichnis Titel Brigitte JägerDabek Die Bilder in unseren Köpfen - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Brigitte Jäger-Dabek Die Bilder in unseren Köpfen Deutsche Polenbilder - Polnische Deutschlandbilder Dieses ebook wurde erstellt bei

Vorwort

Ein neues Polenbild bei den Deutschen?

Das Polenbild der Deutschen - Polnische Wirtschaft

Polenwitze und das Volk der Autodiebe

Zur Korrektur des Polenbilds

Das Deutschlandbild der Polen und die Hintergründe

Identität im Wandel – Polnische Selbstbilder

Helmuty – Das Deutschlandbild der Polen

Anhang

Links

Impressum neobooks

Vorwort

Als ich im Mai 2004 bei Stettin an die deutsch-polnische Grenze rollte, war das ein besonderer Moment für mich. Seit mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten fahre ich nun immer wieder nach Polen, und es war im Mai 2004 nach dem EU-Beitritt Polens das erste Mal, dass ich nur einfach meinen Personalausweis hochhalten musste und dann durchgewinkt wurde. Mit dem Schengen-Beitritt am 21. Dezember 2007 entfiel sogar dieses Hochhalten des Personalausweises, die Grenzkontrollen sind Geschichte, die Grenzübergänge zum Teil abgebaut und zuweilen kaum noch als solche zu erkennen – grenzenloses Europa.

Viel Erinnerungen kamen dabei hoch, die ewige Unsicherheit, ob man wieder ein Visum erhalten würde, die Ungewissheit, ob man liebe Menschen wieder sehen würde, die Schikanen an der DDR-Grenze, die Beklemmung der Kriegsrechtszeit, aber auch die Aufbruchsstimmung der ersten Nachwendejahre.

Nun also ist Polen wieder dort angekommen, wo es zweifelsfrei hingehört, in Mitteleuropa, nicht mehr bedroht politisch zwischen Hammer und Amboss zu geraten, mit gesicherten Grenzen. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlen sich die Polen nicht mehr ständig von ihrem großen Nachbarn Deutschland bedroht.

Zwar waren die tausend Jahre Geschichte in Nachbarschaft, wenn man die ganze Zeitspanne betrachtet, weitgehend friedlich, doch gab es Einschnitte bedingt durch Streitigkeiten, wie um den polnischen Zugang zu Meer, die schon im Jahr 1309 begannen, Schlachten wie die Tannenbergschlacht von 1410, die zwar die wohl größte Schlacht des Mittelalters war, aber keineswegs so entscheidend, wie die Mythenbildung uns suggeriert. Die polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795 führten dazu, dass Polen von der Landkarte gewischt wurde.

Gänzlich in Vergessenheit auf deutscher Seite ist, dass nicht unbedeutende Landesteile wie die Region Posen, oder Westpreußen annektiert waren und eigentlich zu Polen gehörten. So entstand das polnische Trauma, zwischen Preußen/Deutschland und Russland wie zwischen Hammer und Amboss eingeklemmt zu sein. Der Erste Weltkrieg führte zum Wiedererstehen Polens, doch der Versailler Vertrag führte zu Revanchegelüsten. Von der deutschen Überheblichkeit der Kaiserzeit, vom „am deutschen Wesen soll die Welt genesen, war es nur noch ein Schritt zum „slawischen Untermenschentum“ und dem Vernichtungskrieg im Osten, der am 1. September 1939 begann.

Sechs Millionen Polen kosteten Krieg und die an Grausamkeit kaum zu überbietende Nazibesetzung das Leben, drei Millionen davon waren Juden. In der Folge wurde Polen durch Beschluss der Alliierten nach Westen verschoben, Millionen Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten flohen oder wurden vertrieben. Unverständnis und Hassgefühle schienen auch im Kalten Krieg kaum enden zu wollen.

Schon davon wissen die meisten Deutschen nicht viel. Also inwieweit kennen wir Deutsche diesen Nachbarn Polen überhaupt? Seine Hoffnungen, Ängste und Träume? Wissen wir, wie er lebt, wie sein Alltag aussieht? Vor allem aber: Haben die bald 25 Nachwendejahre auch die Bilder geändert, die Polen und Deutsche voneinander in ihren Köpfen haben?

Ein neues Polenbild bei den Deutschen?

Erinnern Sie sich an die Bilder des vergangenen Sommers? Es war die Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine, die einen Beitrag zu einem neuen Polenbild lieferte. So groß ist die mediale Aufmerksamkeit für unser Nachbarland sonst nie. Und standen diese Bilder eines modernen Polen nicht in seltsamem Kontrast zu den sonst übertragenen Bildern?

Da wurden sonst allzu gern solche Bilder gezeigt: Ein klappriges zotteliges Pferd zieht einen noch klapprigeren Karren durch eine idyllische Landschaft nach Hause. Auf dem Bock sitzt zusammengesunken nach des Tages Mühsal ein verhärmter alter Bauer, der mutlos und abgestumpft durch des Tages Härte in den Sonnenuntergang guckt …

Eine Idylle aus einer vergangenen Zeit, ein Polen, das aus Rückständigkeit und Armut besteht, das gerade an der Schwelle vom Agrarland zum Industriestaat zu stehen scheint. Die Mehrzahl der Bilder über Polen, die vom Fernsehen in unsere Wohnzimmer geliefert wurden, sahen so oder so ähnlich aus.

Und nun bei der Europameisterschaft? Tatsächlich, die Mehrzahl der Polen lebt in Städten, in denen wahre Baubooms ausgebrochen scheinen, Städten, die fast täglich ihr Gesicht ändern. Man sah tolle, hochmoderne Stadien, eine Hauptstadt mit einer Skyline, die unaufhörlich wächst. Und viele Besucher Warschaus rieben sich die Augen, als sie dort Edelboutiquen zuhauf, schicke Einkaufszentren und Shoppingmalls in einer Zahl entdeckten, die selbst Berlin neidisch machen könnte. Die Erkenntnis vieler Besucher: Polen ist ein modernes Land und Warschau ein Shoppingparadies voll prallen Lebens!

In den grenznahen Polenmärkten kaufen die Deutschen. Die Polen kaufen heute in hochmodernen Supermärkten ein, meistens 24 Stunden an sieben Tagen der Woche. An Marktständen gewühlt hat Jan Kowalksi, wie der polnische Otto Normalverbraucher genannt wird, lange genug.

Es war der EU-Beitritt vom 1. Mai 2004, der Polen mit den regelmäßigen Überweisungen aus Brüssel den großen Sprung ermöglicht hat und selbst der maroden polnischen Landwirtschaft wieder Leben einhauchte und deren Lebensmittel zu Export-Rennern machte. Noch im Beitrittsjahr stiegen die Einkommen der polnischen Landwirte durch die EU-Subventionen um ein Drittel.

Warschau hat sich zu einer wahren Boomstadt wie aus dem Hochglanzmagazin entwickelt, die Investoren und Firmen aus aller Welt anzieht, nur geringe Arbeitslosigkeit kennt und Immobilienpreise wie in Westeuropa hat. Auch der Lebensstandard in der polnischen Hauptstadt ragt weit über Landesdurchschnitt hinaus und hat den von Ostdeutschland inzwischen übertroffen.

Polenbild bei der EURO 2012 Polen ein modernes weltoffenes Land mit schicken - фото 2

Polenbild bei der EURO 2012: Polen, ein modernes, weltoffenes Land mit schicken Stadien und tollen Fans Foto: Jörn Fehrmann, CC-BY-SA-3.0

Durch die Bilder der EM 2012 hat man bei uns auch wahrgenommen, dass es neben Warschau, Danzig, Breslau und Krakau noch andere Städte gibt, die nicht nur eine Reise wert sind, sondern auch ihren Einwohnern eine beachtliche Lebensqualität bieten. Erstaunt stellt man fest, dass die Menschen in den polnischen Metropolen sich inzwischen mit ähnlichen Problemen herumschlagen, wie in deutschen Großstädten: Suche nach bezahlbarem Wohnraum, gut bezahlte Jobs finden, Infrastrukturprobleme im Verkehrssektor. Dazu sind sie nicht fremdenfeindlich wie vermutet, sondern weltoffene Gastgeber, die selbst mitten in Warschau deutsche Fans mit wehender Deutschlandfahne umarmten.

So hat man durch die Fußball-Europameisterschaft so geballt wie nie zuvor das Bild eines modernen Polens mit aufgeschlossenen Menschen gesehen. Das Polenbild der Deutschen begann, sich zu verändern. Ob diese Entwicklung nachhaltig ist, bleibt abzuwarten.

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