Es ist die Zeit des beginnenden Immobilienbooms in den Vereinigten Staaten – die 1970er Jahre. Noch ist der Traum vieler, endlich ein eigenes Heim zu besitzen, nicht wahr geworden.
Doch dieser Traum von vielen trifft auf die Gier einzelner. In unvorstellbarer Form wird in den nächsten drei Jahrzehnten der amerikanische Traum zelebriert. Luxus und überdimensionale Egos bestimmen die Welt in den Führungsetagen der Maklerhäuser und Investmentbanken.
Die Zukunft kennt nur steigende Preise und die Habgier der Protagonisten ist unermesslich.
Während die Deals immer gigantischer werden und mit aberwitzigsten Finanzmarktprodukten in der ganzen Welt verteilt werden, zeichnen sich langsam dunkle Wolken am Horizont ab. Die ausgeklügelte Geldmaschinerie entpuppt sich mehr und mehr als monströses Schneeballsystem, das nun vor dem Kollaps steht. Das wahre Ausmaß der Katastrophe kann sich zu diesem Zeitpunkt allerdings niemand vorstellen. Erst in der Nacht des 15. September 2008 erahnen die Finanzexperten, dass das gesamte Gefüge der Weltfinanzmärkte in den Grundfesten ins Wanken geraten ist. Doch selbst als die Welt am wirtschaftlichen Abgrund steht, ist die Gier einzelner nicht zu stoppen.
In „Das Gier Prinzip“ erzählt der Autor Stefan Polter die fiktive Geschichte des Investmentbankers Edvin Golm, der bereits während seines Studiums in Harvard die Grundlagen für gigantische Spekulationen mit verbrieften Kreditportfolien entwickelt. Später, als Vorstandsvorsitzender von Bank Trust Investments, einer der weltweit größten Investmentbanken, steht er im Mittelpunkt der von maßloser Gier getriebenen Immobilienspekulationen. Sein ehemaliger Studienfreund Alexander van Daalen, Vorstand der größten amerikanischen Immobilien-bank, sieht fassungslos zu, wie Edvin selbst nach dem Kollaps sein riskantes Spiel skrupellos und ohne Rücksicht auf Kollateralschäden fortsetzt. Doch selbst in seinen schlimmsten Alpträumen hätte Alexander nicht erahnen können, wohin die Gier am Ende führen wird.
Über den Autor
Stefan Polter ist Jahrgang 1965 und wurde in Norddeutschland geboren. Er hat mehr als 20 Jahre im Finanzsektor bei international tätigen Banken u. a. in Führungspositionen gearbeitet. Sein breites Wissen über den Finanzsektor ist die Grundlage für die Entstehung dieses authentischen Wirtschaftsromans. Heute lebt Stefan Polter in Berlin.
Nun war es also soweit. Die globale Finanzkrise war genau am sechsten September zweitausendneun um vierzehn Uhr siebenundfünfzig vorbei. Dies wurde nicht offiziell verlautbart, jedoch gab es ganz eindeutige Anzeichen, die dazu führten, dass allgemein bekannt war, dass die Krise nun vorbei war. Die wichtigen Indices der weltweiten Börsen beendeten nicht nur ihren verlangsamten Sinkflug und stabilisierten sich moderat, sondern sie stiegen endlich wieder kontinuierlich. Zuvor dringend benötigte Staatshilfen wurden von den ehemals angeschlagenen Banken wieder zurückgezahlt oder zumindest wurde die Rückzahlung, schneller als erwartet, in Aussicht gestellt. Einige Banken sprachen sogar schon wieder von traumhaften zweistelligen Renditen, die sie beabsichtigten, in kürze wieder zu erzielen. Das Schlimmste war gemeistert. Man müsste zwar noch vorsichtig sein, aber von nun an würde alles wieder besser werden. Es hat zugegebenermaßen einige spürbare Veränderungen gegeben. Einige der großen und viele der kleinen Banken existieren nicht mehr und lieb gewonnene Wegbegleiter aus Industrie und Handel sind für immer vom Markt verschwunden. Doch dies wird das allgemeine positive Bild nicht trüben. Die Krise ist vorbei.
Allzu leicht sagt es sich, aber so ist es: Wenn die Krise vorbei ist, ist sie vorbei. Es waren cirka fünfhundertachtundvierzig Tage Krise. Das reicht.
Wer danach fragt, wie es zu dieser Krise kommen konnte, dem sei gesagt, dass die Beantwortung dieser Frage nach Ansicht der fachkundigen Beteiligten nicht viel helfen wird, schließlich ist die Krise vorbei. Vorbei ist vorbei und es wird schon nicht wieder passieren. Mit einer derartigen Fragestellung und einer akribischen Aufarbeitung werden wichtige Ressourcen verschwendet, die nach einhelliger Meinung der Experten dringend zum schnellen Wiederaufbau und zur Stärkung des an sich funktionierenden Finanzsystems benötigt werden.
Neuntausend Milliarden Dollar, die von den Regierungen zur Stützung des Finanzsektors aufgebracht wurden, zeigten Wirkung. Der vollständige Zusammenbruch des Weltfinanzsystems fand nicht statt. Wie es dazu kommen konnte, dass die gesamte Weltwirtschaft binnen kürzester Zeit derart in Schwierigkeiten gerät, ist nicht mehr von Belang! Alles war nochmal gut gegangen - doch es war noch nicht vorbei.
Der Chef einer großen Investmentbank im November 2009 in einem Interview gegenüber der „Sunday Times“:
"Wir helfen den Unternehmen zu wachsen, indem wir ihnen helfen, Kapital zu bekommen. Unternehmen, die wachsen, schaffen Wohlstand. Und das wiederum ermöglicht es den Menschen, Jobs zu haben, die noch mehr Wachstum und noch mehr Wohlstand schaffen."
"Ich bin ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.“
ERSTER TEIL
Montag, 20. September 1975, Boston, MA:
Alexander van Daalen lief an diesem Morgen aufgeregt an der Hand seiner Mutter Claire die Straße zur Lincoln Elementary School hinauf und ihm war mulmig zumute. Er war zudem noch unausge-schlafen. Wieso musste er so früh aufstehen? Warum musste er denn gerade heute zur Schule? Nun ja, es war sein erster Schultag und irgendwann musste es schließlich einmal losgehen. Er war nun schon fast 7 Jahre alt und immer noch ein wenig verträumt, wie es schien – das merkte heute auch wieder seine Mutter. Alexander hatte alles andere im Kopf – nur nicht die Schule. Das ist doch völlig überflüssig. Konnte man sich nicht einfach auf das notwendigste beschränken und alles so schnell wie möglich hinter sich bringen?
Die Morgensonne schien hell auf die Kennard Road, als sie zusammen mit knapp hundert anderen Eltern und Kindern die Lincoln Elementary School betraten. Alexander dachte nur – Augen zu und durch, ich muss nicht alles verstehen, aber durchkommen werde ich, das ist ganz gewiss.
Ein leicht nervöses Gefühl machte sich bei ihm breit, er schaute seine Mutter an – sie lächelte und rief:
„Ich hab Vertrauen zu Dir mein Schatz – Geh nur in Deine Klasse dort drüben!“
Alexander winkte ihr kurz zu und sie verschwand. Dann tat er es genau so, wie sie es ihm sagte und dachte dabei – der erste Schritt ins Ungewisse ist immer der schwierigste, danach wird alles einfacher. Ihm fiel ein, was sein Vater Victor vor einigen Wochen zu ihm sagte, als er Alex dabei ertappt hatte, wie er seiner Mutter nicht so ganz die Wahrheit erzählte. Er hielt eine Dollar Note hoch, schaute ihn kritisch an und flüsterte dabei:
„Dies, mein Sohn, beruht nur auf Vertrauen – wenn es das Vertrauen nicht mehr gibt, ist dieses Papier wertlos. So ist es überall, nur wenn es Vertrauen gibt, gibt es auch Werte. Deswegen haben wir auf diese Note geschrieben – Wir vertrauen auf Gott“.
Das hatte Alexander verstanden – so ging es ihm auch jetzt. Doch wem sollte er hier eigentlich vertrauen?
Fast im selben Augenblick stellten sich ihm zwei massiv abstehende Ohren auf beiden Seiten eines Mondgesichtes in den Weg – der Junge war einen guten Kopf größer als Alexander und nahezu doppelt so breit, an ein Durchkommen war nicht mehr zu denken. Das fehlte ihm gerade noch. Probleme erscheinen häufig unverhofft. Er kannte Edvin Golm, so hieß der Riese, schon aus der Vorschule, bereits dort hatte er sich deutlich als Störenfried herauskristallisiert. Das dicke Paar Ohren rief:
„Hey Kleiner! Immer schön langsam – ich bin hier der erste und dann kommst Du! Also immer schön einen Schritt hinter mir her!“
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