Geschafft!
Um keine verräterischen Brandspuren zu hinterlassen, schlug ich mit der flachen Hand auf mein Feuerzeug ein und fegte mit der rechten Handfläche die noch glimmenden Flusen dahin zurück, von wo ich sie aufgelesen hatte.
Damit ich die wenigen Züge in ihrer Gänze genießen konnte, setzte ich mich auf den Stuhl und lehnte mich entspannt zurück. Aufgrund der mir zwangsverordneten Abstinenz der letzten Wochen, war dies auch dringend geboten. Ich streckte die Beine lang aus, legte den Kopf in den Nacken, sah zur Decke und lächelte zufrieden. Das Zeug verursachte mir Schwindelgefühle. Eine überaus angenehme Begleiterscheinung.
Ah, so lässt es sich aushalten.
Der Service stimmte, war kaum noch zu übertreffen. Jeden Morgen wurde mir mit dem Frühstück eine JUNGE WELT gereicht. Tatsache! Nun ja, mittags hatte ich sie wieder abzugeben. Doch las ich bis dahin alles, einfach alles - jede noch so unsinnige Zeile. Und davon gab es reichlich. Tausende, möchte ich meinen. Chinesen bekriegten sich mit Vietnamesen. Soso. Natürlich erfuhr ich nichts wirklich interessantes. Und so blieb mir gar nichts anderes übrig, als zu der erfreulichen Erkenntnis zu gelangen, dass es für einen Knacki, abgesehen von einer noch erfolgreicheren Getreideernte, unmöglich war, etwas zu verpassen.
Die Nachmittage verbrachte ich über irgendeinem Buch gebeugt und trieb zwischen den Kapiteln Gymnastik. In der übrigen Zeit schlummerte ich so vor mich hin.
Die Tage vergingen.
Nach zwei Wochen meldete sich Borrmann mit seinen beiden Lakaien zurück. Er begehrte zu wissen, ob ich meine Meinung geändert habe. Natürlich hatte ich diese nicht geändert. Warum auch? Zur Güte, und um ihm zu zeigen, dass ich durchaus willens war, bot ich ihm an, mir einige Tage Gesellschaft zu leisten.
Natürlich war das völliger Humbug. Natürlich suchte ich ihn zu provozieren. Ich wollte ihn aus der Reserve locken, seinen Feindseligkeiten und Bedrohungen, die mich auch ohne Worte und Gestiken erschreckten, etwas entgegensetzen. Bloß keine Schwäche zeigen; am Ende springen die einem ohne Vorwarnung an die Kehle. Natürlich war mir nicht klar, was ich tat. Und natürlich wusste ich nicht, worum es eigentlich ging.
Borrmann, der sich zwei Schritte vor mir aufgebaut hatte, kam auf mich zu. Ohne mit der Wimper zu zucken bettete er seine rechte Faust in mein schutzloses Gesicht. Sie traf mich mit voller Wucht. Na, ich war ja vielleicht baff. Mit so manchem hatte ich gerechnet, nur nicht damit. Seine Antwort hatte mich derart übertölpelt, dass ich das Gleichgewicht verlor und rücklings aufs Bett fiel.
Ein gefundenes Fressen für den Stänkerer. Auf sein Kommando hin packten mich alle drei, drehten mich auf den Bauch, zerrten Arme und Beine in die Länge und fesselten sie mit Handschellen an die Ecken des Bettgestells. Abscheulich, wie sie meine Hilflosigkeit ausnutzten. Einer, ich konnte ihn nicht erkennen, weil ein anderer meinen Kopf zur Wand gedreht festhielt, warf eine Decke über mich.
"Wer darf zuerst, Klaus?"
"Ich!", sagte Borrmann.
Und schon hielt einer, kurz darauf drei Bummis auf meinem Rücken Einzug. Die gingen wirklich stramm zur Sache. "Auaaaa!", sagte ich langgezogen und lachte. "Auaaaa! Hör sofort damit auf, Klausi!"
Ich lachte laut und schluckte an den rasenden Schmerzen des einsetzenden Trommelwirbels, der, so als klebte ich an einer verdammten Hochspannungsleitung, aus meinem Körper ein dunkles, heftig krampfartig zuckendes Pferdedeckenbündel machte. Ein Solo für drei. Ich verstummte und biss, um nicht aufzuschreien und ihnen ein Gefühl des Erfolgs zu vermitteln, wild in den Kopfkissenbezug.
Den Klausi hätte ich mir wohl besser gespart. Zu spät. Du weißt, mit den Zuckungen werden augenblicklich auch die Schmerzen gehen. Bitte, ich mag nicht mehr zucken.
"Dich biegen wir auch noch zurecht! Ich habe schon ganz andere Kaliber kleinbekommen! Lasst das Schwein liegen! Am Nachmittag zur Kammer und in Arrest mit dem! Die Tür bleibt bis dahin offen! Du bleibst hier und passt auf die Sau auf!"
Ein furchtbar netter Mensch, mein Klausi. Aber er schrie. Ja, er brüllte tatsächlich. Ich hatte ihn herausgelockt. Und noch etwas ließ mich frohlocken: Borrmann gestand, dass er nicht weiter wusste. Üblicherweise schlägt sich das in Formulierungen wie, dass man auch schon ganz andere kleinbekommen habe nieder. Jedes abschreckende Moment musste zwangläufig in die Hose gehen, wenn man die Beinkleider seiner Ausweglosigkeit so offensichtlich herunterlässt.
Lasst mich zucken! Lasst mich zucken!
Als ich hörte, dass einer von ihnen einen Stuhl über die Fliesen zog und es sich auf ihm vor der offenstehenden Zelle bequem macht, kam ich nicht umhin zu sagen: "Also, von zweien habe ich was verspürt. Na ja, etwas. Aber von dem dritten... das war bestimmt unser Klausi mit seinem Kleinmädchenschlag."
"Halt deine Fresse, sonst gibt's was ohne Decke!"
"Na gut. Dann bedanke ich mich ganz artig."
"Schnauze!"
Recht hatte er insofern, als dass ihre Bummis ohne dem Schutz einer Decke weitaus schlimmere Verwüstungen auf meinem Rücken hinterlassen hätten. Aber auch mit Decke konnten sie ganz ordentliche Schäden an beispielsweise den Nieren verursachen.
Das zärtlich Bummi genannte Schlagwerkzeug war in Fachkreisen als gemeiner Totschläger bekannt. Es bestand aus drei biegsamen Teleskopgliedern an dessen vorderem Ende eine Stahlkugel eingelassen war. Dieses Gegengewicht bewirkte, dass sich bei jedem Schlag die dunkel-braun gummierten Glieder liebevoll an die jeweilige Rundung schmiegte; die Spitze mit der Kugel herumpeitschte und garantiert irgendwo am Körper einen Gruß hinterließ. Schlugen sie etwa von vorn auf die Schulter, passten sich die Glieder kaum spürbar den Konturen der Schulter an. Die Kugel aber schlug schmerzvoll auf dem Rücken ein. Betäubender Schmerz und Blutergüsse waren, mit etwas Glück, das Resultat dieses teuflischen Instruments, das klein und handlich wie ein Mini-Regenschirm an jedem Schließerhandgelenk baumelte.
Draußen auf dem Flur verkündete ein piepsendes Stimmchen, es habe Mittagessen für mich.
"Der will heute nichts", wies ihn mein Aufpasser ab.
"Doch, ich will!", rief ich so laut es meine ungemütliche Pose erlaubte.
"Schnauze da drinnen! Und du hau mit dem Futter ab!"
Wie lange ich verknotet im Bett lag, vermochte ich nicht genau abzuschätzen. Es mussten Stunden - oder auch Monate - gewesen sein, und ich musste dringend mal auf den Topf.
"Wenn ich schon kein Essen bekomme, kann ich dann wenigstens aufs Klo?"
Wer so lange wie ich auf dem Bauch liegend ans Bett gefesselt ist, der entwickelt seine eigene Logik.
"Nix da!"
"Ich muss pissen! Dringend!"
"Mach meinetwegen in die Hose!", empfahl er und lachte gehässig.
Nachdem der Druck von meiner Blase gewichen war, bat ich ihn, meine Wäsche wechseln zu dürfen. Irgendwie musste ich seine Anweisung falsch interpretiert haben, denn er kam zur Tür hereingestürzt, traktierte mich mit seiner Phallusprothese und schrie hysterisch: "Die alte Drecksau! Pinkelt diese Sau doch Tatsache ins Bett! Diese Drecksau!"
Und es war so schrecklich, so verdammt schmerzvoll, doch ich lachte. Ich lachte laut und handelte mir zusätzliche Schläge ein. Na bitte: Programm auswendig gelernt. Nahm er vielleicht an, ich lache über ihn? Wie Recht er doch hatte.
"Hauptwachtmeister!"
"Die Drecksau hat ins Bett gepinkelt", verteidigte er kleinlaut sein Tun.
"Raus! Raus! Raus!"
Borrmann stand unmittelbar neben mir. Ich roch seine schweißgetränkte Unterwäsche. Oder war es Rasierwasser?
"Halt! Nehmen Sie ihm die Fessel ab."
"Ich bitte darum", murmelte ich und summte eine Melodie. Ich glaube, die eines Kinderliedes.
Murrend löste er die Eisen. Ich rollte mich auf die Seite und sah hinauf zu Borrmann. Und jetzt reichts mir. Endgültig! Morgen lasse ich mich kopieren. Dann kannst du auf den anderen eindreschen.
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