Sie schaute mich verdutzt an und kräuselte dabei ihre Stirn.
ICH: »Nur so daher gesagt, aber wenn doch…«
GINA: »Hast du hoffentlich etwas Schönes zu essen in deinen Einkaufstüten«, ergänzte sie und zeigte mit ihrem Finger auf die vollgepackten Tüten.
ICH: »Soweit wird es schon nicht kommen. Für das Hackfleisch wird es aber ohnehin schon zu spät sein. Sehr ärgerlich.«
GINA: »Ich esse kein Fleisch. No, no!«
ICH: »Bist du Vegetarierin oder sogar vegan?«
GINA: »Vegan leider noch nicht hundertprozentig, aber ich lebe vegetarisch. Was das Kochen mit meinem Ex aber auch nicht immer angenehm machte.«
»Wie sehr ich das Wort Ex-Freund hasse«, dachte ich mir. Ich überlegte, ob ich auf den Ex-Kerl wieder eingehen sollte, aber ich entschloss mich letztendlich dagegen.
ICH: »Gute Einstellung«, antwortete ich lapidar.
GINA: »Wieso isst du Fleisch? Weißt du, wie die Tiere gehalten werden? Weißt du, was die alles für Mittel ins Fleisch geben?«
ICH: »Ich bin da wohl der Gewohnheits-Fleischesser. Esse aber auch nicht viel und wenn nur Bio. Ich achte schon auf gute Qualität«, antworte ich ihr höflich, anstatt ihr zu sagen, wie scheißegal mir die Tiere in Wirklichkeit waren.
GINA: »Ich kann das mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren«, und schüttelte dabei den Kopf.
ICH: »Ich finde das sind schon irgendwo Luxussorgen, denn vor 100 oder 200 Jahren konnte man da nicht so darauf achten.«
GINA: »Da lebten die Tiere aber nicht in der Massentierhaltung und da wurde auch keine Chemie ins Fleisch, beziehungsweise in die Tiere, gespritzt.«
ICH: »Bei dem Thema kann man sich schnell in die Haare kriegen. Ich akzeptiere aber deinen Standpunkt voll und ganz. Vielleicht sollte ich mir das nochmal genauer durch den Kopf gehen lassen«, entgegnete ich ihr, um nicht auf Kriegsfuß mit ihr zu gelangen.
Sie nickte mir einsichtig zu und strich sich wieder durchs Haar. Ein eleganter Anblick: Grazil und charmant zugleich.
GINA: »Zum ersten Mal wünsche ich mir die Fahrstuhlmusik zurück, wie die im Aufzug auf meiner Arbeit«, sprach sie mit einem gequälten Lächeln.
ICH: »Sicher läuft da auch im Sommer die Instrumental Version von Last Christmas oder es dudelt ständig nur I did it my way , stimmt´s?«
GINA: »Ach, das wäre noch schön. Da läuft nur Klassik. Also: Bach , Vivaldi , Beethoven, Chopin, Wagner, Mozart und wie sie alle heißen.«
ICH: »Da kennt sich aber jemand aus.«
GINA: »Mein Ex spielt Klavier und von denen hat er einige Stücke geprobt. Ich kenne die wichtigsten klassischen Werke mittlerweile in und auswendig.«
Schon wieder sagte sie das Wort, welches ich bei einem Gespräch mit einer Frau am wenigsten hören mag. Ich ignorierte es wieder und nickte ihr nur einmal kurz, aber freundlich, zu.
ICH: »Aber du selbst hörst eher etwas anderes, nehme ich an?«
GINA: »Ich höre echt alles. Früher sogar mal Rock, aber mittlerweile darf es auch gern mal House sein. Und du?«
ICH: »Ich bin da auch sehr breit aufgestellt. Also, von Elvis über Metallica bis hin zu Marteria ist echt alles dabei.
GINA: »Da haben wieder etwas gemeinsam. Ich liebe Marteria . Der hat so schöne Auge – und macht natürlich tolle Musik.«
ICH: »Gute Musik auf jeden Fall, aber die hübscheren Augen hast eindeutig du.«
Sie verharrte für ein oder zwei Sekunden und begann dann zu lächeln. Es wirkte auf mich, als ob ihr langsam klar wurde, dass wir hier mitten in einem Flirt steckten.
GINA: »Süß«, antwortete sie nach ihrer kleineren Überlegungspause. Anschließend kramte sie in ihrer Handtasche und schaute erneut aufs Handy.
ICH: »Na, hast du nun ein Signal?«
GINA: »Nein, irgendwie immer noch nicht. Bei der Besichtigung letztens ging es mit dem Empfang ja auch im Fahrstuhl, weil Marc ja unbedingt die Fußballergebnisse wissen wollte und er sein Handy im Wagen liegen gelassen hatte.«
ICH: »Marc? Sicher dein…«
GINA: »Ex! Genau!«, ergänzte sie meinen Satz.
ICH: »Jetzt stecken wir hier fest und du hast obendrein auch noch Netzprobleme. Wenn mal etwas schiefläuft, dann meistens aber richtig.«
GINA: »So wird es wohl sein“, sprach sie leicht geknickt und steckte das Handy wieder ein.
ICH: »Man hängt ohnehin viel zu oft an den kleinen Dingern fest. Die Leute verbringen immer mehr Zeit mit ihren Handys, anstatt ihre Freunde zu treffen. Ich lege mein Handy oft ganz bewusst weg und schalte es übers Wochenende auch gerne einmal aus. Das nenn ich für mich: Freiheit!«
GINA: »Aber praktisch ist es schon. Ich habe eine Freundin in Berlin, die ich nicht mehr so oft sehen kann. Damit halten wir trotzdem immer engen Kontakt – hat alles seine Vor- und Nachteile. Es kommt ja auch immer auf die Intensität an, finde ich.«
ICH: »Genau. Klar, muss jeder selbst wissen, was er tut, aber für mich gilt: weniger Handy ist doch oft mehr. Bist du jemand, der viel und lange am Handy klebt?«
GINA: »Ja, ich bin schon leicht süchtig danach.«
ICH: »Also bist du immer bei Instagram und Facebook unterwegs und schaust, was andere so treiben? Kann auch runterziehen, wenn man überall Pärchen sieht, die verliebt sind –man selbst sich aber im Alleinsein testen muss- oder andere beim Traumurlaub zusehen darf. Das ist schon oft bitter.«
GINA: »Da gebe ich dir auch recht, Leon. Werde ich wohl in den nächsten Tagen und Wochen auch etwas reduzieren, weil´s mich sicher belasten wird, sollte ich da verliebte Pärchenbilder oder so was sehen. Das vertrage ich aktuell nicht so gut. Ganz zu schweigen, wenn mein Ex da etwas postet – den sollte ich unbedingt blockieren, sobald ich wieder Netz habe.«
ICH: »Sehr gute Idee. Das solltest du auch, weil sowas die Wunden immer wieder aufreißt.«
GINA: »Und wenn er es sich doch wieder anders überlegt?«, schaute sie mich fragend an.
ICH: »Dann soll er es dir verdammt nochmal ins Gesicht sagen und nicht das Ganze über Whatsapp beenden, um dann womöglich auf dem gleichen Wege wieder einen Rückzieher zu machen. Dann soll er Mann genug sein und persönlich zu dir kommen – er weiß doch, wo du wohnst.«
GINA: »Wie recht du hast.«
ICH: »Scheiß auf den. Zur Not kannst du dir ja Tinder laden. Ich denke, da werden dich einige Kerle anbeten.«
GINA: »Ne, dafür habe ich nichts über. Ich finde, eine Frau, die etwas auf sich hält, meldet sich da nicht an.«
ICH: »Wieso kommst du denn darauf?«, fragte ich ganz verdutzt und überrascht von ihrem unterschwellig aggressiven Tonfall ihres Satzes.
GINA: »Na, das ist doch billig und oberflächig sich dort den Männern wie eine Prostituierte anzubieten. Ich möchte einen richtigen Mann, der mich auf der Straße höflich anspricht oder sich halt im normalen, echten Leben mir gegenüberstellt. Heutzutage sprechen Männer kaum noch Frauen an, denn alles geht nur noch online. Ich kriege so viele Facebook -Nachrichten und Freundschaftsanfragen von wildfremden Männern. Außerdem habe ich mit einigen meiner Freundinnen, die es mal kurzzeitig ausprobiert hatten, darüber gesprochen und alle hatten mir davon abgeraten. Denn die haben so viele dumme Nachrichten bekommen wie: „ Hey, Süße. Hast du Bock auf Sex? “ oder „ Hallo, wir sollten uns zum Ficken verabreden “ . Ich habe keine Lust nur ein Sexobjekt für einen Mann zu sein«. Ihre Stimme wurde dabei immer aggressiver und fuhr fort: »So was ist echt nichts für mich und will ich auch gar nicht erst ausprobieren. Nutzt du das seitdem du solo bist?«
ICH: »Habe ich mal, aber auch eher, um mir selbst davon mal einen Eindruck zu verschaffen. Für mich ist das aber auch nichts. Habe eigentlich nur nach links gewischt, weil mir keine zusagte – klingt oberflächlich, aber mir gefällt einfach nicht jede. Bin sehr anspruchsvoll und extrem wählerisch.«
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