Ich nickte ihr zustimmend zu.
GINA: »Wenn die anderen Mieter, die vielleicht in geraumer Zeit dazukommen, aber auch so nett sind wie du, dann werde ich hier sicherlich sehr alt werden«, und begann zu lachen.
Wieder nickte ich ihr zustimmend und aufmerksam zu – untermalt von meinem freundlichsten Lächeln.
GINA: »Du wohnst alleine hier? Oder mit deiner Frau oder Freundin?«
ICH: »Ich wohne allein. Also, mittlerweile allein. Meine Ex und ich sind hier vor 5 Jahren zusammen eingezogen, aber seit etwa einem Jahr wohne ich hier nun allein«, und ich senkte dabei meine Stimme.
GINA: »Da sagst du ja was…«
Ich: »Wieso?«, fragte ich skeptisch.
GINA: »Mein Freund - oder jetzt eher - Ex-Freund, hat mich gestern per Whatsapp abserviert.«, sie senkte ebenfalls ihre Stimme und zog ihre Mundwinkel für einen Augenblick nach unten.
ICH: »Oh, was? Das gibt’s doch nicht. Genau das hatte meine Ex bei mir damals auch gemacht.«
GINA: »Nein, echt?«, und guckte mich dabei, mit offenem Mund, erstaunt an.
ICH: »Ja, mein Ernst. Ist wohl modern heutzutage das so zu machen. Sowas ist absolut unpersönlich und widerlich. Da kann man doch zumindest den Mumm beweisen und es persönlich machen, oder?«
GINA: »Sehe ich genauso. Er meldet sich auch gar nicht mehr. Habe ihm mindestens 20 Nachrichten geschickt und auch versucht anzurufen – keine Reaktion. Nur eine lausige Nachricht und das war´s?«, sagte sie recht wütend.
ICH: »Da haben wir ja schon zwei Gemeinsamkeiten. Wir leben nicht nur unter einem Dach, sondern leben beide auch im Club der einsamen Herzen – oder besser gesagt: Im Club der einsamen und versehrten Herzen.«
GINA: »Ich kann es noch immer gar nicht fassen. Einfach aus dem Nichts. Er meint, er habe jemanden kennengelernt und will nun ein anderes Leben führen. Nach fünf Jahren? Einfach so?«, fuhr sie immer noch recht wütend fort.
ICH: »Die Liebe ist wie schwarzer Honig. Süß und aufwendig, durch viele kleine Einzelteile produziert und doch dunkel wie die Nacht.«
GINA: »Da stimme ich dir zu. Das wird mich noch sehr lange mitnehmen.«
ICH: »Glaube ich dir. Ein gebrochenes Herz verändert Menschen, aber ich wünsche dir, dass du schnell darüber hinweg kommst. Viele dumme Sprüche gibt es da ja, die Freunde immer ganz schnell zu einem sagen; aber ich glaube, du weißt, was ich meine.«
GINA: »Du meinst zum Beispiel: „Auf jeden Topf passt ein Deckel“ oder „Das wird schon wieder“?«
ICH: »Genau die und ungefähr drei Millionen weitere kluge Sprüche..«, und rollte dabei die Augen nach oben.
GINA: »Ich hab seit gestern schon ungefähr die Hälfte davon gehört.«
ICH: »Ich kenne sie echt alle, aber das Einzige, was wirklich hilft, ist…«
GINA: »Na..?«, unterbrach sie interessiert.
ICH: »Ablenkung und Zeit.«
GINA: »Hm. Trotzdem tut es so verdammt weh. Ist zwar nicht meine erste Trennung, aber die mit der längsten Beziehungszeit. Schließlich kann ich fünf Jahre nicht einfach so wegwischen, wie er es tut.«
ICH: «Absolut! Wie gesagt, ich kenn es und bei mir sind die Wunden frisch verheilt. Bei jedem Auto, das wie ihres aussah, dachte ich, dass sie es sein könnte und mein Herz blieb jedes Mal beinahe stehen: Bei jeder, die ihr Parfüm trug, musste ich fast heulen und bei vielen Orten, an den wir zusammen waren, musste ich oft langfahren - das hat mich einige Monate wirklich sehr belastet.«
GINA: »Hör bloß auf…«, seufzte sie, während ihre Augen aussahen, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen.
ICH: »Ich glaube, wir reden lieber über etwas anderes«, und berührte für einen kurzen Moment, mit meiner rechter Hand, ihren linken Oberarm.
GINA: »Momentan bin ich nicht so glücklich.«
ICH: »Das kommt schon wieder, denn glücklich sein funktioniert wie ein Muskel. Erstens: Man kann es durch harte Arbeit trainieren. Zweitens: Wo einmal etwas aufgebaut wurde, kann man schnell wieder etwas aufbauen.«
Sie lächelte mich für einen kurzen Augenblick an, ehe sie wieder etwas nachdenklich wirkte.
ICH: »Was sind denn die drei wichtigsten Dinge, die man über dich wissen sollte?«, und versuchte damit vom Thema Liebe abzudriften.
GINA: »Über mich als Mieterin oder jetzt so generell?«
ICH: »Gern beides«, und lächelte sie höflich dabei an.
GINA: »Also, als Mieterin bin ich ruhig, sauber und hilfsbereit. Ich denke als Mensch so generell bin ich ehrgeizig, positiv eingestellt und besitze ein großes Herz – oft nur zu groß, da es andere oft ausnutzen. Und bei dir?«
ICH: »Als Mieter teile ich die gleichen Eigenschaften mit dir und als Mensch bin ich ein sehr aufgeschlossener, experimentierfreudiger und spontaner Typ.«
GINA: »Was machst du beruflich?«
ICH: »Ich bin selbstständig. In der Webbranche. Nichts sonderlich interessantes und du?«
GINA: »Ich bin Bankkauffrau.«
ICH: »Du hast eine tolle Figur, wenn ich dir das mal so direkt sagen darf.«
Sie lächelte etwas beschämt und wurde rot im Gesicht. Ich hatte sie mit diesem doch etwas plumpen Satz etwas aus dem Konzept gebracht.
GINA: »Danke«, sagte sie mit leiser verlegener Stimme, während ihr Blick kurz von mir abwich und zum Boden ging.
ICH: »Du machst sicher sehr viel Sport, oder?«
GINA: »Ich bin vier bis fünf Mal die Woche im Gym.«
ICH: »Ich bin auch so alle zwei Tage da. Ich hasse es, wenn die Leute immer ewig lange an den Geräten miteinander reden, anstatt zu trainieren«, und rollte dabei kurz die Augen.
GINA: »Ja! Schlimm, oder? Mich starren dazu ständig Kerle an. Manchmal nervt auch das, aber ich denke mir dann immer: „Gina, lass sie ruhig gucken. Du bist eine hübsche Frau, da ist es normal.“«
Erst wusste ich gar nicht, was ich auf diesen Satz antworten sollte. Sie sagte ihn trocken und ohne die Miene zu verziehen. Irgendwie klang es eingebildet, aber immerhin war sie nicht wieder kurz davor zu heulen.
ICH: »In welchem Gym bist du?«
GINA: » BodyWorldFitness24 und du?«
ICH: »Würde ich dir das verraten, würdest du mich da ja stalken«, antwortete ich ihr ironisch und zwinkerte ihr dabei zu.
GINA: »Das wüsste ich aber«, erwiderte sie ebenfalls im gleichen ironischen Tonfall.
ICH: »Und wenn du nicht in der Bank arbeitest und zum Sport gehst? Was machst du dann so?«
GINA: »Schaue viele Serien und lese auch hin und wieder ein gutes Buch. «
ICH: »Ich auch – zumindest schau ich viele Serien. Da haben wir ja wieder was gemeinsam. Was guckst du denn so? Die typischen Frauenserien wie Grey´s Anatomy oder Gossip Girl ?«
GINA: »Na, klar. Aber nicht nur. Ich mag auch Dexter , True Detective oder sowas.«
ICH: » Dexter ist super. Eine Serie mit einem ordentlichen Serienende, denn da…«
GINA: » Nein, nein! Bloß nicht spoilern! Ich bin aktuell bei der letzten Staffel«, unterbrach sie mich.
ICH: »Oh, sorry. Ist aber eine super Serie. So viel sei gesagt: Lohnt sich sie zu Ende zu schauen. The Sopranos haben zum Beispiel ein fürchterliches Ende. The Shield auch. Falls dir die Serien etwas sagen?«
GINA: »Ne, die sagen mir nichts. Aber ich werde die meiden, wenn ich die beim Stöbern nach neuen Serien auf Netflix sehe.«
ICH: »Besser so. Wenn du eine neue Serie brauchst, kannst du mich jederzeit gerne fragen.«
GINA: »Ich werde bestimmt mal drauf zurück kommen.«
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es waren erst zehn Minuten vergangen, seitdem ich auf den Notknopf gedrückt hatte. Daher betätigte ich den Knopf prophylaktisch noch ein paar Male.
ICH: »Na, hoffentlich müssen wir hier nicht die ganze Nacht noch herumhängen.«
GINA: »Wieso denn auch? Du sagtest doch, dass es das letzte Mal auch schnell ging.«
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