Zwecklos, dazu keinesfalls in der Lage, denn von dem Miauen meiner Katzengötter langsam aber sicher in den Wahnsinn getrieben, entschied ich mich dagegen, dem Kaffeevollautomaten zu gehorchen. Erst einmal euch füttern , dachte ich. Danach duschen und dann einen erneuten Versuch mit Simone wagen, das sollte mein nächster Leitfaden der Zeiteinteilung sein.
Gedacht - getan. Nachdem ich die Katzen zu ihrer vorläufigen Zufriedenheit versorgt hatte und sie dank des Futters, außer gefräßigem Schmatzen, still waren, schnappte ich mir meine Kleidung und begab mich ins Badezimmer.
Das Duschen lief - bis darauf, dass das Wasser munter zwischen kalt und heiß wechselte - ereignislos ab. Der Blick in den Spiegel allerdings nicht.
Konnte es sein, dass der graue Haaransatz einfach so über Nacht gewachsen war? Und dieses zerknitterte, fremde Gesicht, wer bitte war das? Ja, Ja, jede Falte erzählt eine Geschichte. Ein Satz, den ich immer wieder gerne in meinem Sprachschatz benutzte. Er klang ja auch richtig schön und beruhigend. Aber wenn aus der Geschichte - sowie heute bei mir – im eigenen Gesicht ein ganzer Roman wurde, versagten auch diese Worte des Trostes. Die kläglichen Versuche, durch Make-up, Wimperntusche und eine nicht so ganz fesche Frisur, etwas daran zu verändern, scheiterten.
Noch genervter wie zuvor verließ ich das Bad ohne Socken, da ich diese im Kleiderschrank liegen gelassen hatte. Um dann gleich in die Hinterlassenschaften einer meiner Katzen zu treten. Wunderbar dieses Gefühl unter meinem Fuß, mit dem - wer auch immer von den haarigen Ungeheuern - mir wohl verdeutlichen wollte, dass das Futter nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war.
Willkommen in meiner Welt und es kann ja nur besser werden , formte ich meine Gedanken, um wenigstens einigermaßen ruhig zu bleiben, während ich das Katergeschenk an meinem Fuß und auf dem Boden beseitigte.
Geschafft! Zurück ging es zu Rüdiger-Simone, mit der Mission, endlich einen Kaffee zu bekommen. Diesmal zeigte „Euer Gnaden“ Einsicht und endlich konnte ich mein: „Hallo-Werde-Wach- Getränk“ genießen.
Genießen? Pustekuchen!
Unsere Küchenuhr, auf die mein Blick fiel, belehrte mich eines Besseren. Bei all dem Drama heute Morgen hatte ich die Zeit komplett vergessen. Sie mich allerdings leider nicht! Gnadenlos tickte der Zeiger und hätte die Uhr ein Gesicht gehabt, hätte es mir wohl einen vorwurfsvollen Ausdruck gezeigt. Mir blieben noch ganze zehn Minuten bis zum Arbeitsbeginn! Das bei einer Strecke, für die ich etwa fünfzehn Minuten benötigte, um sie zu bewältigen. Das bedeutete im Klartext, auch heute würde ich erneut, zu spät erscheinen.
Meine Jacke und Tasche greifend und ohne Frühstück, hastete ich los zur Garage, meinen Fahruntersatz zu holen. Jedenfalls hatte ich das so geplant. Aber nicht nur der Kaffeevollautomat demonstrierte mir heute seine Macht, das Fahrrad tat es ebenso. Ein Plattfuß offenbarte sich mir und zeigte, dass das Rad krankheitshalber keinesfalls in der Lage war, seiner Verpflichtung nach zu kommen. „Gut, ganz ruhig Brauner!“, flüsterte ich mir zu und lief, während ich mir die Jacke anzog, schnellen Schrittes los.
Ich brauchte fünfundzwanzig Minuten. Viel zu lange, um pünktlich bei meiner Arbeit anzukommen. Dem entsprechend fielen der Blick sowie der Tonfall meines Chefs, mit dem er mich begrüßte, aus. Auch das „Na auch schon aufgestanden“ trug kaum zu meiner Erheiterung bei. Dass ich pudelnass war, da es unterwegs wie aus Eimern geregnet hatte, ließ kein Mitgefühl bei ihm aufkommen und so fiel auch sein Verhalten den restlichen Vormittag aus. Wenige nette Worte und genaue Beobachtung meiner Leistung begleiteten mich die nächsten Stunden.
Naja, meine Arbeit Leistung zu nennen, wäre schon irgendwie übertrieben gewesen. Alles was daneben gehen konnte, ging auch daneben. Es schien fast so, als ob ich von „Beruf-Schuld!“ auf der Stirn geschrieben stehen hatte.
Unzufriedene Kunden, da ich die Aufträge und somit die Sträuße versemmelte, verfolgten mich. Auch die Bemühungen meiner Arbeitskollegen, mich aufzuheitern, schlugen fehl. Ihr „Nun lächle mal, ist doch alles nur halb so schlimm!“ erreichte das Gegenteil. Es nervte mich und meine Mundwinkel wanderten statt nach oben immer tiefer nach unten. Die herannahende Mittagspause erschien mir wie das Licht am Ende des Tunnels.
Endlich zwölf Uhr und ich machte mich auf den Weg zurück nach Hause, um dann zwei Stunden vor der Eingangstür zu hocken. Meinem Haustürschlüssel, ja dem ging es gut! Hing er doch im warmen Flur im Schlüsselkasten an seinen dafür vorgesehenen Harken.
Zwei Stunden saß ich also auf unserer Gartenbank vor dem Eingang, während die immer wieder vom Himmel fallenden Regentropfen mir Gesellschaft leisteten. Es gab niemanden in der Nähe, zu dem ich hätte gehen können, um dort meine Pause zu verbringen. Der Hoffnungsschimmer, das vorher vergessene Frühstücksbrot in meiner Tasche, fiel mir, frei nach Murphays Law, aus der Hand und auf den dreckigen Boden.
Nass, kalt und hungrig. Langsam bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Ich hatte so was von „die Schnauze voll“. Meine Hormone, die in dieser Zeit des Monats ihre Partyhütchen aufhatten, taten ihr Übriges und feierten- für sie- die Fete des Jahres. Schluchzend starrte ich dem Brot hinterher und verfluchte das Schicksal, das mir in meinen Augen wieder einmal grausam mitspielte.
Viel zu früh machte ich mich zurück auf den Weg zur Arbeit und kam somit überpünktlich an. Der überraschte Blick meines Chefs und der Mitleidige der Arbeitskollegin, verbesserte meine Laune keinesfalls.
Meckernd, jammernd und fluchend verbrachte ich die nächsten Stunden, in denen jede Ecke, jedes Hindernis, gegen das man laufen konnte, mir gehörte. Wie oft ein ,,Aua“ meine Lippen verließ, war nicht mehr zählbar. Als krönenden Abschluss, kurz vor Feierabend, stolperte ich über meine eigenen Füße, als ich die Blumentische hereinschob und fiel auf den Hosenboden - mitten in eine Pfütze. Ach wie liebte ich doch mein Leben!
Endlich neigte sich der Arbeitstag dem Ende zu und der Feierabend war da. Mein Magen knurrte laut und ich hoffte, mein Mann wartete bereits mit dem Essen auf mich. Wenigstens brauchte ich die Strecke nicht zurück laufen. Eine Arbeitskollegin hatte Erbarmen und fuhr mich mit ihrem Auto nach Hause!
Essen, das auf mich wartete? Leider nein!
Mein Mann war davon ausgegangen, dass ich es mittags vorbereitet hatte. Naja, er konnte ja nicht wissen, dass dieses für mich unmöglich gewesen war.
Die Küche hatte er tunlichst gemieden und so fiel ihm nicht auf, dass nichts, was einem Essen auch nur ähnelte, auf dem Herd stand. Dass der Haustürschlüssel am Schlüsselbord hing, bemerkte er erst, als ich klingelte. Zu spät, um noch etwas aufzutauen und zu kochen. Statt des leckeren saftigen Koteletts, dem Blumenkohl mit Sauce Hollandaise und den Kartoffeln, auf die sich mein hungriger Magen gefreut hatte, musste dieser jetzt mit aufgebackenen Brötchen und kargem Aufschnitt vorlieb nehmen.
Missmutig kaute ich darauf herum und sagte keinen Ton. Auch mein Mann verhielt sich schweigsam, was wahrscheinlich für ihn auch das Beste war. Mein Gesichtsausdruck musste für ihn Warnung genug gewesen sein. Doch kaum hatte ich den letzten Bissen heruntergeschluckt, legte ich los. Haarklein erzählte ich ihm jede Einzelheit des Tages, unterbrochen von fluchen, weinen und schimpfen. Seine Versuche, mich zu beruhigen, verpufften wirkungslos, denn ich steigerte mein Gezeter dadurch umso mehr. Wie konnte es sein, dass er, statt mich zu trösten, immer wieder sagte: „Ach komm, so schlimm war es doch auch nicht!“.
Verstand er denn nicht? Ich brauchte Trost, Mitgefühl und was tat er? Er spielte diesen, für mich, furchtbaren Tag herunter. Das Ende vom Lied - ein Streit - beendete unser Gespräch.
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