„Liebes“, begann er, „willst du nicht Nelly nehmen und für eine Zeit zu Marie fliegen? Da kommt ihr beide ein bisschen zur Ruhe.“
Katja sah ihren Mann an, der ein besorgtes Gesicht machte.
„Vielleicht hast du recht. Ich werde ihr das gleich mal vorschlagen. Willst du nicht mitkommen?“
„Ich bleibe hier und helfe Benni. Du hast die Erholung nötiger und Nelly sowieso. Da kommt sie. Frag sie!“
Nelly kam mit Wuschel angerannt, der einen kleinen Ball gefunden und stolz zum Weingut getragen hatte. Sie ließ sich außer Atem auf die Bank fallen, wo Katja und Christian zur Seite gerutscht waren.
„Das war gut! Ich bin wie verrückt mit ihm gerannt. Guckt mal, wie kaputt Wuschel jetzt ist.“
Der kleine Hund lag hechelnd unter der Bank, der Ball neben ihm.
Katja legte einen Arm um Nelly und fragte nun sanft: „Was hältst du davon, wenn wir morgen zu Marie fliegen? Nur wir beide. Dort können wir uns ausruhen und auf andere Gedanken kommen.“
„Das hört sich gut an, Mama. Papa, kommst du auch mit?“
„Ich bleibe und helfe den anderen.“
„Gut, dann nur wir beide, ja, Mama, das ist eine gute Idee. Zwei Wochen?“
Katja nickte und griff nach ihrem Handy, um Marie anzurufen. Die freute sich und fragte voller Sorge, wie Nelly damit zurechtkam, dass sie beinahe gestorben wäre. Katja sagte nur, dass sie alles in Südfrankreich besprechen würden und Marie verstand. Katja konnte im Moment nicht reden. Die Frauen legten auf und Katja lief ins Büro, um nach einem Flug zu suchen. Christian ging an die Arbeit, die bis zum Abend fertig sein musste.
Nach Feierabend saßen sie zusammen in der Küche und die Frauen berichteten von ihren Reiseplänen. Katja hatte für den kommenden Nachmittag einen Flug bekommen, also mussten sie nachher packen. Christian bot an, sie zum Flughafen zu bringen.
Marius hatte Nelly still und traurig angeschaut. Sie bemerkte sein düsteres Gesicht und nickte ihm zu.
„Es sind doch nur zwei Wochen. Ich komme wieder, wirklich.“
„Was soll ich denn ohne dich machen?“
„Na, schaffen“, sagte nun Benjamin mit einem freundlichen Lachen. „Du machst deine Sache gut und kannst hier gerne die ganzen Ferien arbeiten. Oliver freut sich auch über deine Gesellschaft, nicht wahr.“
Oliver nickte nur und kaute weiter. Nun atmete Marius auf und lächelte.
„Gut, dann ist das ja geklärt“, sagte Christian sachlich. „Und wer holt morgen die Brötchen? Lasst uns nochmal schön zusammen frühstücken, ehe ihr wegfliegt.“
Oliver meldete sich immer noch kauend. Christian nickte, damit war alles in Ordnung und sie verabschiedeten sich, um nach Hause zu laufen, wo Nelly und Katja je eine Tasche mit den nötigsten Sachen packten. In dieser Nacht schlief Nelly endlich mal ohne Träume. Auch Marius war heimgefahren und pünktlich zum Frühstück wieder im Weingut.
Nachdem sie den Tisch gedeckt hatten, saßen beide unter der Kastanie und warteten auf Oliver und die Brötchen.
„Ich habe … ich habe meinen Eltern noch gar nichts erzählt …“, begann Marius.
„Was?“
„Dass Gabriel wieder in meinem Leben gelandet ist. Mir ging es damals nicht so gut. Und das mit dir. Meine Mutter wird entsetzt sein.“
„Was heißt, es ging dir nicht so gut?“, fragte Nelly, die ahnte, dass er ihr auch nicht alles gesagt hatte.
Marius stand auf und streckte sich. Er wollte nicht darüber reden und wechselte geschickt das Thema.
„Hast du alles gepackt?“
„Ja“, sagte Nelly mit einem Stirnrunzeln, aber sie wollte nicht weiter nachfragen, nicht heute.
Sie horchte in sich hinein und spürte eine große Sehnsucht, aber die Angst und die bösen Erinnerungen waren stärker und überdeckten alles. Wieder lief ein Schauer über ihren Rücken, wenn sie daran dachte, dass sie hätte tot sein können.
Oliver war früh aufgestanden und hatte sich auf den Weg zum Bäcker gemacht. Er klemmte sich die Brötchen-Tüten unter den Arm und wollte gerade los, da stieß er vor dem Laden mit Simona zusammen.
„Guten Morgen“, grüßte er höflich.
„Oh Oliver, dich habe ich hier nicht erwartet. Bist du wieder mal zum Arbeiten im Weingut?“
„Ja, wie immer in den Ferien.“
„Sind die anderen im Urlaub? Dann kann ich dich ja mal besuchen.“
„Du weißt noch gar nichts, oder?“
„Was soll ich wissen?“
„Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf, jetzt, wo ihr beide zerstritten seid.“
Simona starrte ihn an. Was war denn passiert? Hatte sie etwas Spannendes verpasst oder gar ein Unglück?
„Ich muss los“, hörte sie Oliver sagen.
„Halt, warte mal! Bitte sag mir, ist etwas passiert? Du siehst so bedrückt aus.“
„Gabriel und Martin wollten Nelly umbringen.“
„Nein!“
Mehr konnte Simona nicht sagen, sie sank auf die Treppenstufen des Ladens. Oliver setzte sich neben sie und stellte die Brötchen ab.
„Scheiße. Oliver, bitte sag mir, ob es Nelly gut geht! Ist sie daheim? Oder im Krankenhaus?“
„Sie ist im Moment im Weingut. Wir frühstücken gleich und dann fliegt sie heute mit ihrer Mutter nach Südfrankreich. Willst du mitkommen?“
Oliver sah Simona mit seinen blauen Augen an und wartete auf eine Antwort.
„Ich weiß nicht, ob sie mich sehen will, nach allem, was gewesen ist. Aber warum haben die Typen das denn gemacht?“
„Komm mit und frage sie selbst. Ich denke, ihr habt euch etwas zu erzählen, oder?“
Simona nickte und stand auf. Sie nahm Oliver eine Tüte ab und gemeinsam trabten die beiden schweigend nebeneinander her zum Weingut, wo Nelly mit Marius unter der Kastanie saß.
„Simona? Du hier?“
Nelly war aufgestanden und schaute ihre ehemals beste Freundin traurig an.
„Ich habe Oliver eben getroffen. Er hat mir gesagt, was passiert ist. Es tut mir so leid.“
Oliver nahm Simona die Brötchen ab und nickte Marius zu, ihm zu folgen. Die beiden Männer verschwanden im Haus und die Mädchen setzten sich.
„Simona, es war alles nur ein Spiel.“
„Was?“
„Gabriel und ich.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Es war alles geplant. Nachdem er mich auf dem Fest geküsst und Martin davon erzählt hatte, haben die beiden einen miesen Plan ausgeheckt und durchgeführt. Ich war so blind.“
„Was für einen Plan?“
Nun berichtete Nelly ausführlich, was das Ziel der beiden Männer gewesen war und wie sich alles abgespielt hatte.
„Und dann haben sie mich betäubt und einfach in den Rhein geworfen.“
Simona liefen die Tränen herunter und auch Nelly weinte wieder.
„Das ist ja furchtbar. Wenn ich das gewusst hätte! Es tut mir so leid. Kannst du mir verzeihen? Wie bist du denn da wieder herausgekommen?“
„Marius ist mir den ganzen Tag hinterhergefahren. Er hatte ein ungutes Gefühl. Er ist ins Wasser gesprungen und hat mich gerettet.
„Oh, wie romantisch! Darum sitzt er hier bei dir. Seid ihr jetzt zusammen?“
Das war wieder typisch Simona, aber nun musste Nelly lächeln. Ihre Freundin war noch die alte, die sich in erster Linie Gedanken um die Liebe machte.
„Nein, wir sind nicht zusammen. Ich habe keine Lust auf neue Geschichten mit einem Mann. Wir sind nur Freunde.“
Das hörte Marius, der aus dem Haus gekommen war, um die Mädchen zum Frühstück hineinzubitten. Es war ein Stich ins Herz, aber er ließ sich nichts anmerken.
„Der Kaffee wird kalt, Mädels. Komm, Simona, du sollst mit uns frühstücken.“
Simona erhob sich und drückte Marius die Hand.
„Du bist ein Held, mein Lieber. Entschuldige, dass ich immer so blöd zu dir war. Nelly, kannst du mir verzeihen? Es wäre toll, denn so haben die blöden Kerle nicht ganz gewonnen, wenn auch Paolo weg ist.“
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