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© 1967 Kolbenheyer-Gesellschaft e. V.
E-Book-Ausgabe: © 2019 Kolbenheyer-Gesellschaft e. V.
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Dich zu erfassen, erster Augenblick
Des eingebornen Gottes, sei’s gebüßt
Mit abertausend Stunden Schaffensqual!
Der harte, süße Offenbarungsstrahl,
Kraft meines Volkes Sehnsucht schmersz gegrüßt
Und lebenzeugend, er war mein Geschick.
Aus seinem Chaos schlug die lichte Welle,
Die, Gott verzehrend in der eignen Glut,
Die Farben all der wirren Schöpfungsflut
In eins verschmolz zur diamantnen Helle.
Der heilige Bischof Ulrich kommt aus dem Schlaf auf, das fühlt Margarete deutlich an sich, als läge sie bei ihm in seinem Himmelbette zu Augsburg. Die ihn geweckt hat, ist Sant Afra, strahlend von Angesicht. Aus Karmesinseide ist ihr Rock, und der Schleier steht in steifen Falten um ihre Wangen, um Schultern und Arme. Der Vater hat ihn aus Venedig mitgebracht, es ist Baldechino, zum Brechen schwer und mit Goldfäden durchflitzt. Doch der Rock wirft leichtere Falten als der Schleier, und Sant Afra schürzt ihn hoch, bis ans Knie hinauf, als sollte der heilige Bischof die Korduwanstiefelchen sehen. Da sie den Schleier unter die Brust gerafft hat, muß sie den Rock unziemlich mitgefaßt haben. Das geschieht Sant Afra. Der Mutter Gottes geschähe es nie. Und die Männer haben einen losen Zug um den Mund, wenn sie von der Heiligen sprechen. Die blutjunge Margaret hat es nicht einmal nur beobachtet. Schuhe aus rotem Korduwan, die hätte sie auch gezeigt, jedem, nur nicht so hoch wie die Heilige …
Sankt Ulrich muß sich erheben und dem Wink seiner Weckerin folgen. Margaret fühlt, wie sich ihre Seele loslöst. Sie schwebt mit auf das Lechfeld, wo der Zwölfbot Sankt Peter sitzt. Viele Bischöfe und Märtyrer stehen um ihn. Sankt Peter langt in seinen Bart und zieht zwei Schwerter heraus wie der Schwertschlucker und Feuerfresser auf dem Andrämarkt im Herbst. Das eine Schwert hat keinen Griff und müßte ihn schneiden, wäre er kein Heiliger, denn er ballt die Faust fest um die Klinge. Das andere Schwert hebt Sankt Peter am Griff hoch hinweg über alle Heiligen und über Sankt Ulrich; der Arm wächst in den Himmel. Und es wallen Schrei und Klage ringsum auf, die Glocken gellen hell und wogen dumpf, und es schwillt eine Röte von der brennenden Erde am Himmel hoch aus dem Qualm der Dörfer …
Da öffnet Margaret die Augen. Die Hornplatten des Fensterladens leuchten in feuerrotem Schein. Es stürmt gell und dumpf, keine Matutinglocke – die klingt dünn und einsam in der Nacht. Das volle Geläut stürmt. Und es ist auch der rote Morgen nicht vor dem Fenster. Die Sonne geht seit Ostern dort nicht mehr auf. Margaretes Herz schlägt. Sie preßt die Hände dagegen. Im Färbergäßchen klirrt es und schreit es, sie laufen in Waffen.
Gute Mutter Gottes und lieber Herr Heiland! Sie liegt unter dem Dach, und Werde brennt! Sie springt aus der schmalen Lade, streift das Gewand vom Schemel, zieht den Schemel ans Fenster, das hoch in die Schräge eingebaut ist; sie bringt den Riegel kaum auf. Dann sehen die großen, starren Kinderaugen in die blutrote Nacht. Es brennt im Ried. Die Fronfischer brennen. Das Färbertor steht schwarz gegen die Helle mit dem steilen Schindeldach.
Die schmalen Finger legen sich vor die Lippen, und sie möchte weinen, aber die Furcht hält sie, als dürfe sie nicht vernehmlich werden vor dem, was da unten geschieht. Des römischen Kaisers Leute sengen die Riedfischer. Der Kaiser ist bei ihnen, das haben sie am Tage die Mauer heraufgeschrien, einer im Waffenrock, zwei Posaunen bei ihm. Werde soll sich vorsehen und öffnen, die Majestät stünde in eigener Person vor den Toren, und davor müsse Werde fallen.
Auch Margaret weiß, was es heißt, wenn eine Stadt lange geschlossen war und mit Gewalt aufgetan wird, stürmender, sengender, schützender Hand.
Und der Vater liegt bei der Scheppbacher Freundschaft in Hochstätt, er muß die Röte am Himmel sehen, muß wissen, daß Werde brennt, und kann nicht heim, kann nicht zu der Agnes-Mutter in ihrer schweren Stund.
Da tropfen ihr die Tränen langsam aus den weiten Augen. Sie muß denken, daß die Not den Vater auf die Knie gezwungen hat, und daß er weicheren Sinnes betet und betet, denn er muß meinen, daß seine Stadt brennt. Er sieht nur die Röte, er weiß nicht, daß es nur die Fronfischer sind, bei denen es aufgeht.
Der Gedanke, ihr Vater erlitte große Qual, macht Margaret besonnen, sie wischt sich langsam über ihr Gesicht. Sie soll nicht länger auf dem Schemel stehen und schauen. Es muß eins fertig sein und gewärtig der strengen Dinge. Die anderen sollen sich nicht kümmern müssen um sie. Margaret rafft sorgsam das lange Hemdlein, das sie gegen das Abdecken im Schlafe trägt, denn sie ist noch ein Kind und darf nicht nackend liegen. Sie steigt herab und trägt den Schemel zurück an seinen Ort. Sie schlüpft ins Kleid und nestelt es zu, fährt in die Schuh. Da stutzt etwas in ihr. Sie sieht die Schuhe fremd an: unscheinbar und gelb sind sie … nicht … rot. Margaret sucht eine Weile, als müsse sie an rote Schuhe denken. Wie von Wärme und Brandruch, den ein Windstoß durch das Fenster haucht, wird ihr Trauminneres angefacht für eines Augenblickes Weile. Dann schrecken sie der Geruch und die unzeitige Hitze in die Wirklichkeit: Es weht stadtwärts. Die Wörnitz ist wohl zwischen dem Ried und der Stadt und die Mauer, und dann ist noch das Färbergässel herauf, aber steil genug ist es und voll Häuser. Strohdächer sind darunter, kein Funke darf hinein.
Behutsam schleicht sie auf den Gang und ruft: „Ann, bist do?“
Niemand antwortet. Der Verschlag der alten Magd, die sie am Abend mit hinaufgenommen hat, daß sie unten nicht abseits liege und nicht immer wieder versucht sei zu horchen, ist leer, die Lattentür nur angelehnt. Margaret steht in der Finsternis und lauscht in das Haus nieder. Da hört sie es auch, die Mutter schreit immer noch. Agnes-Mutter, so still sonst, daß es zuweilen scheint, es sei aller Laut von ihr genommen! Die Mutter hat eine schreckliche Stimme in ihrer Not, und das Gesicht ist ihr blaß und hohl geworden ober dem schweren Leib. Margaret weiß, daß in der Mutter das Kindlein liegt, nicht erst seit gestern weiß sie es. Sie haben alles gerichtet, sie hat es gesehen, Windeln, Kissen, Schnürbänder; die Wiege ist neu gefüttert und ausgebettet – darin sei auch sie gelegen, haben sie erzählt. Auch sie. Wie war sie dort hineingekommen? Auch das Kind muß noch kommen. Kommt es wie sie? Wie wird es kommen? Der Mutter ist weh, und das Kind ist in ihr.
Die Frauen waren gestern bis in den späten Abend da. Die Kathrin-Muhm, die Höchstätterin, die immer mit dem Schleier wedelt und so laut lacht, aber sie ist behutsam gewesen und hat nicht gelacht, die alte Trugenhovin, die Elsbeth-Muhm, die Barwichin – die ist ihr von allen Frauen die liebste, sie hat immer ein Wort, das nicht aus der Höhe herniederfällt, sondern eingeht und mitgeht. Die Münzmeisterin war auch da, und gleich mit einem Korb voll Eiern, viel zu früh. Sie sind immer wieder gekommen und gegangen, gestern und vorgestern. Gestern hat die Barwichin der Mutter Bilsenkraut auf die linke Seite gebunden. Margaret hat es selber geholt. Und es ist ein giftiges Kraut, sie hat darnach die Hände mit einem nassen Tuch wischen müssen. Es hat im Haus nach Lorbeer gerochen, es riecht noch darnach, wenn man genau hinunterschnuffelt. Die Ann hat den Topf siedigheiß aus der Küche gebracht, der Lorbeer war darin.
Die Ann war aber unzufrieden. Sie hat beim Heraufgehen gesagt: ein Paternoster in Sankt Margaretens, ihrer Heiligen, Namen umlegen, das sei das Beste in Kindsnot. Sie solle doch ihre Heilige bitten für Kindsnot. Und das hat Margaret lange und von ganzem Herzen getan, der Heiligen auch fleißig das Wunder Gottes vorgehalten, durch das sie hat heilig werden dürfen: wie sie der Drache verschlungen hat, wie dem Drachen mit Gottes Hilfe der Bauch geplatzt ist, daß die heilige Margaret als wie ein Kindlein wieder hervorgegangen ist. Die arme Agnes-Mutter muß leiden. Daß Gott bald an ihr lasse die gleiche Gnad geschehen, wie sie an dem Drachen und der heiligen Margaret geschehen ist!
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