Dann steckte Moti Guj die Hände in die Taschen, kaute einen Baumzweig als Zahnstocher, schlenderte auf der Plantage umher und verhöhnte die andern Elefanten, die bereits an ihre Arbeit gegangen waren.
Chihun meldete dem Pflanzer den Stand der Dinge, worauf dieser sich sofort auf den Schauplatz begab und wütend mit der Hundepeitsche knallte. Moti Guj erwies dem weißen Mann sogleich die Ehre, ihn eine Viertelmeile weit auf der Ausholzung in den Lüften umherzuschwenken und ihn dann in seine Veranda zu »hrrumpen«. Sodann stellte er sich vors Haus, wiegte sich erheitert hin und her und gluckste spaßhaft in sich hinein, wie das nun einmal Elefantenart ist.
»Wir werden ihn verhauen, wie noch nie ein Elefant verhauen worden ist!« schimpfte der Pflanzer. »Man gebe Kala Nag und Nazim jedem eine zwölf Fuß lange Kette; sie sollen ihm damit zwanzig Schläge geben.«
Kala Nag, was soviel heißt wie »Schwarze Schlange«, und Nazim waren zwei der größten Elefanten aus der Herde, und eine ihrer Obliegenheiten bestand darin, die schwereren Strafen auszuteilen, denn ein Mann ist nicht imstande, einen Elefanten zweckentsprechend zu verprügeln.
Sie traten pflichtgemäß an, nahmen die Peitschketten, rasselten sie in ihre Rüssel hinein und schritten auf Moti Guj zu, um ihn in die Mitte zu nehmen. Nun war Moti Guj während seines neununddreißigjährigen Lebens noch nie geprügelt worden und neuen Erfahrungen abhold. Er wartete kalten Blutes, wiegte den Kopf von rechts nach links und erwog genau, an welcher Stelle in Kala Nags fetter Flanke wohl ein Stoßzahn am tiefsten eindringen könnte. Kala Nag selbst besaß keine Zähne mehr; nur die Kette war das Abzeichen seiner Amtswürde, - er zog es deshalb vor, noch im letzten Augenblick möglichst weit von Moti Guj abzurücken und so zu tun, als habe er die Kette lediglich zu seinem Vergnügen mitgebracht. Auch Nazim drehte sich auf dem Absatz um und strebte nach Hause; - zum Prügeln fühlte er sich an diesem Morgen nicht aufgelegt. Und so blieb Moti Guj allein auf dem Platz zurück, die Ohren wie Schirme ausgebreitet.
Das bestimmte den Pflanzer, klein beizugeben, denn mit einem Elefanten, der nicht arbeiten mag und überdies nicht angebunden ist, kann man nicht so leicht fertig werden. Moti Guj trollte sich, um die Pflanzung in Augenschein zu nehmen, klatschte seinen alten Kameraden leutselig auf den Rücken und fragte sie spöttisch, ob das Baumstümpfeausreißen auch gut vonstatten gehe, redete dann allerhand Unsinn über die Arbeit an sich und über das Recht der Elefanten auf eine lange Mittagspause, kurz, er demoralisierte, von einem zum andern gehend und bis zum Sonnenuntergang aufrührerische Ansprachen haltend, die ganze Plantage, worauf er sich zu den Futtertrögen verfügte.
»Wenn du nicht arbeiten willst, dann sollst du auch nicht essen«, sagte Chihun ärgerlich. »Du bist ein wilder Elefant, schäm dich! Du bist überhaupt kein gebildetes Tier. Geh in dein Dschungel zurück!«
Da kroch Chihuns kleines, braunes Baby aus der Hütte heraus und reckte die fetten Ärmchen nach dem ungeheuren Elefantenschatten vor der Türe. Moti Guj wußte ganz genau, daß es Chihun das Liebste auf der Welt war; deshalb machte er mit dem Rüssel einen einladenden Haken, und sofort stürzte sich das Kleine mit einem Jauchzen darauf. Moti Guj hob es sofort zwölf Fuß hoch in die Luft über den Kopf seines Vaters, wo es laut zu krähen begann.
»Großer Häuptling!« schrie Chihun entsetzt, »die allerbesten Mehlkuchen, zwölf an der Zahl, und zwei Fuß breit und in Rum eingeweicht will ich dir auf der Stelle geben und zweihundert Pfund frischgeschnittenes Zuckerrohr dazu, nur geruhe in Gnaden, diesen wertlosen Knirps, der mein Herz und mein Leben ist, wieder sicher niederzusetzen!«
Moti Guj senkte das braune Baby behutsam zwischen seine riesigen Vorderfüße hinab, mit denen er Chihuns ganze Hütte spielend in Brei hätte verwandeln können, und wartete auf das versprochene Futter. Fraß es. Das braune Baby krabbelte von hinnen. Dann überließ sich Moti Guj dem Schlummer und träumte von Deesa. Eins der vielen Rätsel, die den Elefanten umgeben, ist, daß sein ungeheurer Körper fast keines Schlafes bedarf. Vier oder fünf Stunden genügen - zwei vor Mitternacht liegt er auf der einen Seite und zwei nach ein Uhr auf der andern. Der Rest der stillen Stunden wird mit Fressen, mit Hin- und Hertreten von einem Fuß auf den andern und mit langen gebrummten Selbstgesprächen verbracht.
Um Mitternacht nun schritt Moti Guj aus seinem Abteil heraus, denn es war ihm der Gedanke gekommen, Deesa könne möglicherweise irgendwo im dunkeln Walde herum liegen ohne Schutz und Bewachung. Deshalb jagte er die ganze Nacht schnaubend und trompetend und die Ohren schüttelnd durch das Unterholz. Ging hinunter an den Fluß und gab Trompetensignale über die Furt hinüber, wo ihn Deesa zu waschen pflegte; aber keine Antwort kam zurück. Er konnte Deesa nirgends erblicken, hingegen wachten alle Elefanten der Herde auf, und eine Zigeunerbande floh in wildem Entsetzen.
In der Morgendämmerung erschien endlich Deesa auf der Plantage. Er war schwer bezecht und sah seiner Bestrafung mit Fassung entgegen; er wußte gar wohl, daß er seinen Urlaub überschritten hatte, und atmete befreit auf, als er sah, daß das Bungalow und die Pflanzung noch unbeschädigt dastanden, denn er hatte, im Hinblick auf Moti Gujs Temperament, bereits das Schlimmste befürchtet. Mit vielen Salaams und noch mehr Lügen meldete er sich. Moti Guj weste ab. Er hatte sich zum Frühstück begeben, Die nächtliche Forschungsreise hatte ihn hungrig gemacht.
»Ruf dein Vieh her!« befahl der Pflanzer ärgerlich. Deesa schrie etwas in der geheimnisvollen Elefantensprache, die, wie viele Mahouts glauben, aus China herübergekommen ist, - bei Erschaffung der Welt - als noch Elefanten und nicht Menschen die Herren der Erde waren. Moti Guj horchte auf und kam sogleich. Elefanten laufen nie im Galopp; sie bewegen sich fort mit wechselnder Geschwindigkeit. Wenn ein Elefant einen Expreßzug einholen wollte, würde er auch nicht galoppieren, aber einholen würde er ihn bestimmt. So langte Moti Guj vor der Tür des Pflanzers an, ehe noch Chihun bemerkt hatte, daß er im Stalle fehlte. Er fiel Deesa um den Hals, trompetete entzückt und beide betasteten sich dann gegenseitig von Kopf bis zu Fuß, ob auch keiner von ihnen Schaden genommen hätte.
»Jetzt wollen wir an die Arbeit gehen!« sagte Deesa. »Heb mich auf, mein Sohn und meine Freude!«
Moti Guj schwang ihn auf seinen Nacken, und dahin ging's zu der Kaffeeplantage, die lästigen Stümpfe ausreißen.
Dem Pflanzer aber verging der Zorn vor Staunen.
»Ohne priesterlichen Segen«
Ich erntete vor Frühling meinen Herbst.
Wie du verfrüht, mein Kornfeld, dich verfärbst!
Wie schmerzlich mich dein Rätsel überkommt,
Erwürgte und verdorrte Jahreszeit,
In Wachsens und in Sterbens Heimlichkeit!
Eh andre sahn den Tag, sah ich das Leid
Des Sonnenuntergangs, der Dunkelheit,
Ich, der ich weiß, was nicht zu wissen frommt!
I
»Was aber, wenn es ein Mädchen wird?«
»Herr meines Lebens, das kann nicht sein! Ich habe so viele Nächte hindurch gebetet und so oft Opfergaben zum Heiligenschrein Sheikh Badls geschickt, daß ich bestimmt weiß: Gott schenkt uns einen Sohn - einen Knaben, der zum Manne heranreifen wird. Denk daran und freue dich. Meine Mutter wird seine Mutter sein, bis ich wieder soweit bin, ihn zu mir zu nehmen, und der Mullah der Pattan-Moschee soll ihm sein Horoskop stellen. Gott gebe, daß er in einer günstigen Stunde geboren wird! Und - und dann wirst du meiner nie überdrüssig werden - meiner, deiner Sklavin.«
»Bist du denn je meine Sklavin gewesen?«
»Ja, seit jeher - von Anbeginn an - seit ich der Gnade teilhaftig geworden bin. Wie könnte ich deiner Liebe gewiß sein, wo ich doch weiß, du hast mich gekauft. Mit Silber!«
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