„Kennen Sie diese Frau?“
„Nein“
„Haben Sie diese Frau schon einmal hier in der Nachbarschaft gesehen?“
„Nein, ich sagte doch, ich kenne die Frau nicht und habe sie noch nie irgendwo hier oder anderswo gesehen.“
"Danke, sie haben mir sehr geholfen", beendet Janaina das Gespräch und verlässt das Grundstück des Mannes.
"Fragen Sie die anderen Leute hier in der Nachbarschaft, die können Ihnen bestätigen, was ich gesagt habe", ruft der Mann aufgeregt hinter ihr her.
Janaina befragt noch zwei andere Leute in der Nachbarschaft und zeigt ihnen auch das Foto vom Mordopfer. Diese bestätigen die Aussagen, dass die Zeugin, versucht Intrigen gegen Samires zu schüren. Die Frau auf dem Foto behaupten sie nicht zu kennen und nie gesehen zu haben. Janaina reichen diese Aussagen. Ob diese Spur weiter verfolgt werden soll, muss Charly entscheiden.
Sie verlässt die Nachbarschaft und geht zurück in Richtung ihres Autos in die Parallelstraße. Da angekommen sieht sie, dass ihr Wagen ein paar Meter nach vorne gerollt ist, weil sie vergessen hat die Handbremse zu ziehen und einen Gang einzulegen. Der Wagen versperrt jetzt eine Einfahrt eines Anwohners. Dieser, männlich zwischen 60 und 70 Jahren alt mit einem Vorbauch, steht dort neben seinem Mercedes Benz und schimpft lauthals.
„Hallo, hallo“, ruft Janaina dem Mann von weitem zu. „Das ist mein Wagen vor Ihrer Einfahrt.“
Als er sieht, dass eine attraktive Frau seine Einfahrt versperrt hat, beruhigt er sich und bemerkt in normaler Stimmlage:
„Endlich kommen Sie, eigentlich hätte ich schon vor einer halben Stunde weggemusst, aber so schlimm ist das nicht.“
„Entschuldigung, scheinbar hat die Handbremse versagt.“
„Das kann schon mal passieren. Wenn Sie das nächste Mal hier in der Gegend einen Parkplatz suchen, rufen Sie mich an. Ich habe noch eine zweite Garage, da passt Ihr Wagen noch rein.“ Der Mann überreicht Janaina seine Visitenkarte mit seiner Telefonnummer.
„Danke“, antwortet Janaina kurz mit dem Hintergedanken, dass sie wahrscheinlich bezüglich des aktuellen Mordfalles nicht mehr zurückkommen wird.
Als der Mann sieht, dass sie ein Corinthians-Shirt trägt, fängt an über das heutige Spiel zu witzeln:
„Oh eine Corinthiana. Ich habe eben das Spiel im Fernsehen gesehen. Ihr könnt auch nur auf den Schiedsrichter schimpfen.“
Janaina findet diese Anmerkung nicht sehr witzig, stellt sich vor den Mercedes und bricht den Stern ab.
„Ihr Mercedes-Fahrer denkt wohl, Ihr habt immer recht, und die Erde dreht sich um Euren Arsch!“
„Du spinnst wohl, Du kleine Schlampe!“
Der Mann wird wieder wütend, rennt auf Janaina zu und versucht Ihr eine Ohrfeige zu geben. Janaina kann aber den Angriff abwehren und greift den Arm des Mannes. Sie dreht den Arm den Rücken, dann zieht sie ihn bis zu ihrem Auto. Sie öffnet die Beifahrertür, holt aus dem Handschuhfach ihre Dienstpistole und hält sie dem Mann an den Kopf.
„Noch Fragen Fettsack? Eine falsche Bewegung oder ein falsches Wort, und ich blaß Dir das Hirn weg!“
Der Mann gibt keine Antwort. Er ist überrascht von der Gewaltbereitschaft und leistet keinen Widerstand
„Ich steig jetzt in mein Auto und fahre nach Hause. Wenn ich irgendwann oder irgendwo nochmal von Dir höre, komme ich zurück, und dann wird der Finger am Abzug meiner Waffe nicht so ruhig sein wie jetzt“, droht Janaina dem Mann, der jetzt mit dem Kopf auf Fronthaube von Janainas Wagen liegt.
„Ok, ok“, antwortet der Mann ängstlich.
Janaina zieht ihn von der Motorhaube und schubst ihn von sich. Dann steigt sie wortlos in ihr Auto und fährt davon.
Das Fußballspiel ist mehr als eine Stunde beendet, als Laura wieder in Capão Redondo ankommt. Sie hat auf dem Rückweg die gleiche Strecke wie zum Stadion gewählt. In der Estrada de Itapecerica nicht weit entfernt von der Metrostation Capão Redondo findet sie sich einen Parktplatz und stellt ihr Auto dort ab. Zu Fuß geht sie weiter. Nach ein paar Minuten Fußmarsch sieht sie ein Harbib's Schnellrestaurant. Sie beschließt hineinzugehen und sich umzuhören. An den Tischen befinden sich hauptsächlich kleine Gruppen von Jugendlichen mit drei bis fünf Leuten. Zwei Familien mit Kindern sitzen in der Nähe der Spielecke. Laura stellt sich an der Mitnahmetheke an und wird dann auch sofort von einer etwa 20-jährigen kleinen Frau bedient.
„Guten Tag, was bekommen Sie?“
„Drei Esfiha mit Käse, bitte!“
„Und zu Trinken?
„Ein Guarana“
„Das macht sechs Reais und 40 Centavos.“
Laura bezahlt den Betrag bar.
„Ich habe noch eine Frage. Wohnen Sie hier in der Nähe?“
„Ja, wieso?“
„Ich suche einen Bekannten, der heißt Pedro Garcia und wohnt eigentlich in Jardim Miriam auf der anderen Seite der Südzone. Sein Onkel hat einen Laden irgendwo hier in der Gegend.“
„Der Name sagt mir absolut nichts, aber vielleicht kennen ihn die Jugendlichen, die wohnen alle hier im Stadtteil“, antwortet die Bedienung und zeigt mit dem Finger auf die Tische, die mit Jugendlichen besetzt sind.
„Danke, ich habe es mir überlegt, ich will doch hier essen. Können Sie mir die Esfihas und das Guarana dort an den Tisch bringen?“
„Ja klar.“
Laura setzt sich an einen freien Tisch zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen. Die Gruppe auf ihrer rechten Seite besteht aus zwei Mädchen und einem Jungen. Es reden fast nur die Mädchen. Sie unterhalten sich über andere nicht anwesende Freundinnen von ihnen. Dann kommt auch schon ein Kellner mit Lauras Bestellung. An dem Tisch auf der linke Seite sitzen vier Jungen. Sie unterhalten sich über Fußball. Erst sprechen sie über die brasilianische Nationalmannschaft und deren Chancen bei der Weltmeisterschaft. Dann fängt einer an über das heutige Spiel zu reden:
„Habt Ihr heute Corinthians gegen Flamengo im Fernsehen gesehen? Die haben ganze Spiel nur reklamiert und sich über den Schiedsrichter aufgeregt, obwohl dessen Entscheidungen alle korrekt waren.“
Als Laura das hört, erhebt sie sich rasend von ihrem Stuhl und stürmt auf den Jungen am Nebentisch zu:
„Was erzählst Du da? Du hast doch keine Ahnung! Wenn der Schiedsrichter nicht gewesen wäre, hätten wir mindestens zwei Tore mehr gemacht und das Tor von Flamengo hätte auch nicht gezählt.“
„Setz Dich wieder, Alte ! Wenn die Tricolor das nächste Mal gegen Euch spielt, dann bekommt Ihr so viele Tore rein, dass Ihr nicht mehr mitzählen könnt.“
„Was, Alte? Du nennst mich Alte? Du kleiner Bastard!“ regt sich Laura auf und holt von ihrem Tisch ein Stück Esfiha und das Getränkeglas. Sie drückt die Esfiha mit der Käseseite in das Gesicht des Jungen, schüttet das Getränk über seinen Kopf und sagt triumfierend:
„So, da hast Du Deine Alte!“
Der Junge ist schockiert, schüttelt sich und sagt nichts. Da kommt auch schon Filialleiter hinter der Theke hervor, rennt auf Laura zu und packt sie am Arm:
„Was ist denn mit Ihnen los Sind Sie verrrückt? Verlassen Sie sofort das Restaurant, oder ich rufe die Polizei!“
Ohne Wort geht Laura zum Ausgang und verlässt das Restaurant.
Sie geht weiter auf der Estrada de Itapecerica und fragt Passanten nach Pedro Garcia. Nach zwei Dutzend negativen Antworten trifft sie auf einen jüngeren Mann, der etwas zu den Garcias sagen kann:
„Der Alfredo Garcia, der hat 150 Meter von hier ein Kiosk. Angeblich soll sein Neffe seit einigen Tagen bei ihm arbeiten.“
„Wissen Sie, wo Alfredo Garcia wohnt?“
„Weshalb wollen Sie das wissen?“
„Ich schulde Pedro Geld und will es jetzt zurückzahlen, denn ich muss morgen für längere Zeit verreisen. Damit er nicht denkt, dass ich flüchte, bringe ich ihm es lieber persönlich vorbei.“
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