Bereits vor der Krankheit war unsere Ehe durch die vergangenen vielen Umzüge sehr gestört, weil Helene die Ortswechsel nicht bewältigen konnte, die jedoch durch meinen Job erforderlich waren. Wir führten, jeder von uns, ein einsames Zusammenleben. Jetzt kam auch noch die Krankheit hinzu. Ich brauchte eine Person mit der ich mich aussprechen und mit der ich auch etwas Freude haben konnte. So kam Berta über Umwege in mein Leben. Helene wurde ihr vorgestellt, dabei war sofort eine gegenseitige Sympathie zu spüren. Helene war nie eifersüchtig, selbst dann nicht, als Berta und ich uns näher kamen und sie hin und wieder bei uns übernachtete. Für Berta war es jedoch nicht ganz so einfach. Sie wollte einen Partner haben und nicht einen verheirateten Mann.
Ende 2010wurde es schwierig für das Personal der Tagespflege, weil Helene nicht dorthin wollte und immer wieder versuchte, nach Hause zu gehen. Es war ja keine geschlossene Anstalt und somit konnte Helene leicht nach draußen gelangen. Man musste mich anrufen, damit ich Helene am Telefon sagen konnte, dass sie noch etwas warten muss, bis ich sie abholen werde. Manches Mal wurde ich 2- und 3-Mal angerufen.
Zum Schluss, es war Anfang 2011, wurde mir von dem Heim mitgeteilt, dass man Helene nicht mehr halten kann. Seit der Zeit ist sie zuhause und nimmt 100% meiner Zeit in Anspruch. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem Berta ganz bei uns einzog.
Es war ein Segen, dass ich Berta kennengelernt habe. Ohne Berta wäre ich nicht mehr in Lage, für Helene zu sorgen.
berichtet von Berta
An einem Freitag, im Jahre 2009haben wir uns kennen gelernt. Ich Berta, mein jetziger Mann Albert (wir sind nicht verheiratet, aber er ist mein Mann) und seine an Alzheimer erkrankte Ehefrau Helene, die ich aber erst eine Woche später kennen lernte. Es war der 11. September 2009,vormittags bei einem Spaziergang, ich erinnere mich ganz genau. Albert hatte damals schon das stattliche Alter von 73 Jahren erreicht und ich war mit meinen 60 Jahren auch nicht mehr die Jüngste.
Es war ein herrlicher, sonniger Herbstvormittag, als wir uns das erste Mal begegneten. Ich hatte eine Trennung und eine schlimme Krankheit hinter mir, und er erzählte mir von seiner an Alzheimer erkrankten Ehefrau, die er seit ca. 7 Jahren behüte und pflege. Er brachte seine Helene damals jeweils 2 x in der Woche in eine betreute Gruppe für Demenzkranke um ein bisschen freie Zeit für sich zu haben. Ich war neugierig und wollte natürlich seine Ehefrau auch kennen lernen und wir verabredeten uns für die kommende Woche in einem kleinen Restaurant zum Abendessen und es wurde so ein wunderschöner Abend zu dritt, sodass wir unser Treffen des öfteren wiederholten. Leider herrschte ein sehr kalter, aber dennoch höflicher Umgangston zwischen den beiden. Sie hatten sich irgendwie nichts mehr zu sagen…..
Mir erzählte sie stotternd (wie ein kleines Kind, das sprechen lernt ), dass sie Albert in Hamburg kennen gelernt hatte und sprach auch von ihren Eltern, wobei sie der festen Überzeugung war, dass sie noch lebten. Sie hatte vergessen, dass sie schon längst verstorben sind. Kurz und gut, wir Frauen fanden uns recht sympathisch und beim Abschied umarmten wir uns innigst, wie zwei alte Freundinnen und seit dieser Zeit trafen wir uns öfters.
Im September 2010verschlimmerte sich Helenes Krankheit. Eine einigermaßen verständliche Unterhaltung mit ihr war unmöglich, auch war sie oft sehr unruhig. Aber wenn ich zu Besuch kam, freute sie sich wie ein kleines Kind und nahm mich vollkommen in Beschlag. Zu jener Zeit brachte Albert seine Ehefrau dann 3 x in der Woche in die betreute Alzheimer Gruppe…….so hatten wir auch einige Stunden zu zweit alleine und konnten uns besser kennen lernen. Aus unserer anfänglichen Sympathie füreinander wurde Liebe und Alberts Frau war für mich wie eine liebe kleine Schwester, auf die ich aufpasste und mit der ich rumalbern konnte.
Anfang 2011verschlechterte sich Helenes Gesundheit so sehr, dass diese Gruppe sie nicht mehr aufnahm. Sie war weglaufgefährdet. Somit hatte Albert nun seine Ehefrau rund um die Uhr zu versorgen. Inzwischen wurde sie auch inkontinent. Er musste sie waschen und ankleiden….er war so verzweifelt, er hatte mit Helene einen 24-Stunden-Job. Albert ging es gesundheitlich sehr schlecht Er meinte und schlug mir vor, dass es doch für uns alle besser wäre, wenn wir zusammen wohnen würden. Ich überlegte nicht lange und zog zu den beiden in ihr Haus. So konnten wir uns die Arbeit mit Helene aufteilen. Wir waren alle drei glücklich und zufrieden ….und vor allem:
Und wir beschlossen an unserem 2. Jahrestag, ein Tagebuch zu führen. Dieses Tagebuch widmen wir unseren Kindern, unserer Familie und all’ unseren Freunden….zum besseren Verstehen unserer Dreierbeziehung.
Ich Berta, mein Mann Albert und seine an Alzheimer erkrankte Ehefrau Helene.
Die Namen der Beteiligten wurden geändert.
Sonntag, 11. September 2011
Heute vor 2 Jahren haben wir uns kennen gelernt….
Ich wache früh auf, quäle mich aus dem Bett….gehe runter in die Küche um mir wie immer zuerst einen Kaffee zu machen und siehe da…Schokolade, Schokolade von meinem Liebling….schöööööön….
meine Lieblingsschokolade, und bevor das Wasser für meinen Kaffee sprudelt, habe ich schon die Hälfte der Tafel verschlungen….ich habe den tollsten und besten Mann der Welt kennen gelernt, denke ich…soll ich mich gleich bedanken ?...nein, ich schleiche mich leise mit meiner Tasse Kaffee und der angebrochenen Tafel Schokolade am Schlafzimmer meines Liebsten vorbei, möchte ihn nicht wecken…gehe auf leisen Sohlen die Treppe hoch in mein Dach-juchhe…und verschlinge den Rest meiner Schokolade….trinke genüsslich meinen lauwarmen Milchkaffee und mache wie jeden Morgen meine Gymnastikübungen für meinen Rücken.
Später entdecke ich auch noch eine Tafel Schokolade neben unserem Bett, und auf dem Frühstückstisch liegt auch noch eine Tafel, der Tag fängt ja wunderbar für mich an. Nach dem Frühstück verdrücke ich die zweite Tafel und danach wird mir nur noch schlecht. Mein Magen verweigert jede weitere Aufnahme und ich muß mich übergeben. Am späten Nachmittag bekommen wir noch Besuch von unserem Freund George mit seiner reizenden Frau Ilse. War ein netter und lustiger Nachmittag und abends fahren wir dann noch zum Essen.
Mein Magen ist wieder OK. Ich esse eine Pizza und vorher gibt’s noch einen Italienischen Salat.
Helene, die an Alzheimer erkrankten Ehefrau meines Mannes, bekommt ein paniertes Schnitzel mit Pommes. Das Schnitzel wird klein geschnitten, so dass Helene mit den Händen essen kann. Sie ist heute aber etwas unruhig und abgelenkt. Grund ist folgender: Ein Tisch weiter, also hinter mir, sitzt ihr langjähriger Hausarzt, und dem lächelt Helene nett zu und dabei streicht sie ganz zärtlich immer über die Tischdecke….steht auf, streckt ihren Kopf Richtung Nachbartisch und schaut etwas unsicher mal rechts und links, ist auch unruhig… Albert möchte, dass sie sich wieder setzt…das ignoriert sie jedoch, sie wird immer ungeduldiger und auf einmal schaut sie fröhlich und mit strahlenden Augen zu ihrem Hausarzt, der ihr freundlich zunickt. Natürlich will sie zu seinem Tisch….ich sage: Albert, lass sie doch. Sie streichelt, faltet und streichelt wieder die Tischdecke und erhebt sich ganz langsam vom Tisch, geht dann schleichenden Schrittes zum Tisch hinter mir und strahlt ihren Hausarzt an (es müffelt etwas streng, ich glaube ihr Höschen ist überfüllt). Der Doktor begrüßt sie freundlich und spricht mit ihr ein paar nette Worte. Danach kommt sie wieder ganz gemächlich, mit einem spitzen Mündchen und schelmisch lächelnden Augen an unseren Tisch.
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