»Nein. Ich bin kein Spieler und habe auch nicht die Absicht, einer zu werden.«
»Recht so, junger Mann! Hier aber spielt fast Jedermann, und nach Mexico hinein wird es noch viel schlimmer; da spielt Mann und Weib, Katze und Maus, und die Messer sitzen nicht sehr fest. Erfreuen wir uns an einem Spaziergange! Dann essen wir und legen uns bei Zeiten auf das Ohr. In diesem gesegneten Lande weiß man ja niemals, ob, wie oder wo man sich des andern Abends zur Ruhe legen kann.«
»So schlimm wird es doch wohl nicht sein!«
»Ihr dürft nicht vergessen, Sir, daß Ihr Euch bisher nur in den Oststaaten befunden habt. Jetzt aber sind wir in Texas, welches bereits zum Westen gezählt werden muß, und dessen Verhältnisse noch bei Weitem nicht geordnet sind. Wir haben zum Beispiel vor, nach Austin zu gehen. Es ist aber sehr fraglich, ob wir dorthin kommen. Die Ereignisse in Mexico haben ihre Wogen auch über den Rio grande herübergewälzt. Da geschieht Manches, was sich sonst nicht zu ereignen pflegt, und überdies haben wir mit den Einfällen dieses Gibson zu rechnen. Wenn es ihm in den Sinn gekommen ist, die Fahrt nach Austin zu unterbrechen und irgendwo auszusteigen, sind wir natürlich gezwungen, dasselbe zu thun.«
»Aber wie erfahren wir, ob er von Bord gegangen ist?«
»Durch Nachfrage. Der Dampfer nimmt sich hier auf dem Colorado Zeit. Man hastet noch nicht so wie auf dem Missisippi und anderwärts. Es bleibt uns an jedem Orte ein kleines Viertelstündchen übrig, unsere Nachforschungen zu halten. Wir können uns sogar darauf gefaßt machen, irgendwo an das Land gehen zu müssen, wo es weder Stadt noch irgend ein Hôtel gibt, in welchem wir uns pflegen können.«
»Aber was geschieht in diesem Falle mit meinem Koffer?«
Er lachte laut auf bei meiner Frage.
»Koffer, Koffer!« rief er. »Einen Koffer mit zu nehmen, das ist noch ein Rest längst vergangener vorsintfluthlicher Verhältnisse. Welcher vernünftige Mensch schleppt ein solches Gepäckstück mit sich! Wenn ich Alles, was ich jemals während meiner Reisen und Wanderungen gebrauchte, hätte mitnehmen wollen, so wäre ich niemals weit gekommen. Nehmt mit, was für den Augenblick nothwendig ist; alles Uebrige kauft Ihr Euch zu seiner Zeit. Was habt Ihr denn in Eurem alten Kasten für wichtige Dinge?«
»Kleider, Wäsche, Toilettengegenstände, Verkleidungsstücke und so weiter.«
»Das sind alles ganz schöne Sachen, die man aber überall haben kann. Und wo sie nicht zu haben sind, da ist eben kein Bedürfniß dafür vorhanden. Man trägt ein Hemde, bis man es nicht mehr braucht, und kauft sich dann ein neues. Toilettensachen? Nehmt es nicht übel, Sir, aber Haar- und Nagelbürsten, Pomaden, Bartwichse und dergleichen schänden bloß den Mann. Verkleidungsgegenstände? Die mögen da, wo Ihr jetzt gewesen seid, ihre Dienste leisten, hier aber nicht mehr. Hier braucht Ihr Euch nicht hinter einer falschen Haartour zu verstecken. Solch romantischer Unsinn führt Euch nicht zum Ziele. Hier heißt es, frisch zugreifen, sobald Ihr Euern Gibson findet. Und – – –«
Er blieb stehen, betrachtete mich von oben bis unten, zog eine lustige Grimasse und fuhr dann fort:
»So, wie Ihr hier vor mir steht, könnt Ihr im Zimmer der anspruchvollsten Lady oder im Parkett irgend eines Theaters erscheinen. Texas aber hat mit einem Boudoir oder einer Theaterloge nicht die mindeste Aehnlichkeit. Leicht kann es geschehen, daß bereits nach zwei oder drei Tagen Euer feiner Anzug in Fetzen um Euch hängt und Euer schöner Cylinderhut die Gestalt einer Ziehharmonika erhalten hat. Wißt Ihr denn, wohin Gibson sich wenden wird? In Texas zu bleiben, kann unmöglich seine Absicht sein; er will verschwinden und muß also die Grenze der Vereinigten Staaten hinter sich haben. Daß er die Richtung hierher eingeschlagen hat, macht es über allen Zweifel erhaben, daß er nach Mexico will. Er kann in den Wirren dieses Landes untertauchen, und kein Mensch, auch keine Polizei wird Euch helfen, ihn empor zu ziehen.«
»Vielleicht habt Ihr Recht. Ich denke aber, wenn er wirklich nach Mexico wollte, so würde er direct nach einem dortigen Hafen gegangen sein.«
»Unsinn! Er hat New-Orleans so schnell verlassen müssen, daß er sich des ersten abfahrenden Schiffes bedienen mußte. Ferner befinden sich die mexicanischen Häfen im Besitze der Franzosen. Wißt Ihr denn, ob er von diesen etwas wissen will? Er hat keine Wahl; er muß den Landweg einschlagen und ist jedenfalls klug genug, sich an den größeren Orten nicht all zu viel sehen zu lassen. So ist es möglich, daß er auch Austin vermeidet und bereits vorher ausgestiegen ist. Er geht nach dem Rio grande, zu Pferde natürlich, durch wenig angebautes Land. Wollt Ihr ihm dorthin mit Eurem Koffer, Eurem Cylinderhute und in diesem eleganten Anzuge folgen? Wenn das Eure Absicht wäre, so müßte ich Euch auslachen.«
Ich sah freilich ein, daß er nicht Unrecht hatte. Vielleicht war der Blick, mit welchem ich an mir niedersah, ein wenig kläglich, denn er lachte abermals laut auf, klopfte mir auf die Achsel und sagte:
»Laßt es Euch nicht leid thun; trennt Euch getrost von diesem unpraktischen Anzuge. Geht hier zu einem Händler, um all Euern unnützen Krimskrams zu verkaufen, und schafft Euch dafür andere Kleider an. Ihr müßt unbedingt einen festen, dauerhaften Trapperanzug haben. Ich calculire, daß man Euch mit genug Geld versehen hat?« Ich nickte. »Nun, so ist ja alles recht. Weg also mit dem Schwindel! Ihr könnt doch reiten und schießen?« Ich bejahte mit vielem Nachdruck.
»Ein Pferd müßt Ihr auch haben, aber hier an der Küste kauft man sich keins. Hier sind die Thiere teuer und schlecht. Drin im Lande aber läßt Euch jeder Farmer eins ab, doch nicht auch einen Sattel dazu. Den müßt Ihr hier kaufen.«
»O weh! Soll ich etwa so laufen wie Ihr, mit dem Sattel auf dem Rücken?«
»Ja. Warum nicht? Genirt Ihr Euch etwa vor den Leuten? Wen geht es etwas an, daß ich einen Sattel trage? Keinen Menschen! Wenn es mir beliebt, so schleppe ich ein Sopha mit mir herum, um mich in der Prairie oder im Urwalde gelegentlich darauf ausruhen zu können. Wer da über mich lacht, dem gebe ich einen Nasenstüber, daß ihm alle möglichen Fixsterne vor den Augen funkeln. Man hat sich nur dann zu schämen, wenn man ein Unrecht oder eine Albernheit begeht. Gesetzt, Gibson ist mit William irgendwo ausgestiegen, hat Pferde gekauft und ist davon geritten, so sollt Ihr sehen, wie vortheilhaft es für Euch ist, sofort einen Sattel zur Hand zu haben. Thut, was Ihr wollt. Wenn Ihr aber wirklich wünscht, daß ich bei Euch bleibe, so folgt meinem Rathe. Entscheidet Euch also schnell!«
Er sagte das, ohne aber meine Entscheidung abzuwarten, faßte mich vielmehr am Arme, drehte mich um, deutete auf ein Haus mit einem großen Laden, über welchem in ellenhohen Buchstaben zu lesen war: » Store for all things «, und zog mich fort nach dem Eingang, gab mir einen Stoß, daß ich in den Laden und an ein offenstehendes Häringsfaß schoß, und schob sich dann schmunzelnd hinterdrein.
Die Firmenschrift enthielt keine Lüge. Der Laden war sehr groß und enthielt wirklich Alles, was man unter den hiesigen Verhältnissen nöthig haben konnte, sogar Sattel und Gewehre.
Die nun folgende Scene war einzig in ihrer Art. Ich glich geradezu einem Schulbuben, welcher mit seinem Vater vor der Jahrmarktsbude steht, seine Wünsche nur unter Zagen äußern darf und vielmehr das nehmen muß, was der erfahrene Vater für ihn aussucht. Old Death stellte gleich Anfangs die Bedingung, daß der Besitzer des Ladens meinen gegenwärtigen Anzug und auch den ganzen Inhalt meines Koffers mit an Zahlungsstatt anzunehmen habe. Der Mann ging gern darauf ein und schickte sofort seinen Storekeeper fort, den Koffer zu holen. Als derselbe ankam, wurden meine Sachen taxirt, und nun begann Old Death, für mich auszusuchen. Ich erhielt: eine schwarze Lederhose, ein Paar hohe Stiefel, natürlich mit Sporen, ein rothwollenes Leibhemd, eine Weste von derselben Farbe mit unzähligen Taschen, ein schwarzwollenes Halstuch, einen hirschledernen Jagdrock, ungefärbt, einen ledernen Gürtel, zwei Hände breit und innen natürlich hohl, Kugelbeutel, Tabaksblase, Tabakspfeife, Compaß und zwanzig andere nothwendige Kleinigkeiten, Fußlappen anstatt der Strümpfe, einen riesigen Sombrero, eine wollene Decke mit einem Schlitze in der Mitte, um den Kopf hindurch zu stecken, einen Lasso, Pulverhorn, Feuerzeug, Bowiemesser, Sattel, mit Taschen und Zaumzeug. Dann ging es zu den Gewehren. Old Death war kein Freund von Neuerungen. Er schob Alles, was neueren Datums war, bei Seite und griff nach einer alten Rifle, die ich jedenfalls gar nicht beachtet hätte. Nachdem er sie mit der Miene eines Kenners untersucht hatte, lud er sie, trat vor den Laden hinaus und schoß nach der Giebelverzierung eines sehr entfernten Hauses. Die Kugel saß.
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