»Wie, Sir, Ihr kennt mich? Wirklich?«
»Ich habe Euch noch nicht gesehen, aber dennoch sofort erkannt, als ich hereintrat. Ihr seid ein Scout, dessen Name bis hinüber zum las Animas erklingt.«
Nach diesen Worten wendete er sich wieder ab. Während seiner Rede hatte sich kein Zug seines ehernen Gesichtes bewegt – jetzt saß er still und scheinbar in sich selbst versunken da; nur seine Ohrmuscheln zuckten zuweilen, als ob sie sich mit etwas außer ihm Vorgehenden beschäftigten.
Indessen flüsterten die Rowdies immer unter sich weiter, sahen sich fragend an, nickten einander zu, und schienen endlich zu einem Entschlusse zu kommen. Sie kannten den Indsman nicht, hatten auch aus seiner Rede nicht geschlossen, wer er sei, und wollten nun wohl die Niederlage, welche sie uns gegenüber erlitten hatten, dadurch ausgleichen, daß sie ihn fühlen ließen, wie sehr sie einen rothhäutigen Menschen verachteten. Dabei mochten sie der Ansicht sein, daß es mir und Old Death nicht einfallen werde, uns seiner anzunehmen, denn wenn nicht wir es waren, welche beleidigt wurden, so hatten wir uns nach den herrschenden Regeln ruhig zu verhalten und zuzuschauen, wie ein harmloser Mensch moralisch mißhandelt wurde. Also stand Einer von ihnen auf, derselbe, welcher vorher mit mir angebunden hatte, und schritt langsam und in herausfordernder Haltung auf den Indsman zu.
Ich war sofort dazu entschlossen, Letzterem nöthigenfalls beizustehen, und zog meinen Revolver aus der Tasche, um ihn so vor mich auf den Tisch zu legen, daß ich ihn bequem erreichen konnte.
»Ist nicht nothwendig,« flüsterte Old Death mir zu. »Ein Kerl wie Winnetou nimmt es mit der doppelten Anzahl dieser Buben auf.«
Der Rowdy pflanzte sich breitspurig vor den Apachen hin, stemmte die Hände in die Hüften und sagte:
»Was hast Du hier in Matagorda zu suchen, Rothhaut? Wir dulden keine Wilden in unserer Gesellschaft.«
Winnetou würdigte den Mann keines Blickes, führte sein Glas an den Mund, that einen Schluck und setzte es dann, behaglich mit der Zunge schnalzend, wieder auf den Tisch.
»Hast Du nicht gehört, was ich sagte, verwünschte Rothhaut?« fragte der Rowdy. »Ich will wissen, was Du hier treibst. Du schleichst umher, um uns auszuhorchen, den Spion zu spielen. Die Rothhäute halten es mit dem Hallunken Juarez, dessen Fell ja auch ein rothes ist; aber wir sind auf Seiten des Imperators Max und werden jeden Indianer aufknüpfen, welcher uns in den Weg kommt. Wenn Du nicht sofort in den Ruf einstimmst: »Es lebe Kaiser Max«, legen wir Dir den Strick um den Hals!«
Auch jetzt sagte der Apache kein Wort. Kein Zug seines Gesichtes bewegte sich.
»Hund, verstehst Du mich? Antwort will ich haben!« schrie ihn der Andere jetzt in offenbarer Wuth an, indem er ihm die Faust auf die Achsel legte.
Da richtete sich die geschmeidige Gestalt des Indianers blitzschnell in die Höhe.
»Zurück!« rief er in befehlendem Tone. »Ich dulde nicht, daß ein Cojote mich anheult.«
Cojote wird der feige Prairiewolf genannt, der allgemein als ein verächtliches Thier angesehen wird. Die Indianer bedienen sich dieses Schimpfwortes, sobald sie Jemandem ihre höchste Geringschätzung ausdrücken wollen.
»Ein Cojote?« rief der Rowdy. »Das ist eine Beleidigung, für welche ich Dich zur Ader lassen werde, und zwar augenblicklich!«
Er zog seinen Revolver. Da aber geschah Etwas, was weder er noch ich erwartet hatten: Der Apache schlug ihm die Waffe aus der Hand, faßte ihn an den Hüften, hob ihn empor und schleuderte ihn gegen das Fenster, welches natürlich in Stücke und Scherben ging und mit ihm hinaus auf die Straße flog.
Das war viel schneller geschehen, als man es erzählen kann. Das Klirren des Fensters, das Heulen der Hunde, das zornige Aufbrüllen der Genossen des auf diese Weise an die Luft Beförderten, das Alles verursachte einen Heidenscandal, welcher aber von Winnetou’s Stimme übertönt wurde. Er trat auf die Burschen zu, deutete mit der Hand nach dem Fenster und rief:
»Will noch einer von Euch dort hinaus? Er mag es sagen!«
Er war einem der Hunde zu nahe gekommen. Dieser fuhr nach ihm, erhielt aber von dem Apachen einen Fußtritt, daß er sich winselnd unter den Tisch verkroch. Die Sklavenaufseher wichen scheu zurück und schwiegen. Winnetou hielt keine Waffe in der Hand. Seine Persönlichkeit allein war es, welche allen imponirte. Keiner der Angegriffenen antwortete. Der Indianer glich einem Thierbändiger, wenn er in den Käfig tritt und die Wildheit der Katzen mit dem Blick seines Auges niederhält.
Da wurde die Thüre aufgerissen, und der durch das Fenster Geworfene, dessen Gesicht durch die Scherben des Glases leicht beschädigt worden war, trat herein. Er hatte das Messer gezogen und sprang unter einem wüthenden Schrei auf Winnetou los. Dieser machte nur eine kleine Seitenbewegung und packte mit schnellem Griffe die Hand, welche das Messer hielt. Dann faßte er ihn grad so wie vorhin bei den Hüften, hob ihn empor und schmetterte ihn auf den Boden, wo der Rowdy besinnungs- und bewegungslos liegen blieb. Keiner der Gefährten des letzteren machte Miene, sich an dem Sieger zu vergreifen. Dieser griff so ruhig, als ob gar nichts geschehen sei, nach seinem Biere und trank es aus. Dann winkte er dem Wirth, welcher sich angstvoll nach der in sein Kabinet führenden Thüre zurückgezogen hatte, zu sich, nahm einen Lederbeutel aus dem Gürtel und legte ihm aus demselben einen kleinen gelben Gegenstand in die Hand, dabei sagend:
»Nehmt das für das Bier und für das Fenster, Master Landlord! Ihr seht, daß der »Wilde« seine Schuld bezahlt. Hoffentlich erhaltet Ihr auch von den Civilisirten Euer Geld. Sie wollen keine »Rothhaut« bei sich dulden. Winnetou, der Häuptling der Apachen, aber geht nicht, weil er sich vor ihnen fürchtet, sondern weil er erkannt hat, daß nur die Haut, nicht aber die Seele dieser Bleichgesichter von heller Farbe ist. Es gefällt ihm nicht bei ihnen.«
Er verließ das Local, nachdem er seine Silberbüchse ergriffen hatte, ohne noch irgend wem auch nur einen Blick zuzuwerfen; auch mich sah er nicht an.
Jetzt kam wieder Leben in die Rowdies. Ihre Neugierde aber schien größer zu sein als ihr Zorn, ihre Beschämung und auch ihre Sorge um den bewußtlosen Gefährten. Sie fragten vor allen Dingen den Wirth, was er erhalten habe.
»Ein Nugget,« antwortete er, indem er ihnen das über haselnußgroße Stück gediegenen Goldes zeigte. »Ein Nugget, welches wenigstens zwölf Dollars werth ist. Da ist das Fenster reichlich bezahlt; es war alt und morsch und hatte mehrere Sprünge in den Scheiben. Er schien den ganzen Beutel voll solcher Nuggets zu haben.«
Die Rowdies äußerten ihren Aerger darüber, daß eine Rothhaut sich im Besitze einer solchen Menge Goldes befinde. Das Goldstück ging von Hand zu Hand und wurde nach seinem Werthe abgeschätzt. Wir benutzten die Gelegenheit, um unsere Zeche zu bezahlen und uns zu entfernen.
»Nun, was sagt Ihr zu dem Apachen, Master?« fragte mich Old Death, als wir uns glücklich draußen befanden. »Kann es einen zweiten solchen Indsman geben?«
»Wohl kaum. Ich habe mir die berüchtigten Apachen freilich ganz anderes vorgestellt.«
»Glaube es. Doch dürft Ihr nicht vergessen, daß er der Einzige seiner Art ist, eine Ausnahme, welche vergeblich ihres Gleichen sucht. Die Schurken wichen vor ihm zurück, wie die Sperlinge beim Anblicke eines Falken. Wie schade, daß ich ihn nicht mehr sehe! Wir hätten ihm ein wenig nachgehen können, denn ich möchte gar zu gern wissen, was er hier treibt, ob er außerhalb der Stadt lagert oder in einem Gasthause sich niedergelassen hat. Er muß sein Pferd irgendwo eingestellt haben, denn ohne Roß ist nie ein Apache, und auch Winnetou nicht zu denken. Uebrigens, Sir, habt auch Ihr Eure Sache gar nicht übel gemacht. Beinahe wäre mir Angst geworden, denn es ist immer gefährlich, mit solchen Leuten anzubinden; aber die kühne und gewandte Art, mit welcher Ihr die Hundebestie bedientet, läßt vermuthen, daß Ihr nicht allzu lange Zeit ein Greenhorn bleiben werdet. Aber nun sind wir in der Nähe unseres Logementes ange kommen. Gehen wir hinein? Ich denke nicht. Ein alter Trapper wie ich, klemmt sich nicht gern zwischen Mauern ein, und ich habe am liebsten den freien Himmel über mir. Laufen wir also noch ein wenig in diesem schönen Matagorda umher. Ich wüßte nicht, wie wir die Zeit anders todtschlagen wollten. Oder liebt Ihr es vielleicht, ein Spielchen zu machen?«
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