"Es hat mich übel erwischt, Jed! Verdammt übel!" Die Stimme des Cowboys war nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen.
Und nach kurzer Pause fuhr er fort: "Bring du dich in Sicherheit, Jed!"
"Ich werde dich nicht zurücklassen!" sagte Jed entschlossen und packte Ross unter den Achseln.
Ross stöhnte auf.
Das ganze Bein war rot. Und die Wunde an der Schulter war auch nicht ohne.
"Ich kann nicht...", rief Ross. "Mein Bein..."
Jed packte ihn und versuchte, Ross in den Sattel zu hieven. Beim zweiten Versuch klappte es. Dann schwang Jed sich dahinter.
Er drückte dem Pferd in die Weichen, so daß es sofort lospreschte. Aus dem Staub heraus tauchten einige wütende Bullen auf, vor deren Mäulern Schaum stand. Jed riß das Pferd herum und wich den stur ihre Richtung behaltenden Tieren aus.
Es ging um kaum mehr als eine Handbreit, die zwischen den Hörnern und dem Bauch des Pferdes lag...
Ross stöhnte und sackte nach vorne. Jed mußte ihn mit dem linken Arm festhalten, so daß er nicht vorwärts aus dem Sattel rutschte.
Jed ließ den Gaul etwas langsamer laufen. Der Staubnebel wurde weniger dicht und dann tauchte wie aus dem Nichts plötzlich einer der Blauröcke auf.
Der Uniformierte zögerte nicht eine Sekunde.
Die Winchester hielt er bereits in den Händen. Blitzschnell hatte er die Waffe durchgeladen und legte sie an und Jed wußte, daß er nicht schnell genug sein konnte, wenn er jetzt den Colt aus dem Holster riß.
Er griff dennoch zur Hüfte, ließ die Waffe aber stecken und bog sie samt Lederholster in die Richtung seines Gegners. Nur den Bruchteil einer Sekunde später krachte bereits sein Schuß los und erwischte den Uniformierten Army-Reiter am Bein.
Auch der Blaurock schoß. Seine Winchester bellte fast im selben Moment auf und Jed konnte das Mündungsfeuer blitzen ehen.
Aber der Schuß ging dicht vor Jeds Gaul in den Boden, denn ein Ruck hatte den Blaurock erfaßt. Die Kugel, die ihn am Bein erwischt hatte, war bis in den Pferdeleib durchgegangen und ließ das Tier zusammenbrechen Während der Uniformierte alle Mühe hatte, bei dem Sturz nicht von seinem Pferd begraben zu werden, riß Jed die Zügel herum und preschte davon.
Einigen wilden Rindern mußte er noch ausweichen, dann erreichte er schließlich eine Anhöhe, auf der er und Ross wohl verhältnismäßig sicher waren.
Jed atmete tief durch.
"Ross?" fragte er, denn der Cowboy rührte sich nicht mehr und hing schlaff in den den Armen des jungen O'Malley-Sohns.
Jed faßte Ross an den Hals und suchte den Puls. Das Herz schlug noch, aber viel Leben war nicht mehr in dem Verletzten.
Wenn er noch eine Chance haben sollte, dann mußte so schnell wie möglich ein Arzt nach ihm sehen. Ross hatte viel Blut verloren und auch Jeds Sachen waren schon ganz davon besudelt.
Jed wandte sich im Sattel herum und blickte grimmig auf die davonpreschende Herde.
Die Herde donnerte gen Westen in Richtung des Rio Pecos.
Westlich des Pecos gab es kein Gesetz mehr und vielleicht war dort sogar das Ziel dieser merkwürdigen Bande von Uniformierten. Fort Hobbs lag jedenfalls genau in entgegengesetzter Richtung...
Nie und nimmer waren das Soldaten der US-Kavallerie - so schlecht die Meinung seines Vaters über die auch gewesen sein mochte!
Es waren Viehdiebe und Mörder - mochten sie eine Uniform tragen oder nicht.
"Verfluchte Hunde!" knirschte Jed O'Malley zwischen den Zähnen hindurch, als er die Blauröcke mitsamt der Herde davonziehen sah.
Jeds Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten.
Im Moment konnte er nichts tun, aber das letzte Wort in dieser Sache war noch nicht gesprochen...
*
Als Jed die O'Malley-Ranch erreichte, kamen ihm zwei Frauen entgegen. Die ältere war Laura O'Malley, seine Mutter, die jüngere hieß Beth, trug eine praktische Drillich-Hose und ein Männerhemd und war Jeds jüngere Schwester.
Gerade achtzehn war sie und selbst die unförmige Kleidung konnte ihre Schönheit nicht verbergen.
"Jed!" rief Laura O'Malley bestürzt, als ihr Blick auf den blutenden Ross fiel. "Mein Gott, was ist passiert?"
"Ich werde es dir gleich erzählen", sagte er düster.
"Wo sind dein Vater und die anderen?"
Jed sprang aus dem Sattel und packte sogleich wieder zu, damit Ross nicht herunterrutschte.
Er nahm den Verletzten auf den Rücken und schleppte ihn in Richtung des Ranchhauses.
Und dabei wandte er sich an Beth. "Setz dich auf den Gaul hier und reite zu Doc McCooney!"
"Aber..."
"Schnell! Es geht um Ross' Leben!"
Beth nickte. Sie nahm die Zügel des Pferdes, schwang sich hinauf und ließ das Tier lospreschen. Beth war eine hervorragende Reiterin. Sie würde genauso schnell beim Doc sein, wie einer der Cowboys.
Die nächste Stadt war Brownwell, aber der Doc brauchte für seine Praxis ein großes Haus und so hatte er sich nicht in der Stadt, sondern in einer nahegelegenen Ranch einge-richtet, die vor Jahren aufgegeben worden war.
Es dauerte nicht lange und Beth war hinter der nächsten Hügelkette verschwunden. Jed ging indessen ins Haus. Seine Mutter hatte die Tür vor ihm geöffnet.
"Wo willst du ihn hinlegen, Jed?"
"In mein Zimmer!"
Einen Augenblick später legte Jed den Verletzten vorsichtig auf sein Bett.
Ross' Atem war flach.
"Ich werde heißes Wasser machen", sagte Laura O'Malley und wandte sich zum Gehen.
Jed hielt sie am Arm.
"Warte, Ma."
"Was ist noch?"
"Sie sind alle tot, Ma. Dad, Stuart, Palmer..."
Laura stand wie zur Salzsäule erstarrt da und biß sich auf die Unterlippe. Ihre Augen wurden rot. "Nein...", flüsterte sie und schüttelte dann stumm den Kopf.
Sie sah Jed einen Moment lang fassungslos an und fragte dann: "Was ist passiert, Jed?"
Jed stockte.
Als er schließlich soweit war, darüber sprechen zu können, berichtete er in knappen Worten, was sich beim Round up zugetragen hatte.
"Kaltblütige Killer waren das!" knurrte Jed grimmig. "Ein Menschenleben war ihnen völlig gleichgültig!"
"Glaubst du, daß es wirklich Soldaten waren?"
"Sie trugen die blaue Uniform, das ist alles was ich weiß.
Und daß sie mit der Herde in Richtung Westen gezogen sind.
Aber sie werden für das bezahlen, was sie getan haben, Ma! So wahr ich hier stehe!"
Laura nahm die Hände vor das Gesicht und schwieg einen Moment.Dann ging sie wortlos hinaus in die Küche, um heißes Wasser zu machen.
Sie war eine Frau, die soeben alles verloren hatte. Den Mann, die Herde... Sie stand buchstäblich vor dem Nichts.
Aber sie behielt die Fassung. Das Leben an der Seite eines Ranchers hatte sie äußerlich hart werden lassen. Aber in ihrem Inneren brach eine Welt zusammen.
*
Beth kam mit Doc McCooney zurück.
Sie hatte Glück gehabt, ihn in seiner Praxis anzutreffen.
Wenig später hätte er sich auf den Weg gemacht, um Krankenbesuche zu erledigen.
"Ich hoffe, ich komme noch rechtzeitig", meinte der Doc, als er ins Haus trat.
Laura führte ihn wortlos zu dem Verletzten und berichtete in knappen Worten, was draußen beim Round up geschehen war.
Für Beth war das ein harter Schlag.
Aber sie nahm sich zusammen, wie ihre Mutter.
Ein Menschenleben konnte schließlich noch gerettet werden auch wenn das natürlich kein Trost sein konnte.
Es wurde kaum etwas gesagt, der Doc und Laura wußten auch ohne Worte, was zu tun war. Es war schließlich nicht das erste Mal, daß auf dieser Ranch eine Kugel herausoperiert werden mußte.
Der Doc holte die Kugeln aus Bein und Schulter. Den Rest mußte Ross selbst schaffen.
"Wird er durchkommen?" fragte Laura.
Der Doc wollte sich nicht festlegen. Er stand vor einer Schüssel und wusch sich die Hände. Als er sich abtrocknete, sagte er: "Was jetzt geschieht, habe ich nicht mehr in der Hand, Mrs. O'Malley... Aber ich habe getan, was ich konnte.
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