D. Bess Unger - Der Engel mit den blutigen Händen

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Besitzen manche Erdenbewohner magische Fähigkeiten? Ein klares Ja! Das ist die Geschichte von drei geheimnisvollen Frauen: Athina (47), Atridi (48) und Lena (16).
Athina ist der wahrgewordene Traum aller Männer, blond und schockierend schön. Ihre engelsgleiche Erscheinung setzt sie gnadenlos ein, um den in ihrem Wesen brennenden Wunsch nach Macht über alles und jeden zu erfüllen. Da sie darüber hinaus eine Schwarzmagierin ist, scheint ihr in der Tat alles zu gelingen.
Atridi ist eine vermögende Rechtsanwältin. In einer für beide demoralisierten Stimmung trifft sie auf einen blendend aussehenden Achtzehnjährigen. Trotz des gewaltigen Altersunterschiedes entbrennt zwischen ihnen eine erotische Leidenschaft, die sämtliche Grenzen sprengt.
Lena bekommt bei ihrer Geburt Anlagen zu ungeheueren magischen Fähigkeiten in die Wiege gelegt. Um ihr die übernatürliche Energie zu entreißen, gerät sie in das Visier der Schwarzmagierin. Kann Lena den Mordanschlägen der Hexe entgehen? Wird sie das Liebesverhältnis zwischen ihrer Lieblingstante und ihrem Jugendschwarm entdecken? Kann sie aus den Fängen der brutalen Entführer, die Jagd auf sie machen, entkommen?
Für Jugendliche nicht geeignet.

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Abrupt drängten sich die Menschen auf die dem Meer abgewandte Seite der Uferpromenade zu, mit gesenkten Blicken beschleunigten sie ihre Schritte. Zwei Polizisten, die sich lebhaft unterhalten hatten, verstummten und knöpften sich ein Parksünder vor. Unvermittelt begann Athinas Herz heftiger zu klopfen, sie hatte das Gefühl, eine magnetische Kraft würde sie anziehen.

Ein Mann mit einem grauen Hund kam ihr entgegen. Eine Frau, die zusammen mit ihrer Tochter einer Möwe Brotkrumen zugeworfen hatte, blickte erschrocken in seine Richtung. Unvermittelt packte sie das Kind am Arm und zerrte es derart heftig weg, dass es einen Schrei ausstieß.

›Es ist nicht der Hund, der Mann macht ihnen Angst‹, fuhr es Athina durch den Kopf. Ihr Herz pochte so heftig, dass sie die Hand gegen die Brust drücken musste. Ein leidenschaftliches Entzücken stieg in ihr auf, als der seltsam gekleidete Mann sich ihr näherte. Obwohl es heiß war, trug er über einem weißen T-Shirt eine lilafarbene Weste mit einem Muster von honigfarbenen Halbmonden. Um seinen Hals hing ein Anhänger von erschreckender faszinierender Fremdartigkeit: Er war aus tiefschwarzem Horn mit eingelassenen bläulichen Mondsteinen. Oberflächlich betrachtet stellte er eine stilisierte Grille dar, deren vergoldete Flügel nach hinten gezogen waren und einander in einer Spitze berührten. Unterhalb des Talismans baumelte an einem Lederband eine scharfe Adlerkralle.

›Bestimmt ist das einer der Zigeuner, vor denen sie in der Zeitung gewarnt haben‹, vermutete Athina. Angehörigen dieser Volksgruppe gegenüber hatte sie keine Abneigung, im Gegenteil, sie hatte gehört, dass sie im Umgang mit Magie erstaunliche Talente besaßen. ›Ich kann die dämonische Ausstrahlung, die von ihm ausgeht, spüren‹, dachte sie. ›Und sein Begleiter ist nie im Leben ein Hund, das ist eher ein Wolf‹. Sie erinnerte sich, gelesen zu haben, dass der Wolf ein in vielen Fällen anzutreffender Begleiter der zur Magie fähigen Zigeuner sei.

Der Mann blieb vor Athina stehen. Das Tier setzte sich und fixierte sie mit gelben Augen. Sie fühlte, dass von ihm keine Bedrohung ausging, sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf den Besitzer. Noch niemals hatte sie ein so schönes männliches Gesicht gesehen: Schwarz glänzende Haare fielen bis auf seine Schultern, die langen Wimpern hätten eher zu einer Frau gepasst, seine Augen mit bernsteinfarbener Iris blickten kühn wie die eines Adlers. Unter einer ebenmäßigen, schmalgliedrigen Nase zeigte sich ein Mund mit untadelig geschnittenen Lippen. Sein Gesicht war faltenlos und doch, als sich Athina in dem grünlich kupfergelben Farbenspiel seiner Augen verlor, wurde ihr unbehaglich zu Mute. Unerklärlicherweise war ihr bewusst, dass diese Augen Dinge gesehen haben mussten, die über den Erfahrungsbereich eines gewöhnlich Sterblichen hinausreichten.

Jählings blitzte über seinem linken Augenlid ein weißer fünfzackiger Stern auf!

Erschrocken senkte Athina den Kopf und ein zweiter Sternenblitz traf sie, dieses Mal ging er von dem Wolfsgesicht aus. Schützend hielt sie eine Hand vor die Augen. Was war das? Eine Sinnestäuschung, eine Spiegelung, waren ihre Augen nicht in Ordnung? Vor Schreck hatte sich ihr Mund leicht geöffnet.

»Hab keine Angst, Prinzessin«, sagte der Fremde mit überraschend sanfter Stimme, »Du musst vor unseren Sternen keine Angst haben.« Lächelnd legte er die Spitze des Zeigefingers über ihre Nasenwurzel. »Auch du hast mir einen Stern gezeigt! Genau von dieser Stelle ist er ausgegangen!« Mit einer leichten Verbeugung stellte er sich vor. »Ich bin Biglia und das hier ist meine treue Begleiterin Kali. Die Sterne sind unser Erkennungszeichen!«

»Die Sterne, die waren keine Einbildung?«, fragte sie verblüfft. Eine Ahnung, dass sich Großartiges anbahnte, stieg in ihr auf. »Erkennungszeichen? Wofür?«

»Magische Wesen erkennen sich an den Sternen. Unbewusst suchen sie in dem Gesicht ihres Gegenübers einen Markierungspunkt, normalerweise eine Stelle oberhalb der Augenbrauen. Haben sie ihn gefunden, blitzt dort ein fünfzackiger Stern auf.«

Athina durchfuhr es wie ein elektrischer Schlag. Vor ihr stand ein Hexer in Begleitung eines magischen Tierwesens! Ein heiliger Schauer überlief sie. ›Auch ich trage einen Stern? Ich soll das Potenzial zu einer Magierin haben? Sollten sich meine Lebensträume doch noch erfüllen?‹

»Du bist ein Zauberer?«, stammelte sie. »Ich eine Hexe?«, stammelte sie. »Ich habe keine Talente für Magie.« Sie hoffte auf Widerspruch, flehte zum Himmel, nicht enttäuscht zu werden.

»Komm, meine Sternenprinzessin«, sagte Biglia und fasste sie an der Hand. »Setzen wir uns auf die Bank dort drüben. Ich werde dir eine erste Unterweisung in Sachen Magie erteilen.«

Sternenprinzessin hatte er sie genannt! Willenlos, mit schlotternden Knien folgte sie ihm. Das Pärchen, das in ihrer Zweisamkeit versunken auf der Bank gesessen hatte, erhob sich, als wäre das ihr eigener Entschluss gewesen. Die Wölfin legte sich sofort in den Schatten unter die Sitzfläche, Biglia zog Athina an seine Seite.

›Was werden die Leute denken, wenn sie mich Unschuld vom Lande neben einem so coolen Mann sitzen sehen?‹, dachte Athina. Sie warf Biglia einen verstohlenen Blick zu und hoffte, dass Nachbarn unter den Passanten wären.

»Ich bin Magier, Hexer, Zauberer, egal wie du es in deiner Sprache nennen willst.«

»Was bedeutet es, ein Zauberer zu sein?«, fragte sie mit belegter Stimme und wurde immer aufgeregter.

»Na ja, ich besitze die Macht, Unheil von meiner Sippe fernzuhalten. Das ist eine schwere Aufgabe, die Bürger stehen uns Landfahrer nicht wohlwollend gegenüber. Ach, es kostet mich einen hohen Preis ...« Für den Bruchteil einer Sekunde fiel die Maske der Jugend von ihm ab, die Wölfin unter der Bank rieb zärtlich ihren Kopf an Athinas linkem Bein und lenkte sie ab.

»Kann jeder Mensch Magie erlernen?«, fragte sie wissbegierig. »Wie und wo?«

»Übersinnliches kannst du nur bewirken, wenn du Träger magischer Energie bist. In unseren Legenden nennen wir diesen Träger den Sternenstaub

»Sternenstaub ...« Athina zog das Wort nachsinnend in die Länge. »Ein schöner, poetischer Name. Du glaubst, auch ich besitze Sternenstaub?«

»Im Überfluss! Der Sternenstaub wurde dir bei deiner Geburt in einem handlungsunfähigen Zustand eingepflanzt«, erklärte Biglia. »Nur einem verschwindend bescheidenen Anteil der Wesen der niederen Welt wird diese Gnade oder dieser Fluch zuteil.«

›Eingepflanzt? Von wem? Handlungsunfähig? Gnade oder Fluch? Was soll das heißen?‹ Fragen über Fragen schwirrten Athina durch den Kopf.

»Der Sternenstaub ist nicht unerschöpflich, bei jedem Fluch verbrennt davon eine kleine Menge«, fuhr Biglia unbeirrt fort. »Bei Flüchen von beachtlichem Ausmaß, bei denen ich die Lebenslinien von Menschen verändern muss, wird viel Sternenstaub verbrannt, bei unbedeutenden nur eine Winzigkeit. Wenn ich zu viel verbrauche, muss ich den Gleichklang wiederherstellen. Dazu muss ich unberührten Sternenstaub aus dem Gefäß eines anderen Lebens in mich einfließen lassen und ihn für meine Magie aktivieren. Verstehst du?«

›Aus dem Gefäß eines anderen Lebens? Damit meint er hoffentlich nicht mich?‹, fragte sich Athina beklommen. »Wie machst du das?«

Der Magier blickte sie prüfend an. »Ich unterstelle, es wird dich nicht schockieren, was ich dir jetzt sage!« Er machte eine kurze Pause. »Der befriedigende Weg für mich ist, den hundertprozentigen Gegensatz zu meinem Ich zu suchen. Ein Mädchen wie du, in der Regel nicht älter als zwanzig Jahre, die unberührten Sternenstaub in sich trägt, eine Sternenprinzessin eben! Ich schlafe mit ihr! Wenn sie ihren Höhepunkt erreicht, ihre Lust hinaus stöhnt, stecke ich meine Zunge tief in ihren Mund, mithilfe eines ungesagten Fluchs bringe ich ihren Sternenstaub in meinen Besitz. Mehr oder weniger, wie es mir beliebt.«

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