„Spannen Sie uns nicht so auf die Folter“, sagte Köstel, „und zeigen Sie uns, was Sie gefunden haben.“ Er nahm die Mappe an sich und schaute nicht schlecht: „Sieh mal an“, frohlockte er, „zwei alte Bekannte, Krische der ist aber leider tot. Und natürlich Meister Manni Hagener, der Spezialist für Raub und Überfälle. Den schreiben wir sofort zur Fahndung aus, vielleicht haben wir glück.“
„Es gibt aber noch Fingerabdrücke von einer dritten Person“, sagte der Leiter der Spurensicherung, „diese können nicht identifiziert werden. In unserer Kartei ist über diese Person nichts zu finden.“
Zuerst ließ Köstel die Fingerabdrücke der dritten Person mit denen von Tochowski vergleichen.
Es konnte keine Übereinstimmung festgestellt werden. Die Kommissare Stein und Olsen beauftragte Köstel, in den Unterlagen einmal zu überprüfen, ob es irgendwelche Beweisstücke gibt, die zur DNA-Analyse mit dem Toten herangezogen werden können.
Antje Stein hatte einen Hinweis auf div. Zigarettenreste gefunden. Diese müssten doch noch in der Asservatenkammer zu finden sein. Man fand sie und brachte sie gleich zu Dr. Wester, dieser sollte umgehend eine Analyse erstellen.
Das Ergebnis war positiv. Damit stand fest, dass Krische an dem Überfall auf den Geldtransporter beteiligt war.
Köstel hatte sich entschlossen, zuerst Tochowski in der Haftanstalt aufzusuchen, um seine Version des Überfalls zu hören. Er telefonierte mit der Vollzugsanstalt und vereinbarte einen Termin. In der Anstalt suchte er zunächst ein Gespräch mit dem Anstaltsleiter. Von ihm wollte er nun wissen, von wem bekommt er Besuch, zu wem hält er nach draußen Kontakt und letztlich, wie verhält er sich. Der Leiter der Vollzugsanstalt gab alles in allem ein sehr positives Bild von dem Inhaftierten. Er erklärte, Besuch bekommt er nur von seiner Frau und von seinem Anwalt, der auch sehr bemüht ist, das Verfahren wieder aufzurollen. Nach diesem Gespräch ging Köstel in den Besucherraum, um mit Tochowski zu sprechen.
„Nun“, sagte Köstel, „erzählen Sie mir mal, wie die ganze Geschichte aus Ihrer Sicht abgelaufen ist. Sie haben ja immer gesagt, nicht an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Jetzt möchte ich einmal in aller Ruhe Ihre Version hören.“
Dass inzwischen einer der Täter ermordet wurde, hat Köstel ganz bewusst verschwiegen.
„Herr Oberinspektor, Sie werden es kaum für möglich halten, aber so wie ich es Ihnen jetzt hier schildere, so hat es sich abgespielt. Eines vorweg, ich habe praktisch von dem Überfall gar nichts mitbekommen. Nun erzähle ich es Ihnen der Reihe nach:
Also, ich hatte im Billigkauf meine Einkäufe getätigt, und bin mit dem Einkaufswagen zu meinem Auto gegangen, habe den Wagen aufgeschlossen um meine Ware einzuladen. Dann habe ich den Einkaufswagen wieder zurückgebracht. Bis zu diesem Augenblick hat sich nichts Besonderes abgespielt. Ich kam wieder zurück, meine Ware hatte ich ja schon im Auto verstaut, und habe mich in den Wagen gesetzt. Als ich einstieg, sah ich, dass sich mein Telefon meldete. Ich muss hinzufügen, bedingt durch meinen Beruf, ich arbeite im Straßenbau, bin ich durch den ständig hohen Geräuschpegel etwas schwerhörig. Ich setzte mich also ins Auto und wollte mir mein Telefon nehmen, dieses fiel mir aber hinunter und landete unter meinem Beifahrersitz. Ich wollte es aufheben, was aber nicht so schnell ging.
Genau zu dieser Zeit muss sich wohl der Überfall ereignet haben. Denn als ich mich wieder aufrichtete, fuhr das neben mir stehende Auto mit hoher Geschwindigkeit davon. Als ich dann gefahren bin, vielleicht eine oder zwei Minuten später, habe ich zwar dort vor dem Eingang eine Menschentraube gesehen, mich aber nicht darum gekümmert. Ich weiß aus dem Straßenbau, wie gefährlich und lästig die Gaffer sind. Zur gleichen Zeit fuhr auch die neben mir stehende Frau mit ihrem Wagen los.“
Nun Köstel:
„Haben Sie die Frau erkannt, welches Auto stand links von Ihnen und welches Auto stand rechts von Ihnen. Die Fahrzeuge, was waren das für Marken?“
„Das Auto rechts von mir, also das der Fahrerin, das war ein weißer Golf. Der links von mir stehende Wagen, also der Fluchtwagen, das war ein japanisches Auto. Mehr kann ich aber dazu nicht sagen. Manche Typen sehen ja gleich aus, da muss man schon hinten auf das Firmenschild schauen, um zu sehen, was es für eine Marke ist.“ Nun Köstel wieder:
„Haben Sie denn etwas Auffälliges bemerkt, als Sie in die Parklücke gefahren sind?“
„Nein, nur die zwei Männer, die vor ihrem Wagen standen und eine Zigarette geraucht haben. Am liebsten hätten sie gesehen, wenn ich dort nicht hineingefahren wäre. Mit ihrem Fahrzeug standen sie entgegengesetzt zu meinem, das heißt, sie konnten auch gleich losfahren. Sonst habe ich nichts gesehen.“
„Und die Frau“, fragte Köstel, „saß die in ihrem Auto?“
„Nein“, antwortete Tochowski, „die kam, als ich gerade beim Einladen war, sie musste sich noch regelrecht in ihren Wagen hineinquetschen. So dicht standen unsere Fahrzeuge nebeneinander.“
„So, und das ist nun die Wahrheit“, sagte Köstel, und schaute Tochowski in die Augen.
„Herr Oberinspektor, das ist die Wahrheit, ich schwöre es.
Köstel verabschiedete sich mit den Worten, wir werden noch voneinander hören, und bat danach den Vollzugsbeamten, die Tür zu öffnen. Dann begab er sich zu seinem Wagen und ließ sich die ganze Schilderung noch einmal durch den Kopf gehen.
Als Köstel sein Büro betrat, wartete im Vorzimmer bereits Tochowski Anwalt Dr. Körner auf ihn:
„Hallo Herr Oberinspektor“, sagte Körner, „wie ich gehört habe, arbeiten Sie jetzt doch an meinem Fall.“
„Ja“, sagte Köstel, „aber in einem anderen Zusammenhang. Ich komme soeben von der JVA und habe mit Ihrem Klienten gesprochen. Er hat mir noch einmal den Überfall aus seiner Sicht geschildert. Zwei, nach unserer Ansicht, noch wichtige Zeugen werden wir noch befragen, dann werde ich dem Gericht meine Erkenntnisse mitteilen.“
„Herr Köstel, ich zähl auf Sie, Sie sind meine Hoffnung.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Strafverteidiger.
Keine zwanzig Minuten später kam Dr. Wester und überreichte Köstel seinen Abschlussbericht.
„Leider kann ich Ihnen keine Neuigkeiten berichten“, ließ er verlauten, „es bleibt dabei, der Tote wurde mit Zyankali vergiftet und Abwehrspuren wurden keine gefunden auch nicht unter seinen Fingernägeln. Ja, und die DNA-Analyse hat zweifelsfrei ergeben, dass die beim Überfall gefundenen Zigarettenreste mit dem Toten übereinstimmen.“
„Da wurde ganze Arbeit geleistet“, bemerkte Köstel.
„Dr., ich danke Ihnen.“
Dr. Wester hat seinen Bericht abgeben und sich anschließend verabschiedet.
Aufgeregt betrat Kriminalrat Dr. Schlauer das Büro der Mordkommission:
„Köstel, nun sagen Sie mir, wie weit sind Sie in dieser Angelegenheit. Ich bekomme Druck von außen und der Presse muss ich auch etwas sagen.“
„Herr Kriminalrat“, sagte Köstel, „wir stehen noch ganz am Anfang. Im Augenblick können wir nur sagen, dass mit sehr großer Wahrscheinlichkeit der Tote einer der zwei am Überfall beteiligten Männer ist.“
„Köstel sehen Sie zu, dass Sie den Fall bald abschließen können.“ Dann verschwand Dr. Schlauer wieder.
Am Nachmittag, es war wieder etwas Ruhe eingekehrt, Antje Stein und Fiete Olsen waren auch wieder von ihren Recherchen zurück. Sie hatten zwei Zeugen aus dem Überfall befragt.
Mit der Bemerkung:
„Wir stehen vor einer Wand und müssen neue Wege beschreiten“, bat Köstel zur Lagebesprechung.
Zuerst wollte er nun wissen, was die beiden Kommissare bei ihren Recherchen erreicht haben.
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