Wir verblieben eine Zeit lang an diesem Ort, der Seven Pines genannt wurde, und die häufigen Schusswechsel zwischen den feindlichen Postenlinien erreichten zeitweise eine beängstigende Heftigkeit. Hier war es, dass ich erstmals mit eigenen Augen Präsident Davis sah, obgleich stets die Gefahr eines Treffers durch verirrte Kugeln bestand. Der Präsident wurde von dem ehrenwerten Richter Reagan und einigen weiteren Würdenträgern begleitet. [Anm. d. Übers.: Der Anwalt und Politiker John Henninger Reagan vertrat Texas im US-Repräsentantenhaus, bis er im Zuge der Sezession des Staates sein Mandat niederlegte, um als Postminister in Jefferson Davis' Kabinett zu dienen.] Während unseres ausgedehnten Aufenthaltes in diesem sumpfigen Gelände waren unsere Füße nahezu ständig nass, was uns nach unserer Rückkehr in trockenere Gefilde arge Beschwerden bereitete. Einmal standen wir bei Seven Pines unweit unserer vordersten Stellungen Gewehr bei Fuß und mussten uns für den Bedarfsfall unverzüglich kampfbereit halten. Unsere Vorposten befanden sich ganz in unserer Nähe und unsere Position war noch kurz zuvor augenscheinlich von einer außerordentlich verlauten Einheit besetzt gewesen, denn wir konnten die kleinen Viecher im Gras und an den Baumstämmen herumkrabbeln sehen. So lernte ich meine Lektion, dass man sich ungeachtet der eigenen Sauberkeit leicht die Läuse eines anderen Burschen einfangen konnte, wenn man sein Quartier bezog oder anderweitig eng mit ihm zusammenlebte. Dabei hatte die graue Farbe der konföderierten Uniform gegenüber der Unionsuniform immerhin den Vorteil, dass man auf ihr die kleinen Biester kaum zu erkennen vermochte. Heutzutage herrscht bei den Zivilisten und sogar den Soldaten die Überzeugung vor, dass Lausbefall ein untrügliches Anzeichen von mangelhafter Hygiene sei. Dies mochte auf uns zu einem gewissen Grade zutreffen, konnte den Soldaten jedoch im Regelfalle nicht zur Last gelegt werden, besonders, wenn wir während eines anstrengenden und langandauernden Feldzuges keine Ersatzkleidung erhielten, bis uns die abgetragene Uniform förmlich in Fetzen vom Leib fiel und wir uns manchmal wochenlang nicht waschen konnten und an kochendes Wasser für die Wäsche praktisch nicht zu denken war. Ich glaube, dass die Infanterie in der Regel weitaus ärger unter Läusen zu leiden hat als die übrigen Waffengattungen, doch hoffe ich, dass den heutigen Soldaten effektivere Methoden zur Verfügung stehen, um eine verlauste Uniform zu säubern als uns damals. War unsere Kleidung dermaßen lausig, dass es nicht mehr zu ertragen war, so entfachten wir mit Stroh oder Blättern ein Feuer und hielten die Kleidungsstücke über die lodernden Flammen. In der Hitze fielen die Läuse ab und verbrannten entweder im Feuer oder landeten auf die Erde und krabbelten davon, um sich einen anderen armen Kerl als Wirt zu suchen. Hatte man einige besonders große Prachtexemplare beherbergt, so erinnerte ihr Knacken im Feuer an das Aufplatzen gerösteter Maiskörner. Der unbedarfte Leser mag nun denken, ich hätte dieses delikate Thema nun mehr als gründlich abgehandelt, doch kann ich ihm versichern, dass so mancher "hartgesottene Veteran" noch etliche Worte über diese Sache verlieren könnte.
Kapitel 02: General Jackson fällt General McClellan in die Flanke; die Sieben-Tage-Schlacht vor Richmond, Virginia
Nach einiger Zeit erhielten wir die Order, uns auf den Abmarsch vorzubereiten. Wir marschierten schließlich nach Richmond, wo wir einen Zug bestiegen, der uns nach Staunton brachte. Es ereigneten sich auf dieser Fahrt lediglich zwei Dinge, die auch nur halbwegs erwähnenswert wären: Auf einem abfälligen Streckenabschnitt zwischen Richmond und Lynchburg rissen sich unsere Waggons von der Lokomotive los und es war dies meine erste Eisenbahnfahrt auf einem Flachwagen, der dicht mit Männern bepackt war, während die Lokomotive unter Volldampf dahinjagte. Diese gefährliche Art zu reisen machte einen starken Eindruck auf mich und hat sich lebhaft in mein Gedächtnis eingebrannt. Bei Lynchburg stiegen wir in geschlossene Güterwaggons um und wir fuhren durch einen langen Tunnel, bevor wir Staunton erreichten. Die Güterwaggons waren dermaßen überfüllt, dass einige von uns auf den Dächern sitzen mussten und als wir in den Tunnel einfuhren, mussten wir uns so flach wie nur irgend möglich hinlegen. Es war dies eine gefährliche Angelegenheit und ich fühlte mich dabei durchaus nicht wohl in meiner Haut, da der Abstand zwischen meinem Rücken und der Decke wohl nur einige Zentimeter betrug. Zwei Jungs zogen sich beträchtliche Verletzungen zu und einer von ihnen brach sich ein Bein. Endlich erreichten wir Staunton, wo wir einige Tage verblieben. Hier machten wir die Erfahrung, dass Zäune aus Kastanienholz die einzig sichere Umfriedung waren, die ein Farmer zu Kriegszeiten haben konnte, da das Holz nicht für die Kochfeuer der Soldaten taugte.
Wir verließen Staunton schließlich an Bord eines Zuges, der uns einige Kilometer weit beförderte, bis wir aussteigen und marschieren mussten. Das Gelände war unwirtlich, die Straßen waren schlecht und da wir noch keine harten Märsche gewohnt waren, litten unsere Füße arg unter den Strapazen. Mein alter Freund A. N. Vaughn aus Kompanie F litt auf diesem Marsch regelrechte Höllenqualen, da sich an einer seiner Fersen dermaßen große Blasen gebildet hatten, dass sich die Hornhaut an der Sohle fast völlig vom Fleisch gelöst hatte. Ich appellierte an seine Vernunft und schließlich schalt ich ihn sogar für seine Dummheit, aber er weigerte sich stur, die Marschkolonne zu verlassen. Er sagte nur: "Bill, ich hatte das Pech, bei jedem der bisherigen Gefechte krank zu sein. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Jungs mich offen einen Feigling nennen werden und ich möchte eher sterben als diese Schmach zu erdulden. Du kannst dir jedes weitere Wort sparen! Mein Entschluss steht fest; ich werde beim nächsten Kampf dabei sein und wenn ich auf Stümpfen vorwärtshumpeln muss!" So quälte er sich mit wilder Entschlossenheit noch sieben Tage lang weiter und als seine Kameraden dies mitbekamen, musste er sich um seinen Ruf keine Sorgen mehr machen.
Auf dem Marsch erfuhren wir, dass wir Stonewall Jackson unterstellt worden waren und aus unserer Marschrichtung schlussfolgerten wir, dass wir General McClellan in die Flanke fallen würden. Diese Vermutung sollte sich schon bald als richtig erweisen. Etwa zwölf Stunden vor unserem Angriff auf den Feind erhielt ich die Order, einen Mann auszuwählen und mich gemeinsam mit ihm bei General Jackson an der Front zu melden. Meine Wahl fiel auf einen gewissen Charles McCauley, einen jungen Burschen, der erst kurz vor Kriegsbeginn nach Beaumont, Texas gezogen war. "Mc", wie wir ihn nannten, strotzte nur so vor Lebenskraft und hatte sich als rege und furchtlos erwiesen. Er war ein gelernter Bauingenieur, konnte folglich auf den ersten Blick das umliegende Gelände lesen und war zudem ein schneller Läufer. Wir wurden beim General vorstellig und erhielten den Auftrag, uns vor unsere vordersten Wachtposten zu begeben. Dies taten wir prompt und da der General persönlich hinter uns ritt, ließen uns sämtliche Posten wortlos passieren. Als wir uns eine beträchtliche Strecke vor unseren Linien befanden, erhielten wir schließlich folgende Order: Wir sollten vorsichtig weiter vorrücken, außer Sicht eventueller Vor- und Flankenposten bleiben und ihm unverzüglich mitteilen, wenn wir feindliche Truppen oder Anzeichen ihrer Gegenwart sahen. Wir tasteten uns also eine Zeit lang vorwärts, wobei sich der General zeitweise direkt bei uns und zeitweise kurz hinter uns aufhielt. Wir bewegten uns durch bewaldetes Gelände mit vereinzelten Lichtungen und da wir eine vorgegebene Richtung einzuhalten hatten, mussten wir am Rande einer jeden Lichtung die Beine in die Hand nehmen, um sie zu überqueren, bevor die feindlichen Patrouillen sie erreichten. Vom Rande einer dieser Lichtungen aus entdeckten wir eine nahegelegene Brücke, die in Flammen stand. Ein kurzer Blick überzeugte uns davon, dass diese Entdeckung wohl eine Meldung wert war und "Mc" und ich rannten die kurze Strecke zurück zum General. Wir berichteten, was wir gesehen hatten und brachten ihn zum Beobachtungspunkt. Der General verschaffte sich einen Überblick über die Lage und beorderte uns über den Wasserlauf, um das Gelände auf der anderen Seite zu erkunden. Wir behielten die unweit verlaufende Straße im Auge und eilten zum Wasserlauf. Dieser war ein kleines Seitenflüsschen, führte träge fließendes, schlammiges Wasser, war knapp zehn Meter breit und verfügte beiderseits über eine feste, steile Uferböschung. Wir durchwateten ihn etwa 200 Meter oberhalb der Brücke und erreichten die andere Seite nahezu trockenen Fußes. Von hier aus liefen wir auf die Straße zu, die wir knapp 400 Meter von der Brücke entfernt zu erreichen gedachten. Wir hatten die Straße fast erreicht, als wir eine Reihe von Blauröcken entdeckten, die uns in weniger als 30 Metern Entfernung ihre rechte Flanke zuwandten. Obgleich wir sogleich regungslos stehen blieben, riefen sie uns zu, näher zu kommen und einige von ihnen richteten ihre Musketen auf uns. Ich schrie nur: "Renn!" und wir liefen um unser Leben. Die Yankees feuerten nicht einmal einen Schuss ab und wir entkamen ihnen mühelos. Als wir den Wasserlauf erreichten, suchten wir nicht erst lange nach einer seichten Stelle, sondern rannten einfach ins Wasser und steckten bald bis zu den Hüften im Schlamm. Wir mühten uns verzweifelt vorwärts und hatten schon bald das freundliche Ufer erreicht. Kaum dort angekommen, bemerkte ich unweit einen einzelnen Yankee, der offensichtlich versprengt war. Er kam aus einem Farmhäuschen und ging in Richtung der Brücke, wohl unwissend, dass diese niedergebrannt worden war. Er war nicht weiter als 50 Meter von mir entfernt und da ich ihn zuerst gesehen hatte, richtete ich meine Muskete auf ihn und befahl ihm, sich herzuschaffen. Er gehorchte prompt. Ich wies ihn an, vor uns her zu laufen und deutete mit dem Lauf meiner Waffe in die gewünschte Richtung. Der General befand sich noch an jener Stelle, wo wir ihn zurückgelassen hatten und anscheinend hatte er eine Konfrontation vorausgesehen, denn er hatte eine Geschützbatterie herangeführt, die hinter ihm in Sichtweite an einer freien Stelle bereitstand. Ich hatte kaum Bericht erstattet, als die Geschütze bereits herangaloppiert kamen und sich nebeneinander feuerbereit aufstellten. Als der befehlshabende Offizier der Batterie herankam, um Meldung zu machen, rief der General ihn beim Namen und sagte zu mir: "Fletcher, unterrichten Sie den Herrn über die Position des Feindes und gehen Sie dann wieder nach vorne, um den Effekt unseres Feuers zu beobachten."
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