1 ...8 9 10 12 13 14 ...35 »Du könntest bei Macys als Weihnachtsgeschenkeinpackerin reich werden.« Lucía lachte und überreichte Emy das Paket.
»Hast du es auch mit Liebe gemacht?«, wollte es Emy schelmisch wissen. Beide lachten.
Die Laurents waren gerade mit dem Essen fertig, als die Freunde von Mathis eintrafen.
»Booh!« Emy brachte ihr Missfallen noch einmal zum Ausdruck. Mathis flüsterte seiner Schwester ins Ohr: »Kommst du mit zu uns in mein Zimmer?« Sie drehte ihren Kopf weg und zeigte ihrem Bruder einen Vogel. Mathis hielt sie am Arm fest und sprach leise weiter.
»Nick«, - er war einer der Freunde von Mathis - »ist begeistert von dir und vielleicht kannst du dich ja etwas mit ihm unterhalten.«
Emy schaute ihren Bruder an. »Hast du einen an der Esse? Oder hast du deinem Kumpel ein Date mit mir zu Weihnachten geschenkt?«
»Nein.« Mathis ließ seine Schwester wieder los. »Nein, einfach ganz unverbindlich.«
»Einfach ganz unverbindlich? Da habe ich lieber ein ganz unverbindliches Date mit der Statue of Liberty und rede mit der drei Stunden im größten Schneesturm.«
Sie drehte in Richtung ihres Zimmers ab und schüttelte ungläubig ihren Kopf. Ihr Telefon klingelte. Ethan? Emy erschrak darüber, was sie dachte. Dachte, hoffte?
»Hi Süße!« Lucas war dran.
»Na, Urlauber«, versuchte Emy, neutral zu klingen. »Kann ich zu dir kommen?«
»Ja, gerne, wann denn?«
»In einer halben Stunde.«
Sie sagte freundlich: »Ja, ja, komm her.«
»Alles in Ordnung bei dir?«, wollte Lucas wissen.
»Ja, alles ist gut. Ok. Bis gleich.«
Lucas, der Freund von Emy, war ein großer, sportlicher Junge, dessen Familie aus den Südstaaten nach New York gezogen waren. Er entsprach dem Klischee eines Texaners. Zumindest dem Aussehen nach. Er war aber ein netter, gebildeter Junge. Groß, blond, vielleicht etwas zu blond. Aber Emy mochte sein aktives Wesen. Er war immer in Bewegung. Sie hatte ihn mal gefragt, ob er auch beim Schlafen laufen kann. »Das sollte ich mal ausprobieren. Da könnte ich ‘ne Menge Zeit sparen.« Er lachte über sich. Auch das gefiel Emy an ihrem Freund.
Es klingelte an der Tür. Mathis ging hin, um sie zu öffnen. Er erwartete wahrscheinlich noch ein paar seiner Freunde. Aber vor der Tür stand Lucas mit zwei Männern mit einer großen Kiste. Lucas bedankte sich bei den Männern und gab jedem einen Dollarschein.
»He, Alter«, begrüßte Mathis Lucas. »Willst du meiner Schwester eine Waschmaschine zu Weihnachten schenken?«
»Fass mal mit an«, forderte Lucas Mathis auf.
Die zwei hoben die schwer zu scheinende Kiste an und gingen damit in Richtung Emys Zimmer. Mrs. Laurent und ihr Mann kamen in den Flur.
»Hallo, Lucas«, begrüßte Emys Mutter den Jungen. »Ziehst du bei uns ein?« Sarkasmusalarm in höchster Vollendung. »Hast du auch Möbel dabei? In Mathis Zimmer sitzen noch ein paar kräftige Männer. Die könnten beim Tragen helfen.«
»Nein, Mrs. Laurent, das ist das Weihnachtsgeschenk für Emy.«
Lucas musste sich beim Sprechen unter der schweren Last anstrengen. Emy war sich sicher, dass dieser Anblick von ihrer Mutter gespeichert wurde und sie ihn immer wieder zu allen passenden und nichtpassenden Anlässen zitieren wird. »Emy, schau, es weihnachtet sehr. Dein Lucas hat dir einen Stripper mitgebracht.« »Mum!« Emy ging hinter den beiden Jungs in ihr Zimmer und wollte die Tür schließen. Ihre Mutter, die Emys Vater am Arm zog, drängte sich und ihren Mann durch die Tür.
»Lass uns doch bitte dabei sein, wenn der Tänzer gleich aus der Kiste springt«, scherzte Mrs. Laurent. Sie holte tief Luft durch Ihre Nase. Dr. Laurent saß auf Emys Bett und schaute dem Treiben argwöhnisch zu.
»So, Emy, auspacken!«
Lucas war aufgeregter als sie. Sie ging zu dem Paket und begann, es von allen Seiten vom Papier zu befreien. Mrs. Laurent stand am Türrahmen gelehnt und machte Grimassen zu ihrem Mann. Der forderte sie mit Gesten auf, das sein zu lassen. Sie ging zu ihrem Mann und setzte sich auch auf die Bettkante. Dann riss sie die letzte Pappe von der Verpackung ab und da stand eine 60 cm große Büste. Mathis breitete seine Arme aus wie ein Prediger und sagte:
»George Washington! Eine Büste von George Washington! Das ist ja abgefahren.«
Mrs. Laurent lag in Emys Bett und hielt sich ein Kissen vor ihr Gesicht, damit keiner ihr Lachen hörte.
»Mathis, du bist ein Idiot«, rief Emy. »Das ist nicht George Washington, das ist Ludwig van Beethoven.« Emy ging zu Lucas und küsste ihn auf seine Wange.
»Danke, Lucas, das ist ein schönes Geschenk. Ich freue mich.«
»Echt?« Lucas war glücklich.
»Ein passendes Geschenk«, stellte Emy fest. »Immerhin hat Beethoven fünf Cellosonaten geschrieben.«
Dr. Laurent forderte seine Frau durch strenge Blicke auf, bloß nicht freizudrehen. Er sah ihr förmlich an, was sie alles sagen wollte.
»Wo soll Herr Beethoven stehen?«, wollte Mathis wissen. Und wieder nahm Mrs. Laurent das Kissen vor ihr Gesicht. Luca meinte:
«Auf der Bank vor dem Fenster wäre gut.«
»Genau, da kann er den ganzen Tag rausschauen.«
»Mum!« Emy rügte ihre Mutter mit einem Blick.
»Ok. Das sollte Emy entscheiden.« Dr. Laurent unterbrach das Schauspiel, oder besser, die Komödie, bevor seine Frau noch mehr Spaß an der Szene bekam, indem er sie von Emys Bett in Richtung Tür zog.
»Aber Schatz, warte doch!«, protestierte Mrs. Laurent. »Es sind circa acht junge Männer in Mathis Zimmer. Die können den Gipsmann hin und her tragen, bis Emy einen passenden Platz gefunden hat.«
»Mary, kannst du bitte mal mit in die Küche kommen?« Dr. Laurent wartete gar nicht erst die Antwort seiner Frau ab, zog sie zur Tür, obwohl sie protestierte.
»Och, lass mich doch noch ein bisschen bei meinen Kindern und Herrn Beethoven bleiben.«
Mathis verließ auch das Zimmer seiner Schwester.
»He, Lucas, ich habe in drei Monaten Geburtstag. Ich stehe auf Pamela Anderson, nur so als Hinweis.«
Die Jungs lachten und Emy rollte mit ihren Augen. Lucas ging um den Tisch zu Emy und nahm sie in den Arm.
»Na, meine Süße, wie war dein Weihnachten?« In Emys Kopf machte es Klick. Sie entzog sich leicht aus der Umarmung ihres Freundes.
»Ach, naja, wie immer.« Verdammt, ging es ihr durch den Kopf. Auf diese Frage hätte ich mich besser mal vorbereitet, waren ihre Gedanken. Lucas hakte nicht nach und fragte:
»Wollen wir zum Bens gehen?« Das »Bens« war in diesem Jahr der Teenie-Treffpunkt in Manhattan.
»Ja, warum nicht?« Eigentlich mochte Emy diesen Laden nicht. In dieser Situation kam ihr die Einladung wie ein Befreiungsschlag vor. »Warte, ich hole meine Jacke. Ach, Lucas, hier ist dein Geschenk.« Sie hätte beinahe vergessen, ihm das Shirt zu geben. Lucas packte es sofort aus und quittierte das Erhaltene mit einem überzeugenden »cool!«
Ethan saß am zweiten Weihnachtstag früh am Klavier im Haus seines Onkels und spielte ein paar Akkorde. Sein Onkel kam vorbei, lehnte sich auf den Steinway, lächelte und fragte seinen Neffen: »Was spielst du da gerade?«
»Nichts, das sind einfach ein paar Harmonien, einfach so.«
»Das solltest du aufschreiben, Ethan. Schreibst du das für mich auf?«
Ethan wunderte sich, sagte aber: »Na gut, warum nicht?« Seine Mum hatte immer, wenn er verträumt vor sich hin gespielt hatte, bemerkt: »Ahh, mein talentierter Sohn improvisiert sich durch den Tag und bereitet sich auf seine Kariere als Barpianist vor.« Dann lächelte sie und Ethan kehrte schnell wieder zu seiner Übungseinheit zurück.
Die Bishops, Onkel Joshua und Tante Jenny, gingen nach dem Mittagessen lange am Strand spazieren. Marcia rannte immer von einem zum anderen. Sie wollte am liebsten alle an ihre Hand nehmen. Ethan lief etwas hinter der Gruppe. Er schaute immer wieder mal zum Horizont. Auf der Ocean Ave waren viele Menschen unterwegs. Sie lachten und hatten Spaß. Er war eifersüchtig auf ihre Unbekümmertheit. Tante Jenny rief:
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