Valetta war eine hübsche, 23 – jährige Blondine, naturblond, wofür sie viele ihrer Freundinnen beneideten.
Eine ihrer wenigen Schwächen bestand darin, schnell die Geduld zu verlieren, und dementsprechende Aggressionen aufkommen zu lassen. Einen Teil ihres feurigen Temperaments nutzte sie auch in diesem Moment, als sie Casmilda aufgrund ihrer Schlaftrunkenheit nach einer halben Stunde zur Tür hinausschob, ohne großartige Rechenschaften darüber abzulegen. Sie meinte nur, sie würden sich später treffen. Und sie solle auf dem Boden bleiben, denn immerhin sei eine einzige Rose kein Grund, sie zu behandeln wie einen gesamten Strauß. Casmilda lächelte ihr zu, bevor sie sich umdrehte und ging. Mit diesem Lächeln versuchte sie sich selbst und Valetta Verständnis für ihr raues Wesen entgegenzubringen, das sie des Öfteren stutzig machte.
Valetta führte ein eher solides Leben. Die attraktive Lesbierin verbrachte ihre Freizeit gerne zuhause, lackierte sich ihre Fuß – und Fingernägel mit der Nuance hottest chocolate, ever been , ihrer Lieblings- Nackellackfarbe, rauchte Kette, und lud Freunde oder Freundinnen zum Kaffee ein, auch lesbische Damen zu One – Night – Stands hatten ihre Wohnung schon des Öfteren von Innen gesehen. Valetta und Casmilda diskutierten oft, ob Homo – oder Heterosexualität in der Frauenwelt die zufriedenstellendere Variante sei, doch diese Diskussion schien ins Endlose zu führen.
Valy hatte oft dem einen oder anderen männlichen Wesen verbal und körperlich ihre Dominanz spüren lassen, weil er in der Diskothek ihre feste Freundin gefragt hatte, ob sie bereit für Sex wäre, oder ob die beiden an einem flotten Dreier interessiert waren. Auch Casmy war einmal dabei gewesen, und weil deren flotte Dreier bis jetzt immer nur mit zwei Männern stattgefunden hatten, hielt sie den Mund, obwohl in ihr die Neugier gewachsen war, wie sich Sex mit einer Frau anfühlte. Einen gewissen Sexhunger in ihrem Gefühlsverhalten konnte Casmilda nicht bestreiten. Sie schaffte das Klischee des testosterongesteuerten Mannes ab und projizierte es mit ihrer sexuellen Offenheit auf sie selbst.
Valy begab sich wieder zu Bett, genoss traumlos ihren Schlaf und stand pünktlich um 14 Uhr auf um sich für den gemeinsamen Tag vorzubereiten. Ebenso pünktlich klopfte auch Casmilda an der Tür, diesmal wurde sie von ihrer Freundin mit einer Umarmung und zwei Wangenküsschen begrüßt.
Sie nahmen die nächste U-Bahn, um zu Junk Food Mood zu gelangen, das ungesunde Fast Food schmeckte Valy, Casmy und Conny unbeschreiblich gut. Casmy öffnete das U-Bahn-Fenster, um ein wenig frischen Fahrtwind abzubekommen.
Durch das herrliche Wetter spiegelten sich in Valys Haaren glänzende Reflexionen des Sonnenlichts, die ihr wunderschönes Blond zur Geltung kommen ließen. Casmilda betrachtete die kaputten Enden und meinte: „Deine Spitzen könnten einen Schnitt vertragen, sie sehen aus, als hättest du eine Spinne in deinen Haaren fuhrwerken lassen, wobei der Spliss die Netze darstellt!“
Sie lachte über ihren eigenen Witz. Dabei rümpfte sie theatralisch die Nase, und fuhr Valetta kurz mit den Fingern durch ihre Wuschelmähne, was jene mit einem Einziehen des Kopfes als überflüssig deutete. „Ja ja, du immer mit deiner überheblichen Friseurzunge, aber gut, tob' dich aus wenn du meinst, es würde mir dann besser gehen, heute noch, wenn du willst. Ich persönlich finde, es gibt wichtigere Dinge im Leben eines Menschen als kaputte Haarspitzen.“ Sie schüttelte mit gespielter Entrüstung den Kopf und grinste.
„Das ist nun mal eine Berufskrankheit, meine Liebe!“ Casmilda war um kein Kontra verlegen.
„Berufskrankheit! Dass ich nicht lache“, entgegnete Valy mit theatralischer Miene, „deinem Prinzip nach müsste ich also jedem Gast in unserer Pizzeria davon abraten, unsere Pizzen zu essen, wenn sie ab und zu ein bisschen angebrannt sind, weil ich meinen Beruf derart ernst nehme, nicht wahr?.“ Gespielt dramatisch stemmte sich Valy die Hände in die Hüften. Casmy nahm die Herausforderung an.
„Was kann ich denn dafür, dass du ihn nicht ernst nimmst?“, bemerkte sie, und verlieh ihrer Stimme einen gespielt abwertenden Ton. Mit einem lockeren Lächeln winkte Valetta ab. Die U – Bahn rollte schließlich in der Station „Längenfeldgasse“ ein, sie stiegen um und waren wenige Minuten später an ihrem Ziel angelangt.
Sie setzten sich an einen Ecktisch im Freien. Im Fast-Food-Paradies bestellten sie je einen Happy Schmecky- Burger sowie zwei Lufti – Schoki - Erdbeermuffins. Sie orderten keine Getränke, da sie aus Sparmaßnahmen in ihren Handtaschen für je eine große Flasche mit verdünntem Fruchtsaft gesorgt hatten.
Casmilda ließ sich gerade die Mischung aus sauren Gurken, Rindfleisch und Tomaten schmecken, als sie einen hektischen Daniel bemerkte, der beinahe an ihr vorbeigelaufen wäre. Nahezu atemlos hielt er inne. Casmy blinzelte, als sie seine Anwesenheit registrierte, um auch sicherzugehen, dass er tatsächlich vor ihr stand. Sie hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen. Nach Atem ringend kam er direkt auf sie zugesteuert.
„Weißt du, wo Conny ist?“, fragte er Casmy, ohne eine Begrüßung zu erwähnen.
Sie bemerkte seine Schweißperlen und legte angewidert ihren Burger zur Seite.
„Sie ist zuhause, wo denn sonst? Was willst du denn von ihr?“, fragte Casmy in leicht gereiztem Ton. Hat er nicht bemerkt, dass ich gerade genüsslich einen Burger verspeise? dachte sie bei sich.
„Ich will mit ihr reden, spätestens dann, wenn ich meinen Termin zum Haareschneiden bei ihr einhalte.“ Sein Keuchen war nicht zu überhören, als er den Oberkörper nach vorne gebeugt hielt, um sich mit den Händen auf seinen Knien abzustützen. Seine Stimme verriet einen leicht verzweifelten Unterton. Casmilda blickte ihn emotionslos an, nicht etwa aus Loyalität gegenüber Conny, aber weil er scheinbar keinen Funken Anstand besaß. Er hatte sie weder begrüßt, geschweige denn sich für die Störung entschuldigt, die er während ihres appetitlichen Genusses verursacht hatte.
„Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“, wollte sie wissen, und fühlte sich in diesem Moment ein klein wenig verfolgt. Beunruhigt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Daniel antwortete: „Das wusste ich nicht, ich habe nur gerade verspätete Mittagspause, und dachte, ich hole mir ein Menü. Warum ist Conny eigentlich nicht bei dir, ich dachte, ihr verbringt jede freie Minute miteinander?“
Seine Mimik und Gestik sprachen für die vollkommene Überzeugung, ein Recht auf die Befriedigung seiner Neugierde zu besitzen.
„Nein, dem ist nicht so, außerdem geht dich das überhaupt nichts an!“, mahnte ihn Casmy nun ihn lauter werdendem, gereiztem Ton.
Daniel war von Beruf Bäcker und hatte Tagdienst. Entweder war es die Müdigkeit, die sein Beruf mit sich brachte, oder er war aus Schüchternheit wortkarg geworden, denn von einer Minute auf die andere hielt er plötzlich den Mund.
„So ein Zufall aber auch, dass wir uns hier treffen!“, meinte Casmy sarkastisch, um die Gesprächspause zu decken.
„Zufälle gibt’s nicht!“, mischte sich Valy wütend ein, die das Gespräch mit wachsamen Elefantenohren belauschte. Sie sahen einander an und mussten grinsen. Echte Freundinnen hielten zusammen, und seien dies auch nur gekennzeichnet durch einen viel sagenden Blick des Lächelns. Sie konnten Daniel aufgrund seines taktlosen Auftrittes nicht ausstehen und machten keinen Hehl daraus, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Das eine Mal, als Casmy ihm begegnet war, hatte er auch keine Anstalten der Höflichkeit gemacht. Grüßen wurde bei ihm klein geschrieben. Dieser desinteressierte und selbstgefällige Tonfall machten ihn auch nicht unbedingt zu einem Sympathisanten.
Daniel marschierte schnurstracks ins Restaurant, bestellte einen Zwiebel – Crunchy – Snack, einen Sugarlover als Dessert und ging - natürlich ohne ein Wort des Abschieds.
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