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Flieger?“ Viktor entgleisten für einen Moment sämtliche Gesichtszüge. „Mein Flieger“, raunte er, „Mist! Ich habe mein Flugzeug verpasst!“ „Echt jetzt?“, fragte Chris, nur noch leicht belustigt. „Echt jetzt!“, antwortete Viktor und erhob sich sofort. „Das ist nicht lustig!“, meinte er, „was denkst du, wird Vincent mit mir machen, wenn er das erfährt!“ Er strich sich nervös durch die Haare und schluckte erst einmal. „So schlimm?“, sagte Chris und setzte sich. „Was wird er denn machen? Versohlt er dir etwa den Hintern?“ Viktor schnaubte kurz. „Wenn es das nur wäre! Der reißt mir den Kopf ab! Echt! Der macht mich alle!“ Chris nahm ungläubig seinen Kopf zurück. „Na hör mal, dann nimmst du eben den nächsten Flug“, meinte er achselzuckend. „Chris! Du verstehst nicht, um was es dabei geht! Es geht um einen unglaublich großen und sehr wichtigen Auftrag, dabei! Der wichtigste, überhaupt, den wir je hatten! Alles, hängt davon ab! Unsere ganze Zukunft! Wenn wir den nicht bekommen, war die ganze Arbeit der letzten Monate, umsonst! Dann kann ich die Villa verpfänden“, sagte Viktor ernst. Chris sog kurz die Luft ein. „Echt, so schlimm“, meinte er, stand auf und ging zu ihm. „Wow!“ Viktor nickte nur kurz, nahm sein Handy und ging auf die Flughafen App. Er tippte eine Nummer an und schnaufte durch. „Ja, de Winter, Viktor de Winter, mein Name. Ich habe heute Morgen meinen Flug verpasst, um halb fünf, nach Shanghai. Ja! Das weiß ich auch, dass der weg ist! Darum rufe ich ja an! Ich brauche sofort einen neuen Flug, nach China, ja Shanghai! So bald, wie möglich! Echt, das wäre super! Oje, geht es nicht anders? Erste Klasse, ja unbedingt! Über London, ok, sie sind ein Schatz! Viktor de Winter von Harrenthal, mit zwei r und th, ja! Danke, wirklich, sie sind ein Schatz!“, sagte er ehrlich erleichtert und grinste Chris an. „Und?“ „Passt schon! Ich habe einen Flug um drei Uhr, allerdings über London! Macht nichts, Hauptsache kein Touriflug!“, stöhnte Viktor. „Angeber! Was is`n daran auszusetzen?“, meinte Chris vorwurfsvoll. „Oh Schatz“, gab Viktor beinahe mitleidig zurück, „bist du schon mal acht oder mehr Stunden, in einem Flieger gesessen? Das ist die Hölle, wenn du dich nicht bewegen kannst und dann erst das Essen!“, er verzog angewidert und ziemlich überheblich sein Gesicht und schüttelte sich zwangsläufig. Chris sah ihn schief an. „Nein, mein Prinzchen! Ich war bis jetzt nur in Italien!“, sagte er schnippisch. Viktor zog ihn sofort an sich. „Das werden wir ändern, sobald ich wieder da bin! Vielleicht nehme ich dich ja das nächste Mal einfach mit? Wenn du Ferien hast, natürlich!“ „Echt?“, rief Chris und umarmte ihn stürmisch. Viktor nickte schmunzelnd. „Ich zeige dir die ganze Welt, mein kleiner Schatz“, sagte er und küsste ihn zärtlich. Dabei streichelte er ihm über die festen Pobacken und Chris ließ schon wieder einen kleinen Quietschton hören. „Ich liebe es, wenn du das machst“, raunte Viktor nur, doch Chris senkte plötzlich betrübt seinen Blick. „Ich will nicht, dass du gehst“, nuschelte er. Viktor hob sein Kinn an und küsste ihn erneut. „Es sind doch nur ein paar Tage, hm? Spätestens am Wochenende, bin ich wieder da!“ „Viel zu lange“, seufzte Chris und schmiegte sich an ihn. „Ich vermisse dich jetzt schon!“ „Dann hast du mich doch ein bisschen lieb?“, fragte Viktor. „Das weißt du doch“, erwiderte Chris leise. „Aber du sagst es nie“, meinte Viktor sanft.
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„Doch, sag ich schon“, nuschelte Chris und schniefte leise. „Dann sage es doch!“ Viktor hob erneut sein Kinn an und Chris blinzelte ein paarmal. In seinen Augen standen tatsächlich Tränen und Viktor sah ihn mitfühlend an. „Hey, mein Kleiner, nicht weinen! In ein paar Tagen, bin ich wieder da und gehöre dann nur dir, hm? Ich versuche noch Donnerstagnacht einen Rückflug zu bekommen und bin dann am Freitagabend wieder hier, hm?“ „Hm! Pass bloß auf dich auf, hörst du?“, schluchzte Chris leise. „Natürlich! Und jetzt wünsch mir Glück, ja? Es ist wirklich wichtig, dass ich diesen Fisch an Land hole!“, sagte Viktor durchschnaufend. „Ganz bestimmt, wirst du das! Wer kann dir schon widerstehen, du Charmeur!“, erwiderte Chris, „mich hattest du ja auch gleich, an der Angel!“ Viktor lachte erst einmal auf. „Ja, an der Angel, aber bis ich dich im Boot hatte, mein lieber Mann, das hat mich ganz schön Kraft und Energie gekostet!“ „Und doch, hast du es geschafft!“, antwortete Chris und sah ihn beinahe ehrfürchtig an. „So, wie bei dir, war es vorher noch nie, bei mir, echt! Ich habe vorher auch noch nie bei jemanden übernachtet“, sagte er dann leise. Er zuckte mit der linken Schulter, als Viktor ihn überrascht ansah. „Ehrlich, Mann! Ich hatte zwar Sex, aber danach bin ich immer abgehauen, spätestens am frühen Morgen, danach!“ „Oha! War das etwa sowas, wie `ne Liebeserklärung, gerade eben?“ Viktor sah ihn schmunzelnd an und als Chris verlegen seinen Blick senkte, drückte er ihn fest an sich. „Sage es doch einfach mal, hm? Nur einmal, drei kleine Worte!“, sagte er. „Hau schon ab“, sagte Chris und biss sich auf die Unterlippe. Viktor musste trotzdem lachen. „Du süßes Biest!“, sagte er und küsste ihn überschwänglich. „Das waren zwar drei Worte, aber nicht die, die ich hören wollte!“ „Ich weiß schon, falsche Antwort“, meinte Chris schelmisch. „Ja, falsche Antwort! Und du weißt, was du jetzt verdient hättest, aber das hebe ich mir auf, bis ich wieder da bin! Dann lege ich dich wirklich einmal, so richtig übers Knie und hau dir deinen kleinen, süßen Arsch aus“, antwortete Viktor grinsend. „Aber nicht zu fest“, raunte Chris zu ihm hoch. „Du machst mich echt fertig“, sagte Viktor und küsste ihn. „So und jetzt, wird es Zeit! Ab, in die Dusche!“ Chris riss für einen Moment die Augen auf und trat sofort zurück. „Ich dusche zu Hause! Geh nur schnell Pipi machen und Zähne putzen“, rief er und eilte ins Bad. Viktor hob beide Hände und ließ sie wieder fallen. „Dann eben nicht“, murmelte er und folgte ihm. „Bin gespannt, ob wir es jemals miteinander unter die Dusche schaffen!“ Er trat ein und Chris saß auf dem Klo. „He, Mann, Alter“, schimpfte der los. „Jetzt mach mal halblang“, meinte Viktor, „ich habe dir schon beim Bieseln zu gesehen, da warst du nicht so gschamig!“ „Häh?“, machte Chris irritiert. „Da warst du nicht so schamhaft“, antwortete Viktor betont hochdeutsch. „Warum willst du nie mit mir duschen?“, fragte er dann gerade heraus. Chris war erst einmal rot angelaufen. „Würdest du dich bitte umdrehen?!“, blaffte er zu ihm hin. Viktor sah ihn kurz schief an und wandte ihm den Rücken zu. „Und? Sagst du es mir jetzt?“ Chris seufzte schwer. „Viktor, ich“, sagte er leise, „bitte, ich kann nicht. Ich“, er biss sich verzweifelt auf die Unterlippe und Viktor sah ihn wieder an. „Hey, Babe, was ist denn?“, sagte er fürsorglich und ging sofort zu ihm. „Schatz, du musst nicht, mit mir duschen“, meinte er leise und zog ihn an sich. „Viktor“, schluchzte Chris fast, „bitte, ich muss dir was sagen, etwas ganz Schlimmes, aber erst, wenn du wieder da bist, ja?“
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„Was denn? Etwa, dass du noch nie geduscht hast?“, meinte Viktor schmunzelnd. „Blödmann!“, schluchzte Chris und musste doch lachen. „Bitte, gib mir noch ein wenig Zeit, ja?“ „Okay“, meinte Viktor langgezogen. „Dann gehe ich jetzt duschen, ja? Sonst ist der blöde Flieger auch weg!“ Chris nickte und nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, ging er zurück ins Schlafzimmer, zog sich die Jogginghose und Viktors T-Shirt an und wartete auf ihn. Zu seiner Verblüffung kam Viktor bereits fertig angezogen, aus dem Nebenraum. Er war frisch rasiert und trug einen eleganten, dunkelgrauen Geschäftsanzug, natürlich maßgefertigt. „Wow!“, machte Chris, „siehst du gut aus! Du bist echt, ein super schöner Mann, voll krass, Alter!“ Viktor lachte erst einmal kurz auf. „Echt? Dann mach ich was her? Muss ich nämlich!“, meinte er leicht unsicher. „Das schaffst du schon“, sagte Chris zuversichtlich und seufzte dann wieder. „Ich kann es gar nicht erwarten, bis du wieder da bist! Du rufst mich doch an, ja?“ Viktor hob beide Augenbrauen. „Tja, Schatz, das würde ich ja gerne, aber ich habe deine Nummer nicht!“, sagte er überheblich grinsend. Chris sah ihn verlegen an. „Ich kann sie dir geben“, nuschelte er betreten. „Ach? Ich dachte, du weißt sie nicht?!“, sagte Viktor erstaunt. „Doch, hab sie auswendig gelernt“, wisperte Chris. „Ach! Jetzt erst, oder wusstest du sie damals schon?“ Chris nickte leicht. „Wusste sie schon!“ „Dann hast du mich angelogen!“, sagte Viktor und zeigte anklagend auf ihn. „Höchstens geschwindelt“, murmelte Chris und zog den Kopf ein. „Du kleines Miststück! Du hast mich tatsächlich verarscht!“, rief Viktor und sah ihn schockiert-belustigt an. „Hast dir gedacht, ich bums den Alten mal kurz durch und tschüss!“ „So ähnlich?“, antwortete Chris, leicht schmunzelnd und sah ihn lieb-bittend, an. „Ich gebe meine Nummer nie beim ersten Date her“, sagte er dann ernst. Viktor winkte ihn heran. „Herkommen, sofort!“, befahl er und Chris trottete heran. Viktor legte seine Hände an dessen Hüften und schüttelte ihn kurz. „Du lügst mich nie wieder an! Auch nicht schwindeln, kapiert? Sonst setzt es wirklich was! Chris, so war ich hier stehe, ich verhau dir den Hintern!“ Chris zog zuerst etwas den Kopf ein, doch dann viel er ihm stürmisch um den Hals. „Ja, das darfst du! Du darfst alles mit mir machen, was du willst, wenn du wieder da bist! Auch duschen! Ich verspreche es dir!“, schluchzte er wieder den Tränen nahe. „Schatz, ist ja gut“, sagte Viktor beruhigend, „komm, lass uns nach unten gehen, ja? Aber zuerst, deine Nummer!“ Er schob ihn von sich, nahm sein Handy und sah ihn erwartungsvoll an. Chris sagte die Zahlenreihe auf und Viktor tippte mit. „Ok, wir werden sehen!“, meinte er, „wehe, sie stimmt nicht!“ „Na hör mal, ich bin doch nicht doof“, antwortete Chris schon wieder etwas schnippisch. Viktor nahm seine Hand und zog ihn mit sich. Unten trafen sie sogleich auf Viktors Haushälterin und die blickte überrascht von ihrer Arbeit auf. „Guten Morgen, Karla“, sagte Viktor gutgelaunt. „Oh, Viktor, Sie sind noch da?“, fragte sie erstaunt. „Wollten Sie nicht nach China?“ Das Radio dröhnte im Hintergrund und Viktor runzelte kurz die Stirn. „Ähm, ja! Ich fliege erst heute Nachmittag!“, antwortete er laut. „Und dieser nette, junge Mann ist Chris! Er ist mein neuer Freund und wohnt ab heute sozusagen hier“, fügte er wie nebenbei und völlig selbstverständlich hinzu, legte dabei seinen Arm um Chris` Taille und grinste ihn an. „Ach!“, machte Karla im ersten Moment nur und sah sie beide noch überraschter an. Dann streckte sie Chris prompt die rechte Hand hin. „Tja dann, ich bin Karla, Viktors gute Seele, wie er immer sagt! Herzlich willkommen!“, sagte sie erfreut und schüttelte Chris kräftig die Hand. Sie war eine recht flott
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