Sie fuhren auf dem Weg zur Villa noch an einem Supermarkt vorbei und kauften ein. Chris bestand darauf zu bezahlen und schluckte etwas, als er die Rechnung sah. Er hatte Viktor gebeten, einen Lambrusco auszusuchen und der hatte natürlich, den teuersten genommen. Als sie am Haus angekommen waren, entschuldigte sich Viktor und ging in sein Arbeitszimmer, um die Mails zu checken. Chris zog sich aus und ging auf die Terrasse. Er schwamm ein paar Bahnen und legte sich dann nackt in die Sonne. Etwa eine Stunde später kam Viktor zu ihm heraus und betrachtete ihn schmunzelnd. „Dir ist schon klar, dass hier überall Kameras sind“, sagte er und deutete um sich. „Hm?“, machte Chris und blinzelte ihn an. „Kameras“, wiederholte Viktor und deutete nach oben. „Wie bitte?“, fuhr Chris hoch, nahm sofort das Handtuch und wickelte es um seine Hüften. „Die sind aber doch nicht an, oder?“ „Natürlich, sind sie das!“, erwiderte Viktor, „oder denkst du, ich lasse das Haus unbewacht?! Schatz, ich bin so oft unterwegs, da ist es doch klar, dass ich eine Security Firma beauftragt habe, die das Anwesen rund um die Uhr überwacht!“ „Und das sagst du mir jetzt?!“, blaffte Chris ihn an. „Also, die haben mich doch jetzt nicht gesehen, oder?“ „Ich fürchte, doch!“, meinte Viktor schmunzelnd. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du ein Anhänger der Freikörperkultur bist.“ „Scheiße, Mann! Und jetzt?“ „Nichts, und jetzt“, erwiderte Viktor gelassen, „die haben dich gesehen, aus die Maus!“, lachte er. „Ich hoffe, du hast dich anständig benommen und dir keinen runtergeholt!“ Chris sprang auf und stürzte ins Haus. „Und hier drinnen?“, fragte er aufgebracht. Viktor folgte ihm und deutete in verschiedene Richtungen. „Da ist eine und da noch eine“, meinte er erheitert, „und am anderen Ende des Ganges und noch zwei, in der Halle!“ „Und oben?“, fragte Chris, mit aufgerissenen Augen. „Keine!“, antwortete Viktor, „ist schließlich mein Privatbereich und geht niemanden etwas an. Er ging zu einer kleinen Schalttafel, die neben der Terrassentür angebracht war und gab einen Pin-Code ein. „So, jetzt kannst du wieder nackt herumlaufen“, sagte er und sah ihn grinsend an. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Das sieht doch keiner, oder?“ Chris sah ihn beinahe verzweifelt an.
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„Schatz! Die Security Leute, haben dich nackt gesehen! Aber das Band wird automatisch gelöscht, spätestens, nach vierundzwanzig Stunden!“ Chris schnaufte einige Male hektisch durch, stand kurz davor zu hyperventilieren und Viktor sah ihn besorgt an, als der sich schwankend am Tisch festhielt. „Alles in Ordnung?“, fragte er und trat zu ihm. „Hey, Schatz, was ist denn? Das sind Profis und haben gewiss schon ganz anderes gesehen!“ Chris atmete noch immer mehr als hektisch. „Ich glaub`, mir wird schlecht“, sagte er und sank in sich zusammen. „Baby! Oh Gott! Was ist denn?!“ Viktor kniete sich neben ihn und nahm ihn in seine Arme. „Ist ja schon gut, niemand wird das jemals sehen, hörst du! Liebling, bitte, sag doch etwas!“ Chris erschlaffte zusehends in seinen Armen und war tatsächlich für einige Sekunden bewusstlos. Viktor hob ihn hoch, trug ihn zum Sofa und legte ihn darauf. „Schatz, bitte, sag was“, flehte er und spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Chris sog plötzlich die Luft ein und öffnete die Augen. „Geht schon wieder“, sagte er matt und Viktor zog ihn in seine Arme. „Oh Baby, ich hab` gedacht, ich müsste sterben“, raunte Viktor völlig aufgelöst und den Tränen nahe, „was war denn nur los?“ „Keine Ahnung“, log Chris, „vielleicht nur zu viel Sonne!“ „Soll ich einen Arzt rufen?!“, fragte Viktor außer sich, vor Sorge. „Nein, bloß nicht! Geht schon wieder. Das passiert mir öfter, ich habe `nen niedrigen Blutdruck, das ist alles!“, erwiderte Chris und schnaufte durch. „Kannst du mir bitte was Kaltes zu trinken bringen? Ein Glas Wasser, oder besser `ne Cola?“ „Natürlich, sofort!“ Viktor sprang auf, eilte zum Kühlschrank, holte eine Dose heraus und brachte sie ihm geöffnet. „Hier, Schatz“, sagte er und setzte sich neben ihn. „Danke“, meinte Chris, trank einige Schlucke und rollte sich dann die kalte Dose, über die Stirn. „Oh, das tut gut!“ „Ja, warte“, sagte Viktor schnell, lief erneut zum Kühlschrank, holte einige Eiswürfel heraus, wickelte sie in ein Tuch und kam wieder zu ihm zurück. Ganz vorsichtig legte er das Bündel in Chris` Nacken. Und der sah ihn betreten an. „Danke, du bist lieb“, sagte er und sah ihn lächelnd an. Viktor stand vor ihm und blickte ernst auf ihn hinab. „Soll ich nicht doch einen Arzt rufen?“ „Nein, wirklich nicht! Es geht mir doch schon besser, echt!“, sagte Chris fest. Viktor lief einige Male vor ihm auf und ab und blieb plötzlich stehen. „Als ich dich so gesehen habe, so leblos, da dachte ich, mein Herz würde stehen bleiben“, sagte er leise. „Ich habe meine toten Eltern gesehen, nach dem Unfall, als sie aufgebahrt dalagen und sie sahen genauso aus. So blass und leblos!“ Er schluckte schwer, presste sich plötzlich die Fäuste gegen die Schläfen und kniff fest die Augen dabei zusammen. Dann sah er ihn mit aufgerissenen Augen an. „Bitte, Chris, geh nicht weg! Verlass mich nicht!“, sagte er laut und sank vor ihm auf seine Knie. „Ich will alles tun, was du möchtest, nur bitte, geh nicht fort“, flehte er ihn an. „Scheiße“, sagte Chris erschüttert und beugte sich zu ihm hin. „Hey, ist ja gut“, raunte er beruhigend und nahm ihn in seine Arme. „Ich werde nicht gehen, hm, alles ist gut.“ „Chris, bitte geh nicht fort“, flüsterte Viktor erstickt, „wenn du mich allein lässt, weiß ich nicht mehr weiter, ich weiß gar nichts mehr…“ `Oh, Mann´, dachte Chris, `was ist denn nun los? Der ist ja total, durch den Wind, voll durchgeknallt.´ „Ist ja gut“, sagte er nochmals eindringlich, „Ich gehe nicht, hörst du? Ich werde nicht gehen!“ Er nahm ihn bei den Schultern und schüttelte ihn kurz. „Viktor!“ Viktor hob den Blick und sah ihn seltsam verklärt an. „Ja?“ „Alles klar?“, fragte Chris ein wenig irritiert. „Ja!“, antwortete Viktor mit fester Stimme und nickte einmal dabei. Er erhob sich und setzte sich
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neben ihn, auf die Couch. „Entschuldige bitte, ich weiß selbst nicht, was da gerade mit mir los war. Manchmal, träume ich noch immer davon und sehe sie tot daliegen.“ „Naja, du warst noch sehr jung, eigentlich noch ein Kind“, meinte Chris, „kein Wunder, dass dir das zu schaffen macht. Hast du schon mal mit jemanden darüber gesprochen?“ „Mit meiner Oma“, antwortete Viktor, „und die meinte immer, dass das schon irgendwann vergehen würde.“ „Nein, ich meinte mit einem Therapeuten“, sagte Chris ernst und Viktor sah ihn beinahe entsetzt an. „Du meinst so einen Psycho-Fritzen?“, erwiderte er zynisch, „nein, danke! Die verdrehen dir nur dein Hirn!“ Chris warf ihm einen schiefen Blick zu und seufzte. „Das tun sie nicht! Manchmal tut es gut, wenn man mit jemanden reden kann, besonders über seine Ängste und Sorgen!“ „Klingt ja fast so, als ob du damit Erfahrung hättest“, sagte Viktor spöttisch. „Bevor ich zu so einem gehe, ersäufe ich mich lieber! Und außerdem habe ich Vincent, mit dem kann ich übrigens über alles reden! Hast du denn keinen, besten Freund?“ Chris wich seinem Blick aus und pulte an seinen Fingernägeln. „Doch, schon, klar!“, antwortete er, „in erster Linie, meine Schwester. Der erzähle ich halt immer alles.“ „Siehst du“, meinte Viktor bestätigend, „Hauptsache, man hat jemanden, dem man sich anvertrauen kann!“ Chris nickte und stand auf. „Ich werde uns jetzt erstmal was zu essen machen“, sagte er und schnaufte durch. Viktor erhob sich sofort. „Nein! Du legst dich besser hin! Ich kann uns etwas bestellen!“, sagte er, wieder ganz der Alte. „Blödsinn, mir geht es gut“, sagte Chris und wollte gehen, doch Viktor hielt ihn fest. „Du legst dich hin! Wenigstens noch eine Weile!“, entgegnete er beinahe scharf. „Jetzt hör mir mal gut zu!“, fuhr Chris ihn plötzlich aufgebracht an und riss sich los. „Ich bin kein Püppchen! Ich sagte, es geht mir gut! Verdammt, nochmal! Es war nur ein kleiner Schwächeanfall, mehr nicht! Und jetzt, mache ich die Lasagne! Ich bekomme nämlich langsam Hunger!“ Viktor nahm fast ein bisschen erschrocken den Kopf zurück. „Wirklich?“, fragte er, „aber dann helfe ich dir wenigstens, ja?“ „Viktor!“, sagte Chris ermahnend. „Hör endlich auf! Du musst mich nicht, mit Samthandschuhen anfassen! Und gut, ich kann Hilfe gebrauchen! Hast du eine Schürze?“ „Küche, hinter der Tür“, antwortete Viktor respektvoll und folgte ihm nach. „Klasse!“, meinte Chris, nahm sich eine Schürze, legte sie sich um seinen Hals und band die Bänder hinter dem Rücken zusammen. „Setz dich und schneid` schon mal die Zwiebeln“, sagte er, „und ich kümmere mich um das Fleisch! Hast du `nen Mixer?“ Viktor nickte schmunzelnd. „Zu Befehl“, sagte er, „ähm, wie viele? Und der Mixer, steht da, im Schrank!“ Chris warf einen abschätzenden Blick auf die Zwiebeln. „Zwei, müssten reichen, aber ganz fein hacken!“, meinte er und machte sich ans Werk. Viktor grinste nur kopfschüttelnd und schnitt unter Tränen, die Zwiebeln. „Du kleines Biest“, sagte er als er fertig war und wischte sich mit dem Handrücken, über die wässrigen Augen. „Das war wohl absichtlich, von dir, hm? Wolltest dich rächen, wegen heute Morgen!“ „Tja, Rache ist süß, wie man so schön sagt“, erwiderte Chris schelmisch grinsend. „Leg dich besser nicht, mit einem Engel an! Und außerdem, wollte ich dich nur mal heulen sehen!“ „Biest! Und wieso Engel, du kleiner Teufel!“, antwortete Viktor. Chris sah ihn verwundert an. „Engel, das ist mein Name“, sagte er, „Christian Engel! Wusstest du das nicht?“ Viktor nahm den Kopf zurück. „Im Ernst?“, fragte er ungläubig. „Nein, wusste ich nicht, woher auch!
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