Viscontis Lächeln war weggewischt. „Es tut mir leid, Sophie! Aber wir haben dich nur deshalb unter Vertrag genommen. An einer mittelmäßigen Schauspielerin lag uns nichts. Uns lag allein an Sophie Hohenfels, die ihr eigenes Leben brutal und schonungslos ausbreitet. Mit einer erbarmungslosen Offenheit bis ins intimste Detail. Dein Name ist überall bekannt. Wir müssen das Eisen schmieden, solange es heiß ist!“
„Nein!“ Sophies Mundwinkel zuckten. „Du weißt nicht, was ich durchgemacht habe. Und deshalb spiele ich diese Rolle nicht!“
„Du musst!“ Visconti war aufgestanden. „Wir können dich vertraglich zwingen. Und wenn du dich sträubst, werden wir es tun!“
„So?“
„Ich will keine Widerrede hören. Haben wir uns verstanden?“
Viscontis Gesicht hatte einen fast brutalen Ausdruck angenommen. Ohne eine Antwort ließ er Sophie allein. In ihren Augen standen Tränen. Und sie wusste selbst nicht, ob es Tränen der Wut oder Tränen der Hilflosigkeit waren. Sie ahnte jetzt, dass der Schinken, den sie hier abdrehten, nichts weiter als die Generalprobe war.
Dr. Simon Urslingen hatte einen schweren Tag hinter sich. Zwar zahlte Constantin Film nicht schlecht, dafür musste er als Unfallarzt aber auch ständig erreichbar sein. Und die Dreharbeiten dauerten meist bis in die späte Nacht.
Dr. Urslingen bereitete sich im Ordinationszimmer der Gesellschaft auf den Feierabend vor, als ein Wachmann hereinstürzte: „Kommen Sie sofort, Doktor! Ein Unfall in Studio 16!“
Simon griff nach seiner bauchigen Instrumententasche und folgte dem Wachmann. Vor den Sologarderoben des Studios schien der Teufel los zu sein. Die Männer des Aufnahmestabes standen gestikulierend herum.
Ein Assistent führte den Arzt hinein. Dabei sagte er hastig: „Sophie Hohenfels ist verletzt! Bitte schnell!“
Sophie Hohenfels? Simon zuckte mit den Schultern. Er hatte den Namen noch nie gehört. Sophie lag auf einem Ruhebett. Sie sah sehr dekorativ aus.
Neben ihr stand Visconti und lamentierte: „Dass du uns auch das noch antun musstest! Zwei Stunden später, und der Film wäre abgedreht gewesen!“
Dr. Urslingen schob den Regisseur einfach zur Seite: „Raus hier! Sie stören.“
Nur die Garderobiere war anwesend, als Dr. Urslingen die Patientin untersuchte. Sonor fragte er: „Wo fehlt es denn?“
Sophie deutete auf ihr rechtes Fußgelenk.
„Haben Sie starke Schmerzen?“ Er betastete Unterschenkel, Fessel und Fuß. Sophie stöhnte leise.
„Aha“, nickte Urslingen. „Sehnenzerrung.“
„Ist es schlimm?“ Sophie sah ihn ängstlich von unten an.
„Hm“, brummte er und wiegte den Kopf. Im Stillen verfluchte er die Wehleidigkeit der Schauspielerin. Wäre das seiner Frau zugestoßen, sie hätte vermutlich nicht einmal etwas gesagt.
„Nun, Doc?“
„Einige Tage werden Sie das Bein sehr schonen müssen.“
Er hütete sich, die Zerrung zu bagatellisieren. Stars haben einen Anspruch darauf, selbst bei der geringsten Blessur als Todeskandidat zu gelten. Mit einem flüchtigen Blick bemerkte der Arzt, dass Sophie sehr schöne Beine hatte.
Dann bandagierte er sorgsam das Gelenk. Sophies Körper entspannte sich. Ihre Augen ruhten auf dem Gesicht des jungen Arztes. Hübsch ist er eigentlich nicht, dachte sie. Und sie wusste selbst nicht, warum sie dies feststellte. Aber sie fand ihn beeindruckend sympathisch. Langsam löste sich ihr Blick wieder von ihm.
„Sind Sie schon lange Arzt?“
„Wie man es nimmt.“ Er begann den Inhalt seiner Tasche zu ordnen.
„Ich sehe Sie zum ersten Mal hier.“
Ich Sie auch, wollte er sagen. Aber er schwieg.
„Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen“, lobte sie ihn, ohne es zu wollen. Es war mehr als nur ein geschäftsmäßiges Kompliment. „Sie sind so anders als die Männer, mit denen ich beruflich zu tun habe.“
Dr. Urslingen nahm seine Tasche auf. „Die weitere Behandlung wird ja wohl Ihr Hausarzt übernehmen. Ich wünsche Ihnen gute Besserung, Madame!“
„Ich hätte gerne, dass Sie mich weiterbehandeln, Doktor.“ In ihren großen Augen funkelte Katzengold, das perlend wie Sekt unter seine Haut ging. „Ich habe großes Vertrauen zu Ihnen.“
„Ich werde morgen Vormittag bei Ihnen hereinschauen!“ Dr. Simon Urslingen fühlte sich plötzlich unsicher wie ein Schuljunge.
Auf dem betonierten Korridor wartete Luca Visconti: „Nun, lieber Doc? Ist es schlimm?“
Simon fühlte sich verpflichtet, seine Privatpatientin in Schutz zu nehmen. Nicht nur, weil sie überdurchschnittlich hübsch und hilflos war.
„Frau Hohenfels muss mindestens eine Woche pausieren. Dann können Sie mit ihr weiterarbeiten.“
„Mamma mia! Das kostet ein Vermögen! Der Chef schmeißt mich raus! Und alles nur, weil das Mädchen über ein dämliches Kabel stolperte!“
„Es gibt Schlimmeres!“
Dr. Urslingen klopfte ihm tröstend auf die Schulter und fuhr müde nach Hause. Seine Frau Laura hatte trotz der späten Stunde mit dem Abendessen auf ihn gewartet.
„Heute war es zum ersten Mal ein Star, den ich behandeln durfte.“ Er stocherte missmutig im Essen.
„Ist sie hübsch?“ Laura Urslingen strich sich kokett eine Strähne ihres vollen, platinblonden Haares aus dem Gesicht. Sie war ein interessanter, ansprechender Typ.
„Woher weißt du, dass es eine Frau ist?“
Laura lächelte schalkhaft: „Ich sehe es dir an.“
„Hässlich ist sie auf keinen Fall.“ Simon legte die Gabel aus der Hand. „Sophie Hohenfels heißt sie. Hast du den Namen schon einmal gehört?“
„Sophie Hohenfels?“ Laura nickte lebhaft. „Das ist die Frau des Schriftstellers Daniel Hohenfels. Er wurde vor einem knappen Jahr vergiftet. Sie war Mittelpunkt eines Mordprozesses. Aber man hat sie freigesprochen.“
„So!“ Simon Urslingen runzelte die Stirn. „Ist sie eine gute Schauspielerin?“
„Man sagt ihr eine große Karriere voraus!“ Laura tippte ihren Mann mit keckem Zeigefinger auf die Nase. „Gefällt sie dir etwa?“
„Keine Spur“, grinste er breit. „Aber sie ist trotzdem ein Bild von einer Frau. Selbst die größten Stars wirken unter der Schminke recht gewöhnlich, sie aber ist trotzdem aufregend hübsch.“
„Du wirst sie privat weiterbehandeln?“
„Sie hat mich darum gebeten.“ Er trank einen Schluck Bier. „Oder bist du eifersüchtig?“
„Keine Spur!“ Laura war aufgestanden. Sie schmiegte ihren schlanken Leib fest an ihn. „Als wir heirateten, sagtest du mir, ich sei die schönste Frau der Welt. Und heute Nacht“, sie errötete leicht, „heute Nacht sagtest du mir dasselbe.“
Sie küsste ihn zärtlich auf die hohe Stirn. Er spürte die Wärme ihrer Lippen und den verheißungsvollen Druck ihres geschmeidigen Körpers. Im Unterbewusstsein verglich Simon seine Frau mit Sophie Hohenfels. Oh ja! Er fand Laura noch immer hübsch und begehrenswert, obwohl sie bereits fast vier Jahre verheiratet waren. Aber sie verbarg ihm längst kein Geheimnis mehr. Sophie Hohenfels hingegen schien wie ein ungelöstes Rätsel, das drängend lockte. Und außerdem war sie weitaus hübscher als Laura. Er musste es zugeben.
„Woran denkst du?“ Laura ahnte, dass seine Gedanken für einen Augenblick abgeglitten waren.
„An meine neue Patientin.“ Simon wich nicht aus. Er hatte nichts zu verheimlichen. „Sie ist sehr wehleidig.“
„Ihr Männer liebt doch solche Frauen?“
„Wir lieben hilflose Frauen, nicht wehleidige.“ Er stand auf und nahm Laura in die Arme. Nicht nur zärtlich allein, sondern auch begehrend.
„Nicht doch“, protestierte sie in gespieltem Ernst, als er ihr das Kleid auszog, das lautlos zu Boden glitt. Dann raschelte die hauchdünne Unterwäsche, wie von Geisterhand bewegt, hinab auf den Teppich.
Nackt stand die gutgewachsene Laura leicht verlegen vor ihrem eigenen Mann. Sie sah aus wie eine schaumgeborene Venus. Das platinblonde Haar floss schimmernd über die alabasterfarbenen Schultern.
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