Möbeln, Bildern und Wandleuchtern; er wußte nicht recht, wohin mit den Armen und Beinen, und setzte sich schließlich in einen Schaukelstuhl, weil dieser der niedrigste und bequemste war. Er hatte in der heimatlichen Hütte ja meist nur auf Schemeln gesessen.
Ich nahm mir unaufgefordert eine Cigarre, und Winnetou folgte diesem Beispiele. Leider konnte er sich nicht an unserer Unterhaltung beteiligen.
»Itzt sind wir nun alleene,« begann der Alte, »ganz alleene unter uns vernünftigen Menschen, und können also offrichtig mit eenander reden. Meenen Sie nich?«
»Gewiß,« nickte ich.
»Was sagen Sie eegentlich zum Millionär, zu meinem Schwiegersohn?« »Den kenne ich nicht.«
»Ich denke, Sie haben ihn drüben kennen gelernt?«
»Nur kurze Zeit. Seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen und auch nichts wieder von ihm gehört.«
»Hm, ja! Er hätte Ihnen wenigstens 'mal schreiben sollen; aber er is nicht gut off Sie zu sprechen. Wenn meine Tochter Sie manchmal erwähnt, da kann er fuchsteufelswilde werden.«
»Hat er dazu einen Grund?«
»Nee, keenen eenzigen. Aber er fängt gleich früh zu trinken an und is deshalb den ganzen Tag benebelt.« »Was Sie sagen!«
»Ja, so is es! Er muß das von seiner Mutter geerbt haben, die ja ooch am Säuferwahnsinn gestorben is.« »Was sagt Ihre Tochter dazu?«
»Was soll die sagen! Die hat gar nichts zu sagen. Wenn die will, daß er etwas nich machen soll, da braucht sie ihn nur zu bitten, daß er's machen soll.«
»Steht es so? 0 weh! So ein Leben -«
»Grad wie Hund und Katze!« fiel er ein. »Aber, wissen Sie, wir Millionäre können uns das leisten. Er wohnt unten und sie oben; sie reden den ganzen geschlagenen Tag keen Wort mitnander, höchstens wenn er mal zum Essen kommt.«
»Wurde es denn gleich im Anfange so gehalten?«
»Nee. Droben im Oel-Schwamp war es anders. Da lebten wir ganz so, als ob wir zusammen gehörten; aber seit dieser Mister Potter unser Compagnon geworden is, hat sich een ganz anderes und viel vornehmeres Leben eingestellt. Wissen Sie, diesen Potter kann ich sehr gut leiden. Er hält ooch große Stücke off meine Tochter.«
»Ihr Schwiegersohn habe soviel zu thun, klagt Ihre Tochter?«
»Unsinn! Glooben Sie doch das nich! Der Potter versorgt das ganze Geschäft. Der rennt und schreibt und arbeitet Tag und Nacht. Der Werner aber, der bummelt bloß. Der is Mitglied von Klubbs und andern Gesellschaften, wo tüchtig getrunken und gespielt wird. Er wär ooch een Esel, wenn er das nich thäte, denn er is ja Millionär und kann es machen. Der Potter mag nur immer für ihn arbeiten.«
In dieser Weise ging es fort und fort, weiter und weiter. Der Alte faselte das Blaue vom Himmel herunter, stützte sich nur auf die Millionen seines Schwiegersohnes und hatte keine Ahnung davon, daß er mir dabei einen Einblick in die geschäftlichen und familiären Verhältnisse des Hauses bot, bei welchem mir angst und bange wurde. Ob Martha ihren Mann liebte oder nicht, darüber konnte ich nicht klar werden. War es nicht der Fall, so bemühte sie sich, es zu verbergen. Das Paar hatte in der ersten Zeit recht gut gelebt; dann aber war Potter erschienen und hatte die Bekanntschaft Werners gemacht. Es kam mir ganz so vor, als ob dieser Yankee es auf das Vermögen Werners abgesehen habe. Werner schien ihm alles Vertrauen zu schenken und nach und nach in eine Falle zu gehen, in welcher er seinen geschäftlichen Ruin finden mußte. Am wahrscheinlichsten kam es mir vor, daß Potter ihn ruinieren wolle, um mit dem Vermögen auch die schöne, junge Frau zu erlangen.
Was konnte ich da thun? Zur Entlarvung des Menschen bedurfte es Zeit, höchst wahrscheinlich langer Zeit, und dann war es wohl schon zu spät. Ich mußte versuchen, einen Einblick in die Geschäfte zu gewinnen, und dagegen sträubten sich jedenfalls alle beide. Leicht konnte ich dadurch das Uebel ärger machen. Während der Alte redselig erzählte, überlegte ich hin und her und kam zu dem Resultate, daß es am besten sei, mich in diese Angelegenheit nicht zu mischen.
Bald kam dann die Frau Vogels, um uns zum Essen zu rufen. Martha hatte keinen Diener geschickt, weil sie wünschte, daß wir ganz allein und freundschaftlich unter uns sein sollten. Es gab ein einfaches Mahl, und ich bemerkte gar wohl, daß die junge Frau sich nach langer Zeit wieder einmal innerlich wohl fühlte. Nach Tische durften wir uns im Speisezimmer wieder eine Cigarre nehmen, und Martha begab sich in den Nebenraum, welcher, wie ich bald hörte, das Musikzimmer war. Es erklangen einfache, einleitende Akkorde auf dem Pianino, und dann erscholl die herrliche Stimme der einstigen Sängerin; sie sang ein deutsches Lied.
Ich saß mit dem Rücken dem Eingange und mit dem Gesichte dem Musikzimmer zugekehrt. Winnetou saß mir gegenüber und lauschte mit angehaltenem Atem. Er verstand die deutschen Worte nicht, war aber ganz entzückt von dem Gesange. Da nahm sein Gesicht plötzlich einen ganz andern Ausdruck an; ich sah, daß er scharf nach der Thür blickte und eine Bewegung machte, als ob er vom Stuhle aufstehen wolle. Schnell drehte ich mich um. Hinter mir standen unter der geöffneten Thür zwei Männer, nämlich der Oelprinz und Potter, wie ich nachher hörte. Der letztere war ein junger Mann von gar nicht übler Figur; sein Gesicht hatte jetzt den Ausdruck lauernder Spannung. Werners stark gerötete Augen waren stier auf mich gerichtet. Er wankte hin und her. Man sah sofort, daß er betrunken war.
Da ich den mexikanischen Anzug trug, hatte er mich, ehe ich mich umwendete, nicht erkannt. Jetzt aber sah er mein Gesicht, ballte sofort beide Fäuste, taumelte auf mich zu und schrie:
»Das ist ja der Halunke, der mir meine Frau abspenstig machen wollte! Der ist da bei ihr? Und sie singt ihm dieses Lied? Alle tausend Teufel! Potter, greif zu! Dem hauen wir die Knochen weich!«
Potter folgte der Aufforderung; ich stand auf. Noch hatten sie mich nicht erreicht, so erschien Martha. Sie hatte die Stimme ihres Mannes gehört und darum das Lied unterbrochen. Sie flog herbei, stellte sich zwischen mich und die beiden, breitete die Arme aus und rief:
»Keinen Schritt weiter! Du beleidigst nicht nur mich und meine Ehre, sondern auch dich selbst!«
»Weg mit dir!« fuhr er sie an. »Ich habe mit ihm zu reden. Mit dir spreche ich dann auch!«
»Ich weiche keinen Schritt! Ich bin dem Herrn Doktor ganz zufällig begegnet und habe ihn natürlich
eingeladen. Willst du unsern Gast beschimpfen!«
»Gast? Gast?« lachte er höhnisch. »Potter ist mein Gast. Den habe ich geladen! Diesem deutschen Tintenklexer aber werde ich den Kopf waschen. Potter, komm! Wir hauen ihn, bis er nicht mehr schreien kann! Weg mit dir, Weib!«
Er ergriff sie beim Arme, ließ denselben aber sofort wieder los, denn neben ihm stand Winnetou. Eine einzige gebieterische Handbewegung desselben genügte, die beiden Angreifer einige Schritte zurückweichen zu lassen.
»Wer von euch beiden ist der Mann, dem dieses Haus gehört?« fragte der Apatsche im reinsten Englisch. »Ich bin es,« antwortete Werner, indem er sich Mühe gab, ohne Taumeln festzustehen. »Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apatschen. Hast du von mir gehört?« »Alle Teufel! - Winnetou, Winnetou!«
»Ja, das ist mein Name. Ich höre, daß du ihn kennst. Aber ich weiß nicht, ob du auch meine Eigenschaften und meine Thaten kennst. Versuche nicht, sie kennen zu lernen! Höre auf die Worte, welche ich dir jetzt sage! Hier steht mein Freund und Bruder Old
Shatterhand. Wir sind deiner Frau begegnet. Sie lud uns hierher ein, und wir folgten ihr, um dir die Ehre unserer Gegenwart zu erweisen. Wir haben hier gegessen, und sie hat ein Lied gesungen. Das ist alles, was geschehen ist. Wenn du sie das entgelten lässest, wird Winnetou sie rächen. Meine Macht reicht bis in die Mitte dieser großen Stadt und bis in den hintersten Winkel des tiefsten Kellers des entlegensten Hauses. Ich werde dich beobachten lassen. Sage nur ein zorniges Wort zu ihr, so wird einer meiner Apatschen dir mit seinem Messer antworten. Jetzt weißt du, was ich will. Handelst du nicht darnach, so ist es um dich geschehen!«
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