Einige Tage später kam Franz Vogel zu mir. Er war nicht zu bewegen gewesen, mit nach Amerika zu gehen, hatte die Seinen bis nach Bremerhaven begleitet und brachte mir einige Zeilen seiner Schwester, in denen sie sich für alles bedankte, nicht zum mindesten auch dafür, daß ich am Hochzeitsabend so außerordentlich nachsichtig gegen ihren Mann gewesen sei.
Franz blieb in Dresden. Er wurde von seinem Schwager unterstützt, trotz der Millionen desselben aber, wie es schien, nicht in ausreichender Weise, und brachte mir zuweilen Grüße von drüben. Seinen gelegentlichen Aeußerungen entnahm ich, daß seine Schwester sich nicht sehr glücklich fühle, was keineswegs geeignet war, meine Ansicht über Werner günstig zu verändern. Er war ein Lump, und ich machte mir Vorwürfe, daß ich keinen ernstlichen Versuch gemacht hatte, die Verbindung der braven Sängerin mit diesem Manne zu verhindern.
Geraume Zeit später ging ich wieder nach den Vereinigten Staaten, wurde von Frisko aus als Berichterstatter nach Mexiko geschickt, machte die in den vorigen Kapiteln erzählten Erlebnisse durch und kam nach den- denselben glücklich in Texas an, wo ich von dem Gelde, welches ich erbeutet hatte, den deutschen Emigranten und dem Player Ländereien kaufte. Ich blieb längere Zeit bei ihnen und ritt dann mit Winnetou durch den Llano estacado nach Neu-Mexiko und Arizona, um zu jagen und verschiedene Indianerstämme zu besuchen. Dann ging's durch Nevada nach Kalifornien und San Franzisko, wo Winnetou den Goldstaub und die Nuggets, welche wir während dieses Rittes aus seiner verborgenen »Sparbüchse« geholt hatten, in Geld umwandeln wollte.
Unser Aufenthalt dort war nur auf einige Tage berechnet. Wir waren schon oft in Frisko gewesen, kannten es fast ebenso gut wie ein dortiger Einwohner, und sagten uns, daß wir unsere Zeit weit besser anwenden könnten, als uns in einer bekannten Stadt herumzutreiben. Wir wollten hinauf in die Sierra, nach Nevada, Utah und Colorado, um uns dort zu trennen, denn von dem letzteren Staate aus wollte ich durch Kansas und Missouri nach dem Osten, um per Dampfer heimzukehren.
Unsere Geschäfte in Franzisko waren schnell erledigt; dann schlenderten wir durch die Stadt. Ich trug noch meine mexikanische Kleidung und er seinen Indianeranzug; dies zog aber den Blick keines einzigen Menschen auf uns, denn solche Erscheinungen, wie wir waren, gehörten dort zu den gewöhnlichen.
Am Nachmittage besuchten wir die berühmten Woodwards Gardens, welche sich leicht mit unsern botanischen und zoologischen Gärten vergleichen lassen. Eben wollten wir da ins Aquarium treten, als uns drei Personen entgegenkamen, die ich zufälligerweise gar nicht beachtete, welche aber, wie ich doch bemerkte, bei unserem Anblicke stehen blieben. Ich sah sie gar nicht an. Sie waren wohl Fremde, die sich für die charaktervolle Erscheinung Winnetous interessierten. Aber als wir vorüber waren, hörte ich die mehr als heimatlichen Worte:
»Sapperlot! Is das nich der Dres'ner Doktor, der meine Kinder nach Dres'en mitgenommen hat?«
Natürlich drehte ich mich um; da standen die drei, zwei Damen und ein Herr. Die eine der Damen war verschleiert; ich konnte ihre Züge nicht erkennen. Die andere Dame steckte in einem sehr noblen Kleide, welches ihr aber nicht recht stehen wollte; es sah aus, als gehöre sie nicht hinein. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor; aber der Anzug und die fremde Gegend machten, daß ich mich nicht sofort auf sie besinnen konnte. Der Herr trug sich genau wie ein echter Yankee, sah aber dabei so lächerlich aus, daß ich, als ich ihm ins Gesicht sah, schmunzelnd ausrief:
»Was Teufel! Sind Sie es denn wirklich? Sie sind ja der reine Amerikaner geworden!«
Ja, es war der Celloist Vogel, der Vater von Franz und Martha aus dem Erzgebirge. Auf meine Worte richtete er sich um einen Zoll höher auf, warf sich in die Brust und antwortete:
»Nich nur Amerikaner, sondern ooch Millionärsch sind wir geworden; denken Sie sich nur, die reenen faktischen Millionärsch. Aber warum fragen Sie nich nach meiner Frau und Tochter hier? Kennen Sie sie etwa nich mehr?«
Also die ältere Dame in dem unpassenden Kleide war Frau Vogel und die andere - - Martha, die Schwester meines Schützlings. Sie schob den Schleier empor und reichte mir die Hand.
»Ja, 's is meine Tochter, die Frau Oelprinzessin, die Millionärin!« nickte ihr Vater wichtig. »Wissen Sie, drüben im Erzgebirge wohnen ooch noch Leute, aus denen so was Ordentliches werden kann! Aber 's Zeug muß man dazu haben, 's richtige, ordentliche Zeug!«
»Vater!« bat da die Tochter. »Du weißt ja, daß wir alles eben nur diesem Herrn zu verdanken haben!«
»Na, eegentlich ja; wie man's nimmt. Er hat uns mit der Nase droffgestoßen; aber daß wir nachher mit der Nase droffgeblieben sind, das war die Folge von unserer eegenen und angebotenen Pfiffigkeet. Doch darum keene Feindschaft nich. Zu was treiben denn Sie sich hier in Amerika herum?«
»Aus alter Gewohnheit. Sie wissen doch, daß ich öfters reise.«
»Ja. Und daran thun Sie sehr recht, denn wer eene große Reese macht, der kommt als gebildeter Mann heeme. Ich hab das an mir selber erfahren. Ich bin als een ganz anderer hier angekommen, als ich drüben war. Wissen Sie, man is ooch eener von die Großen mit geworden. Man kriegt ordentlich Respekt vor sich selber. Hier is alles anders, schöner, vornehmer und teurer. Aber unsere Einrichtung haben Sie noch nich gesehen, da müssen Sie gleich mit! So 'was haben Sie noch nich gesehen. Wir wohnen wie die Ferschten oder Großherzoge. Kommen Sie! Sie setzen sich mit in unsere Eckipaasche. Sie brauchen keene Angst zu haben, wir haben Platz genug für Sie.«
»Thut mir leid; ich bin jetzt anderweit beschäftigt. Auch bin ich nicht allein. Hier steht mein Freund Winnetou, von welchem Sie, Frau Werner, doch auch gehört und gelesen haben.«
Sie hatte mit ihren Augen bis jetzt nur an mir gehangen und den Apatschen gar nicht beachtet. Jetzt wen-wendete sie sich Winnetou zu, reichte ihm auch die Hand und fragte mich dann:
»Also keine Zeit haben Sie? Wie lange bleiben Sie hier?«
»Wahrscheinlich verlassen wir schon morgen San Franzisko.«
»Und da wollen Sie nicht mit uns kommen? Wissen Sie nicht, daß dies grausam ist? Kommen Sie mit! ich bitte Sie!«
»Und Ihr Herr Gemahl - -?«
»Wird sich herzlich darüber freuen. Wahrscheinlich aber ist er nicht daheim.«
»Gut, ich fahre mit. Erlauben Sie mir nur einen Augenblick, mich von meinem Freunde zu trennen.«
»Nein, das nicht. Ich habe von dem berühmten Häuptlinge soviel gelesen und auch gehört, daß ihm meine größte Hochachtung gehört. Bitten Sie ihn ja, mitzukommen!«
»Ja,« nickte ihr Vater, »der Indianer muß ooch mit. Er braucht sich vor uns nich im geringsten zu fürchten; wir sind Leute, die keenen Wilden was zu leede thun. Aber fünf Personen gehen nich in unsere Eckipaasche; ich werde also mit meener Frau eene Droschke, oder wie man hier sagt, nehmen. Komm, Hanne, du gehst mit mir! Wir kommen schon ooch noch zur rechten Zeit eheeme.«
Er zog sie fort. Winnetou hatte natürlich von unserm Gespräch, welches deutsch geführt wurde, nur wenig verstanden; dennoch war weder ein Wort, noch ein Wink nötig. Als ich Martha meinen Arm bot, nahm er sofort an ihrer rechten Seite Platz und schritt so stolz und selbstbewußt neben ihr her, daß sie sich seiner ganz sicher nicht zu schämen brauchte.
Am Wagenplatze wartete die Equipage des »Oelprinzen«. Einen solchen Wagen und solche Pferde konnte sich allerdings nur ein Millionär leisten. Wir stiegen ein und setzten uns der Dame gegenüber, um dann mit der Geschwindigkeit des Windes davonzurollen.
Unser Zusammentreffen mit den Bekannten hier in Frisko war ein Zufall, über den ich mich nicht zu wundern brauchte; aber sie besaßen hier ein Haus oder gar einen Palast, und das kam mir verwunderlich vor. Warum wohnte Werner nicht droben in den Bergen bei seinem Oelwerke? Natürlich sprach ich diese Frage nicht aus; sie mußte sich in kurzer Zeit ganz von selbst beantworten.
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