– Gewiß… gewiß… fiel Jovita Foley wieder ein. Verzweifeln Sie übrigens noch nicht, Herr Real, was uns jetzt geschieht, kann auch Ihnen geschehen. Natürlich wär’ es besser gewesen, wenn ein anderer als Sie das Gefängniß zu beziehen gehabt hätte, etwa Tom Crabbe, der Commodore Urrican oder Hermann Titbury. Deren Besuch hätten wir mit größerer Genugthuung gesehen… als den Ihrigen… das heißt… ich drücke mich wohl nicht richtig aus… nun, immerhin, vielleicht erlöst Sie einer von diesen doch recht bald…
– Das ist wohl möglich, Miß Foley, erwiderte Max Real, doch gar zu viel ist nicht darauf zu rechnen. Glauben Sie mir getrost, daß ich mich philosophisch diesem Querstrich füge. Die Partie zu gewinnen, daran hab’ ich überhaupt nie gedacht…
– Und ich ebenfalls nicht, beeilte sich Lissy Wag zu versichern.
– O doch… doch, versicherte Jovita Foley, wenigstens habe ich für sie es geglaubt.
– Und ich erhoffe es noch, Miß Wag, setzte der junge Mann hinzu.
– Ich aber erhoffe das für Sie, Herr Real, antwortete das junge Mädchen.
– Da seh’ einer! rief Jovita Foley. Sie können doch nicht alle beide gewinnen…

Max Real blieb auf dem Bahnsteige stehen. (S. 423.)
– Das ist freilich unmöglich, sagte Max Real lachend. Es kann nur einen einzigen Gewinner geben…
– Oho! rief Jovita Foley, die immer wärmer wurde. Wenn Lissy gewinnt, erhält sie die Millionen, und wenn Sie als Zweiter ankommen, fallen Ihnen die gesammten Einsätze zu…
– Wie Du das hübsch einzurichten verstehst, meine arme Jovita! bemerkte Lissy Wag.
– Nun, warten wir alles ruhig ab, meinte Max Real, und stellen wir dem Geschick die Entscheidung anheim. Möchte diese für Sie günstig sein, Miß Wag!«
Er fand das junge Mädchen immer reizender, das lag klar vor Augen.
Jovita Foley war aber auch nicht auf den Kopf gefallen.
»Sieh da… sieh da, sprach sie für sich, warum eigentlich nicht?… Das würde ja die Lage sehr vereinfachen, und es wäre gleichgiltig, welcher von beiden das Ziel zuerst erreichte!…«
Ja, sie kannte das menschliche Herz, und vor allem das ihrer Freundin, gar zu gut.
Alle drei plauderten nun von dem Verlauf des Matches, von den Zwischenfällen im Laufe der Fahrten, von den Naturschönheiten, die sie auf dem Wege von einem Staate zum anderen hatten genießen können, von den Wundern des Nationalparks des Yellowstone, den Max Real gewiß niemals vergaß, und von denen der Höhlen von Kentucky, die Lissy Wag und Jovita Foley gewiß ewig im Gedächtniß behielten.
Dann berichteten die jungen Mädchen von dem Vorfalle mit den dreitausend Dollars. Ohne die edelmüthige Sendung des Herrn Humphry Weldon, die unter Umständen erfolgt war, welche eine Abweisung unmöglich machten, hätte Lissy Wag sich von der Partie ganz zurückziehen müssen.
»Wer ist denn dieser Herr Humphry Weldon? fragte Max Real etwas beunruhigt.
– Ein prächtiger Herr in hohen Jahren, der sich für uns interessirte, belehrte ihn Jovita Foley.
– Jedenfalls nur infolge einer eingegangenen Wette, setzte Lissy Wag hinzu.
– Und das ist einer, der den Betrag derselben schon so gut wie in der Tasche hat!« erklärte Jovita Foley.
Max Real verschwieg völlig. daß auch er den Gedanken gehabt hatte, der jungen Gefangenen jene Summe zur Verfügung zu stellen; doch unter welchen Voraussetzungen hätte diese sie annehmen können?…
Den laufenden und den nächsten Tag verbrachten Max Real und die beiden Freundinnen gemeinschaftlich unter anregenden Gesprächen und hübschen Spaziergängen. Wenn Lissy Wag sich wegen des Unglücks Max Real’s sehr betrübt zeigte, so zeigte sich dieser sehr beglückt, weil Lissy Wag davon großen Vortheil hatte. Seit vierundzwanzig Stunden hatte sich auch in den Agenturen eine Wandlung zu Gunsten der fünften Partnerin vollzogen. Die Reporter belagerten förmlich das Cleveland Hotel, um Lissy Wag zu interviewen, während diese sich stets weigerte, sie zu empfangen, und die Wettlustigen wurden ihrem alten Favoriten zu Gunsten der neuen Favoritin untreu. Nach dem heutigen Stande der Partie war ja Lissy Wag, obwohl sie nach dem von Max Real verlassenen vierundvierzigsten Felde zurückgehen mußte, doch nur gegen Tom Crabbe, der sich auf dem siebenundvierzigsten, und gegen X. K. Z., der sich auf dem einundfünfzigsten Felde aufhielt, etwas im Rückstand.
»Weiß man denn endlich, wer sich unter jenen drei Buchstaben verbirgt? fragte Jovita Foley.
– Noch immer nicht, antwortete der junge Maler, er hält sich versteckter als je.«
Erklärlicherweise unterhielten sich Max Real, Lissy Wag und Jovita Foley nicht ausschließlich über Dinge, die den Match Hypperbone betrafen. Sie sprachen von ihren Familien… von dem jungen Mädchen, das keine Angehörigen mehr hatte… von Frau Real, die jetzt in Chicago wohnte und glücklich sein werde, Miß Lissy Wag kennen zu lernen… von der Sheridan Street, und daß diese gar nicht so weit von der South Halsted Street liege u. s. w. u. s. w.
Jovita Foley freilich bemühte sich immer, das Gespräch auf die noch schwebende Partie und die Zwischenfälle zurückzulenken, die sich dabei noch ereignen könnten.
»Vielleicht, sagte sie, pflanzest Du, meine Liebe, nach dem nächsten Auswürfeln Deine gelbe Flagge schon auf dem letzten Felde auf!
– Das ist unmöglich, Miß Foley, ganz unmöglich, erklärte Max Real.
– Warum unmöglich?
– Weil Miß Wag zunächst meinen Platz im vierundvierzigsten Felde einzunehmen hat.
– Nun… und weiter, Herr Real?
– Weil die größte Augenzahl, die Miß Wag erhalten könnte, zehn und verdoppelt zwanzig betrüge, damit käme sie aber über das dreiundsechzigste Feld hinaus und müßte nach dem zweiundsechzigsten zurückkehren. Dann kann sie durch den nächsten Wurf aber nicht gewinnen, weil nur ein Auge mit zwei Würfeln nicht fallen kann.
– Sie haben völlig recht, Herr Real, antwortete Lissy Wag. Du siehst also, Jovita, Du wirst Dich schon noch gedulden müssen.
– Es giebt aber auch noch einen anderen Wurf, fuhr der junge Maler fort, der für Miß Wag höchst verderblich wäre…
– Welchen?
– Den Wurf von acht Augen, durch die sie sogar ins Gefängniß zurückkehren müßte…
– Das… das kommt nicht vor! rief Jovita Foley lebhaft.
– Und doch. meinte das junge Mädchen lächelnd, wäre es mir dann vergönnt, Herrn Real daraus zu befreien!
– Aufrichtig gesagt, Miß Wag, ich wünsche das nicht! versicherte der junge Mann.
– Und ich erst recht nicht! erklärte die hitzige Jovita Foley.
– Welche wäre denn, Herr Real, die beste Augenzahl, die ich mir wünschen könnte? fragte jetzt Lissy Wag.
– Die Zahl zwölf, weil Sie mit dieser nach dem sechsundfünfzigsten Felde, nach dem Staate Indiana, und nicht nach den entlegenen Gebieten des Fernen Westens zu gehen hätten.
– Richtig, erklärte Jovita Foley, und durch das nächste Auswürfeln könnten wir ans Ziel gelangen.
– Mit sieben Augen… ja.
– Mit sieben! rief Jovita Foley in die Hände klatschend. Sieben und die Erste der »Sieben«!
– Jedenfalls, fuhr Max Real fort, brauchen Sie sich nicht vor dem achtundfünfzigsten Felde zu fürchten, vor dem Death Valley, in das der Commodore Urrican gerathen ist, denn dazu müßten Sie vierzehn Augen erhalten, was nicht möglich ist. Und nun, Miß Wag, wiederhole ich Ihnen die aufrichtigsten Glückwünsche, die ich schon von Anfang an für Sie gehegt habe. Möchten Sie siegreich sein, das wäre mir das liebste, was ich erleben könnte!«
Lissy Wag antwortete nur mit einem Blicke, in dem sich ihre tiefe Erregung widerspiegelte.
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