Näher und näher kamen die Reiter in vollem Rosseslauf. Frances jagte voran, zu ihrer Seite, nach dem Walde zu, ritt der Oberst, sie mit seinem Leibe deckend, hinter ihnen die zwei Begleiter.
Wiederum krachte drüben ein Schuß.
»Wir wollen hinaus,« schrie der Graf, »wir müssen sie retten.«
»Es ist sicherer Tod für uns, Sir,« sagte Johnson ernst und legte dem erregten jungen Mann die Hand auf die Schulter, »auch geben wir das Fort preis, wenn wir einen Ausfall machen; wir können von hier ebensoviel nützen, als -« er unterbrach sich, riß die Büchse an die Wange, schoß, ließ sie sinken und sagte ruhig: »So, der hat genug.«
Athoree und Heinrich standen mit schußfertigen Waffen und durchforschten den Wald mit funkelnden Augen.
»Lassen Sie das Geschütz noch einmal sprechen, hier dem Eingang gegenüber ist die gefährliche Stelle.«
Schon schob der Graf die Ladung ein.
»Michael, gehe an die Pforte und schiebe den Riegel zurück, sobald sie kommen.«
»Ja, ja,« sagte dieser und ging hinab.
»Stellen wir uns über dem Eingang auf,« und Johnson, Heinrich und der Indianer traten dorthin.
Schon waren die Reiter nahe, schon vermochte der Graf das flatternde Haar Fran-ces zu erkennen.
Krachend entlud sich die Kanone, deutlich hörte man das Splittern des Holzes, das Brechen der Aeste.
»Versparen wir unser Feuer, bis sie näher kommen,« sagte mit immer gleicher Gemessenheit Johnson.
»Nein, nein! Vorwärts!« schrie Edgar, »Feuer aus allen Musketen,« und er stürzte auf das nächste Gewehr los und feuerte in den Wald hinein, dies mit großer Geschwindigkeit mit der an der nächsten Schießscharte stehenden Waffe wiederholend.
Schon jagten auf schäumenden Rossen die Reiter heran.
Hinab sprang der Graf.
»Oeffne, Michael!«
Der Ire schob den Riegel zurück, Edgar riß den Flügel auf, sprang hinaus - im Walde knallte es auf, zwei Kugeln sausten an ihm vorbei - und kam rechtzeitig, um Frances in seinen Armen aufzufangen, als sie ohnmächtig vom Pferde sank. Im Laufe trug er sie hinter die Pallisaden, während von oben die Büchsen der drei Männer sich nach dem Walde hin entluden. [253]
Schon ritt Oberst Schuyler hinter die Balkenwand, welche das Tor deckte, und dicht hinter ihm folgten seine Begleiter. Michael schlug die schwere Tür zu, schob den Riegel vor: die Flüchtigen waren in Sicherheit.
Rasch sprang der Oberst vom Pferde und eilte zu seinem ohnmächtigen Kinde. Edgar hatte die junge Dame sachte auf einen Stuhl niedergelassen.
»Es ist nur eine Ohnmacht, Herr Oberst, Miß Schuyler ist unverletzt.«
Der Oberst, seine Tochter im Arm haltend, blickte in das Gesicht des Redenden.
»Mein Gott - Herr Graf -« und die Besorgnis, welche auf seinen Zügen lagerte, machte einem unverhohlenen Erstaunen Platz. »Sie hier - Herr Graf?«
Ein Seufzer Frances wandte seine Aufmerksamkeit wieder dieser zu.
Schon kam die Sergeantin hervor und sagte: »Ueberlassen Sie die Lady mir, Herr,« und sie wies auf ihre Behausung.
Oberst Schuyler nahm, ohne etwas zu erwidern, seine Tochter auf den Arm und trug sie zur Wohnung des Sergeanten, wo er sie auf dem Bett der Frau niederlegte.
Er kam zurück und ging auf Edgar zu.
»Was um des Himmels willen ist hier vorgefallen, Herr Graf?«
»Es gehört Mut dazu, um die Wahrheit zu vernehmen.«
»Sagen Sie mir alles - auch das Schlimmste, ich bin wie von einem Blitz aus wolkenlosem Himmel getroffen durch die Vorgänge der letzten Stunde.«
Edgar berichtete ihm kurz die ganze gräßliche Wahrheit.
Der Ernst, der für gewöhnlich auf des Obersten Zügen lagerte, vertiefte sich, als er schweigend den Bericht anhörte.
Als der Graf geschlossen hatte, der Oberst alles wußte, ging dieser einige Male auf und ab, blieb dann wieder bei jenem stehen, reichte ihm die Hand und sagte: »Und Ihnen, mein deutscher Kamerad, verdanken wir unsre Rettung.«
»Gott sei Dank, daß es gelungen ist, ich war in tödlicher Aufregung von dem Augenblick an, wo ich wußte, daß Sie dem Fort nahten.«
»Daß mir in Sicherheit sind, verdanken wir nebst Ihnen der Vorsehung. Diese ließ uns, als ich beschlossen hatte, den Truppen voranzueilen, den Weg auf dem westlichen Ufer wählen, da nach Aussage des indianischen Führers, den ich bei mir hatte - es war
[254] der Pottawatomie, welcher die Briefe der Offiziere zwischen den Forts hin und her trug -, es weniger waldig sei als das östliche; meiner Tochter hätte ein Ritt zwischen den Bäumen doch großes Unbehagen bereitet. Ich hörte Ihre wiederholten Kanonenschüsse und es stieg, wie Sie mit Recht vorausgesetzt hatten, der Gedanke in mir auf, es sollten Warnungssignale sein. Als ich aber gewahrte, und ich konnte es deutlich gewahren, daß das Fort eine Granate nach den Kanoes der Indianer warf, ein Meisterschuß übrigens, da ward mir klar, daß die Wilden kriegerisch gegen dasselbe vorgegangen seien. In unsagbarer Angst um meine Tochter legte ich den letzten Teil des Weges zurück. Zahlreich können, die Ottawas auf diesem westlichen Ufer nicht gewesen sein, doch für uns gerade genug. Auch wären wir sicher ihre Opfer geworden, wenn Sie nicht dieses starke Feuer unterhalten hätten, das hat uns gerettet.«
»Ich danke Gott dafür.«
»Aber meine Truppen?« fuhr der Oberst mit tiefer Besorgnis fort, »ich fürchte das Schlimmste für sie, obgleich Kapitän Bla[c]kwater ein erfahrener und kaltblütiger Offizier ist. Also wieder ein Indianerkrieg? Schrecklich, schrecklich. Gott möge Kapitän Davis ein gnädiger Richter sein, aber er hat mit der Behandlung Peschewas alle schlimmen Leidenschaften dieses Volkes entfesselt und es ist gut für ihn, daß ihm die schwere Verantwortung für seine unüberlegte Handlungsweise hier auf Erden erspart bleibt. Die Indianer sind grausame, wilde Tiere, aber eine gewisse Ritterlichkeit ist ihnen nicht abzusprechen. Es war ein großer Fehler des Kriegsministers, einen jungen lebenslustigen Südstaatenmann zum Kommandanten eines dieser an der Grenze liegenden Außenforts zu machen. Also nur zwei sind von der ganzen Besatzung noch übrig?«
»Der Leutnant und der Sergeant, wenn nicht noch einige Soldaten gerettet sind, welche sich zur Zeit des Ueberfalls mit dem Leutnant außerhalb des Forts befanden.«
»Es ist ein herber Schlag für die ganze Union. Haben Sie sich aus dem, was Sie erkundeten, ein Bild machen können, wie stark die Angreifer waren?«
»Der Leutnant und der Sergeant schätzten ihre Zahl nicht höher als auf achtzig bis hundert Mann.«
»Das ist mir unerklärlich. Es kann dann nur ein Bruchteil der Ottawas in Waffen sein, denn wenn diese Krieg führen wollen, können sie achthundert bis tausend Kämpfer ins Feld stellen, und vor allem würden sie dieses Fort mit starker Macht angegriffen haben.
[255]
Das ist mir einstweilen noch rätselhaft. Selbst die Art des Ueberfalls kann ich mir noch nicht ganz vorstellen.«
»Der Sergeant ist der einzige, der davon erzählen kann.«
»Ich kenne den alten Wood, er ist ein tüchtiger Soldat, ich werde seinen Bericht ja selbst hören. - Unter welch seltsamen Umständen kommen wir wieder zusammen, Herr Graf? Wer hätte ahnen können, daß wir so bald mitten in den Indianerkrieg hineingeraten würden, als wir so friedlich in Lansing, im Hause von Freund Myers weilten. Ihnen und Ihren wackern Begleitern danken wir es, daß das Fort nicht im Besitze der Wilden ist, daß wir noch unter den Lebenden weilen. Es soll nicht vergessen werden, Herr Graf,« und wiederum schüttelte er ihm herzlich die Hand.
Edgar stellte dem Oberst Johnson vor, dessen auffällige Erscheinung diesen wie jedermann überraschte, der ihn sah.
»Mister Johnson, der mich zufällig im Walde antraf, führte mich hierher und gehört nebst meinem Jäger Heinrich, einem Soldaten von 1870 und Träger des eisernen Kreuzes, und meinem indianischen Führer zu den Verteidigern dieses Platzes.«
Читать дальше