«Nun werden wir ja sehen, Viola. «Er versuchte zu lächeln.»Die Schlacht ist noch nicht vorbei.»
Conway saß am Tisch; der schwere Uniformrock verbarg sein weinbeflecktes Hemd. Puigserver hatte sich anscheinend nicht vom Fleck gerührt. Raymond stand mit dem Rücken zum Fenster, das Gesicht tief im Schatten. Außer ihnen nahmen noch Major Jardine und sein Stellvertreter an der Besprechung teil.
Scharf sagte Conway:»Ich habe es ihnen erzählt, Bolitho. Wort für Wort, wie Sie es mir berichtet haben.»
«Danke, Sir«, erwiderte Bolitho und blickte Raymond an — von ihm würde es kommen.
«Sie haben da allerhand auf sich genommen, Captain. Mehr, fürchte ich, als in des Gouverneurs Absicht lag.»
«Jawohl. Aber ich habe gelernt, daß ich gelegentlich Eigeninitiative entwickeln muß, besonders dann, wenn ich nicht an den Bändseln der Flotte hänge. «Puigserver studierte mit plötzlichem Interesse seinen linken Schuh.»Tatsache ist«, fuhr Bolitho fort,»daß Muljadi beabsichtigt, diesen Stützpunkt anzugreifen. Er kann jetzt gar nicht anders, da er seinen Gefangenen verloren hat und weiß, daß wir über seine neue Fregatte informiert sind. Das hat die Situation total verändert.»
Jardine sagte kurz:»Falls er angreift, können meine Männer ihn so lange aufhalten, bis Hilfe kommt. Sobald die Brigg erst in Madras ist, werden sehr rasch Truppen kommen, um den
Schurken zu vernichten — wozu die Marine offensichtlich nicht imstande ist.»
Bolitho beobachtete Raymonds Hände auf dem Fensterbrett und wartete ein paar Sekunden. Dann sagte er:»Nun, Mr. Raymond? Hat der tapfere Major recht?«Er merkte, daß Raymonds Hände sich fester um das Fensterbrett krampften.»Oder haben Sie in Ihrem Bericht an Sir Montagu angedeutet, daß Pendang Bay Ihrer Meinung nach abgeschrieben werden muß?»
Jardine bleckte wütend die Zähne.»Quatsch!«Aber nach einer kleinen Pause wurde er unsicher und fragte Raymond:»Nun, Sir?»
Dessen Antwort klang sehr ruhig.»Ich habe die Wahrheit berichtet. Man wird keine Schiffe schicken außer Transportern, um die Soldaten der Company und deren Angehörige abzuholen.»
Jardine explodierte.»Aber ich kann es schaffen, Sir! Sie hätten mir das früher sagen müssen!»
«Sie können es nicht schaffen, Major!«warf Bolitho dazwischen.»Wenn Muljadi kommt, dann mit mehr als tausend Mann. Seine Festung ist voller Krieger, das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Vielleicht hätten Sie die Palisaden halten können, bis Hilfe aus Madras kommt. Doch ohne diese Hilfe haben Sie nur eine Chance, wenn Sie in einem Gewaltmarsch durch den Urwald nach Osten ausweichen, um vielleicht die Niederlassung der Holländischen Kompanie zu erreichen und dort Sicherheit zu finden. «Er machte eine kleine Pause.»Aber in dieser Jahreszeit ist der Dschungel noch dichter als sonst, und ich bezweifle, daß viele von Ihren Männern den Marsch überleben, ganz abgesehen davon, daß Sie mit Überfällen von Eingeborenen rechnen müssen, die Muljadi ihre Ergebenheit beweisen wollen.»
Er hatte nüchtern und hart gesprochen. Gepreßt erwiderte Raymond:»Mir kann niemand einen Vorwurf machen. Ich habe nur berichtet, was ich weiß. Von dieser zweiten Fregatte wußte ich nichts. «Er versuchte, seine Selbstsicherheit wiederzufinden.»Genausowenig wie Sie!»
Conway stand langsam auf; jede Bewegung kostete ihn Willensanstrengung.»Aber Sie hatten es ja so eilig, Mr. Raymond. Sie haben Ihre Befugnisse dazu mißbraucht, Ihre eigenen Interessen zu verfolgen, haben sogar die Brigg weggeschickt, obwohl ich ausdrücklich forderte, die Rückkehr der Undine abzuwarten!»
Er schritt zum gegenüberliegenden Fenster und starrte blicklos in den dichten Urwald.»Was können wir tun? Wie können wir uns am besten aufs Schlachtfest vorbereiten?«Blitzschnell fuhr er herum und schrie:»Na, Mr. Raymond? Möchten Sie uns das vielleicht erklären? Ich kann es nämlich nicht.»
Major Jardine stotterte:»Aber so hoffnungslos kann es doch nicht sein?»
Puigserver beobachtete Bolitho.»Nun, Capitan! Sie waren schließlich in der Höhle des Löwen, nicht wir.»
«Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?«wandte sich Bolitho an Conway.
Der Admiral nickte, sein schütteres Haar war ganz zerrauft.»Wenn da noch etwas vorzuschlagen ist — bitte!»
Bolitho ging zum Tisch und schob die schweren silbernen Tintenfässer in eine bestimmte Stellung.»Die Benuas sind auf unseren Karten ziemlich zutreffend dargestellt, Sir; aber ich nehme an, von den kleineren Durchfahrten sind manche verschlickt und zu flach. Die Festung steht erhöht auf einer zentral gelegenen Insel, auf einem Felskegel, könnte man sagen. Zur See hin fällt der Felsen senkrecht ab, und was ich erst für Riffe am Fuß dieses Felsens gehalten hatte, sind, wie ich jetzt glaube, große Felsen von oben, die im Lauf der Zeit verwittert und abgestürzt sind.»
Düster brummte Hauptmann Strype:»Dann kann man die Festung auch nicht erstürmen. Wirklich hoffnungslos.»
Conway blickte Bolitho unwillig an und knurrte:»Also weiter!»
«Wenn wir sofort angreifen, Sir«, antwortete dieser und ignorierte die allgemeine Verblüffung,»bevor Muljadi bereit ist, dann können wir seinen ganzen Plan im Entstehen durchkreuzen.»
«Angreifen?«rief Conway.»Eben haben Sie uns doch noch aller Hoffnung beraubt, überhaupt am Leben zu bleiben!»
«Die Hauptbatterie steht auf der seewärts gelegenen Brustwehr, Sir. Wenn wir sie vernichten, sind seine vor Anker liegenden Schiffe ohne unmittelbaren Schutz.»
Conway rieb sich nervös das Kinn.»Ja, gewiß. Aber wie sollen wir sie vernichten?»
«Vielleicht durch den Zorn Gottes?«höhnte Jardine.
«Mit dem Schoner, Sir. «Bolitho heftete den Blick auf Conways gefurchte Stirn, die sich vor Zweifel und Spannung umwölkte.»Wir könnten die vorherrschende Windrichtung ausnutzen und ihn, bis zu den Decksplanken voll Schießpulver und mit einer langen Zündschnur versehen, auf die abgestürzten Felstrümmer treiben lassen. Die Explosion würde meiner Ansicht nach einen Gutteil der Insel einstürzen lassen. «Er spürte die wachsende Spannung seiner Zuhörer.»Jedenfalls den Teil mit der Geschützbatterie.»
Hauptmann Strype starrte das entsprechende Tintenfaß an, als sollte es tatsächlich jeden Moment in die Luft gehen.»Das könnte klappen, Sir. Eine tolle Idee!»
«Halten Sie den Mund!«grollte Jardine.»Und überhaupt — wer das riskiert, müßte ja wahnsinnig sein!»
Aber er duckte sich, als Conway ihn anblaffte:»Seien Sie still!«Zu Bolitho gewandt, fuhr dieser fort:»Sie halten es für ein vertretbares Risiko?»
«Jawohl. Der Schoner brauchte nur ein paar Mann Besatzung, und die könnten sich per Boot absetzen, sobald der endgültige Kurs anliegt. Bei einer langen Lunte hätten sie Zeit genug. Im Moment der Explosion werde ich mit der Undine in die Passage eindringen und die verankerten Fregatten nehmen, ehe sich die Besatzungen von dem Schrecken erholt haben. Nach einer solchen Explosion werden sie nicht gleich mit einem Angriff rechnen.»
Puigserver nickte grimmig.»Gerechte Vergeltung, obendrein.»
Conway funkelte ihn an.»Das ist der haarsträubendste Plan, den ich jemals gehört habe.»
Gelassen erwiderte Bolitho:»Darüber läßt sich streiten, Sir.»
«Was?«Wütend fuhr Conway herum.»Wollen Sie schon wieder meine Worte anzweifeln?»
«Ich erinnere mich an einen gewissen Kapitän, Sir, der vor langen Jahren, als ich noch ein dummer Midshipman war, sich nie scheute, etwas zu riskieren, wenn Not am Mann war.»
Conway packte Bolitho beim Handgelenk.»Danke für dieses Wort. «Er blickte weg und klopfte sich auf die Taschen, als suche er etwas.»Habe ich ganz vergessen…»
«Die Truppen bleiben natürlich hier«, sagte Bolitho. Es kam ihm vor, als sähe er Erleichterung in Jardines massivem Gesicht, und Bedauern auf Strypes Zügen. Seltsam, dachte er, der, den ich bisher für den Schwächeren gehalten habe, ist in Wirklichkeit der Stärkere.
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