Alexandre Dumas - Gabriel Lambert
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- Название:Gabriel Lambert
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1. Kapitel Der Galeerensklave
Im Mai 1835 war ich in Toulon; ich bewohnte dort eine kleine Bastide [1] Landhaus.
, die mir einer meiner Freunde zur Verfügung gestellt hatte.
Diese Bastide lag ungefähr fünfzig Schritt von dem Fort Lamalgue entfernt, gerade der berühmten Schanze gegenüber, die im Jahr 1793 das Glück des jungen Artillerieoffiziers emporsteigen sah, der später General Bonaparte und endlich Kaiser Napoleon war.
Ich hatte mich in der lobenswerten Absicht zu arbeiten zurückgezogen.
In meinem Kopf wogte ein sehr düsteres, sehr furchtbares Drama, das ich von ebendiesem Kopf auf das Papier übertragen wollte.
Dieses so furchtbare Drama hieß »Kapitän Paul«.
Doch ich bemerkte eines: daß man, um konzentriert arbeiten zu können, ein kleines, enges Zimmer und ein durch dunkle Vorhänge gedämpftes Tageslicht braucht. Die weiten Horizonte, das unabsehbare Meer, die riesigen Gebirge, das alles, besonders wenn es in die reine, goldene Luft des Südens getaucht ist, das alles führt geradenwegs zur Beschauung, und nichts entfernt den Menschen mehr von der Arbeit als die Beschauung.
Die Folge davon war, daß ich, statt »Kapitän Paul« auszuführen, »Don Juan von Marana« träumte.
Die Wirklichkeit wandte sich dem Traum und das Drama der Metaphysik zu.
Ich arbeitete also nicht, wenigstens nicht bei Tage.
Ich beschaute, und ich gestehe, dieses Azurblau des Mittelmeers mit seinen goldenen Flittern, diese riesigen Berge, so schön in ihrer furchtbaren Nacktheit, dieser Himmel, so tief und düster in seiner Durchsichtigkeit, alles das zu sehen war herrlicher, als das zu lesen, was ich hätte schreiben können.
Es ist wahr, in der Nacht, wenn ich es über mich brachte, meine Fensterläden gegen die versuchenden Strahlen des Mondes zu schließen, wenn ich meine Blicke von dem sternenfunkelnden Himmel abzuwenden vermochte, wenn ich mit meinen Gedanken wieder eins war, errang ich die Herrschaft über mich zurück. Doch wie ein Spiegel hatte mein Geist den Widerschein der Bilder des Tages bewahrt, und es waren nicht mehr menschliche Geschöpfe mit ihren irdischen Leidenschaften, die mir erschienen, es waren schöne Engel, die auf Befehl Gottes mit einem Flügelschlag diese endlosen Räume durchzogen; es waren Geächtete, höhnische Dämonen, die, auf einem nackten Felsen sitzend, die Erde bedrohten; es war endlich ein Werk wie die »Göttliche Komödie«, wie das »Verlorene Paradies« oder wie »Faust«, das erschlossen werden wollte, und nicht mehr nur irgendeine Allerweltsdichtung.
Leider war ich weder Dante noch Milton, noch Goethe. Und wenn der Tag kam, zerstörte er mir die Arbeit der Nacht.
Der Morgen brach an. Ich wurde durch einen Kanonenschuß geweckt und sprang aus dem Bett.
Ich öffnete mein Fenster, Lichtströme bemächtigten sich meines Zimmers und trieben alle die armen, über den hellen Tag erschrok-kenen Gespenster meiner Schlaflosigkeit vor sich her. Da sah ich majestätisch einen prachtvollen Dreimaster, die »Triton« oder die »Montebello« auf der Reede schwimmen; und direkt vor meiner Villa, als geschähe es zu meiner Unterhaltung, ließ er seine Mannschaft manövrieren und seine Kanoniere Übungen vornehmen.
Dann kamen die Tage des Sturms, die Tage, wo der so reine Himmel sich mit düsteren Wolken verschleierte, wo das so azurne Mittelmeer aschgrau wurde, wo der so sanfte Wind sich in einen Orkan verwandelte.
Da war dann nicht mehr der weite Spiegel des Himmels; die so ruhige Oberfläche begann zu kochen wie an dem Feuer eines unterirdischen Ofens. Die Wellen wurden zu Bergen. Die sanfte blonde Amphitrite schien, wie ein empörter Riese, den Himmel erklettern zu wollen, krümmte und rang die Arme in den Wolken und heulte mit jener mächtigen Stimme, die man nicht mehr vergißt, wenn man sie einmal gehört hat.
Heulte, daß mein armes Drama in Fetzen ging.
Ich klagte eines Tages bei dem Hafenkommandanten über diesen Einfluß der Umwelt auf meine Einbildungskraft und erklärte, ich wäre so müde, gegen diese Eindrücke anzukämpfen, daß ich mich als besiegt bekenne und entschlossen sei, vom nächsten Tag an die ganze Zeit, die ich noch in Toulon bleiben würde, nichts als ein beschauliches Leben zu führen.
Im Verlauf des Gesprächs fragte ich ihn, an wen ich mich wenden könnte, eine Barke zu mieten. Eine Barke war die erste Notwendigkeit des neuen Lebens, das mich der Geist in seinem Sieg über die Materie anzunehmen zwang.
Der Hafenkommandant antwortete mir, er werde an mich denken und dafür sorgen, daß ich das Gewünschte bekäme.
Als ich am nächsten Morgen mein Fenster öffnete, erblickte ich zwanzig Schritt unter mir eine reizende Barke, die sich am Ufer schaukelte. Sie war mit zwölf Galeerensklaven bemannt, aber gleichzeitig auch mit einem Segel versehen.
Ich dachte mir, das wäre gerade die Barke, wie ich eine brauchte, da sah ich auch schon den Aufseher, sobald er mich erblickte, seinen Kahn anlegen lassen, an das Ufer springen und auf die Tür meiner Bastide zuschreiten.
Ich ging dem ehrenwerten Besuch entgegen.
Er zog ein Schreiben aus seiner Tasche und übergab es mir.
Es war in folgenden Worten abgefaßt:
»Mein lieber Metaphysiker!
Da man die Dichter nicht von ihrem Beruf abwendig machen muß und da Sie sich über den Ihrigen, wie es scheint, bis jetzt getäuscht haben, so schicke ich Ihnen die gewünschte Barke; Sie können die ganze Zeit, die Sie in Toulon wohnen werden, vom Öffnen bis zum Schließen des Hafens darüber verfügen.
Sollten Ihre Augen, zuweilen müde, den Himmel zu betrachten, versucht sein, wieder auf die Erde herabzusteigen, so finden Sie um sich her zwölf Burschen, die Sie leicht und durch ihren Anblick allein vom Idealen zur Wirklichkeit zurückführen werden.
Es versteht sich von selbst, daß Sie vor ihnen weder Ihre Juwelen noch Ihr Geld zeigen dürfen.
Das Fleisch ist schwach, wie Sie wissen, und da ein altes Sprichwort sagt, man solle Gott nicht versuchen, darf man noch viel weniger den Menschen versuchen, besonders wenn dieser Mensch schon einmal der Versuchung erlegen ist.
Ganz der Ihre«
Ich rief Jadin und teilte ihm unser Glück mit. Zu meinem großen Erstaunen nahm er die Kunde nicht mit der Begeisterung auf, die ich erwartet hatte; die Gesellschaft, in der wir leben sollten, kam ihm ein wenig gemischt vor.
Da er jedoch nach einem flüchtigen Blick, den er auf unsere Mannschaft geworfen hatte, unter den roten Mützen, mit denen sie geschmückt waren, einige charakteristische Köpfe bemerkte, faßte er philosophisch seinen Entschluß, gab unseren neuen Dienern durch ein Zeichen zu verstehen, sie sollten sich nicht rühren, trug einen Stuhl zum Strand, nahm Papier und Kohle und begann eine Skizze von der Barke und ihrer furchtbaren Mannschaft.
Diese zwölf Männer, die hier ruhig, sanft und gehorsam unserer Befehle harrten und ihnen zuvorzukommen suchten, hatten in der Tat jeder ein Verbrechen begangen:
Die einen waren Diebe,
die anderen waren Brandstifter,
die dritten waren Mörder.
Die menschliche Gerechtigkeit hatte sich ihrer bemächtigt; es waren ihrer Ehre benommene, gebrandmarkte, von der Welt abgeschnittene Wesen. Es waren keine Menschen mehr, sondern Dinge; sie hatten keine Namen mehr, es waren Nummern. Vereinigt bildeten sie eine Gesamtheit; diese Gesamtheit war das schändliche Ding, das man Bagno [2] Strafanstalt, in der die Sträflinge auf der rechten Schulter gebrandmarkt wurden und Tag und Nacht in Ketten gelegt waren und schwerste Arbeiten verrichten mußten.
nennt.
Der Hafenkommandant hatte mir offenbar ein seltsames Geschenk gemacht.
Und dennoch war es mir nicht unangenehm, diese Menschen von nahem zu sehen, Menschen, deren Titel allein, in einem Salon ausgesprochen, Schrecken verbreitet.
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