Stephen King - Sprengstoff
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- Название:Sprengstoff
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Ist es da ein Wunder, wenn Dawes alle tut, um das zu verhindern?
Titel der amerikanischen Originalausgabe ROADWORK.
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Zur Erinnerung an Charlotte Littlefield
Sprüche 31,10-28
PROLOG
Ich weiß nicht warum, Sie wissen nicht warum.
Höchstwahrscheinlich weiß Gott es auch nicht.
Das ist Sache der Regierung.
Straßeninterview zum Vietnamkrieg, etwa 1961
Aber der Vietnamkrieg war vorbei, und das Leben ging weiter.
An einem heißen Augustnachmittag des Jahres 1972 parkte ein Übertragungswagen in Westgate, genau am Anfang dei Stadtautobahn Route 784. Um ein hastig zusammengeschu-stertes Podium hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Das Podium war mit einer Plane aus Fahnentuch bedeckt, die wie eine dünne Haut das Skelett aus nackten Holzplanken überzog. Dahinter standen auf einem aufgeschüttetem Erdwall die Mauthäuschen für die neue Autobahn, und dahinter erstreckte sich das offene, unbebaute Marschland bis zum Randbezirk der Vorstädte.
Ein junger Reporter namens Dave Albert machte schnell noch ein paar Stegreifinterviews, während er und sein Team auf die Ankunft des Bürgermeisters und des Gouverneurs warteten, die feierlich den ersten Spatenstich tun sollten.
Er hielt das Mikrophon einem ältlichen Mann mit getönter Brille unter die Nase.
»Na ja«, sagte der Mann und blickte ängstlich in die Kamera. »Ich glaube, für die Stadt ist das eine großartige Sache.
So etwas haben wir schon lange gebraucht. Es ist … eine großartige Sache für die Stadt.« Er schluckte nervös, als er merkte, daß er sich wiederholte, starrte aber weiter hin wie gebannt in die surrende Kamera, das Zyklopenauge, welches alles für die Nachwelt festhielt. »Großartig«, wiederholte er mit müder Stimme.
»Vielen Dank, Sir, ich danke Ihnen vielmals.«
»Glauben Sie, daß sie es bringen werden? Heute abend in den Nachrichten?«
Albert schenkte ihm ein bedeutungsloses, professionelles Lächeln. »Schwer zu sagen, Sir. Schon möglich.«
Sein Toningenieur deutete zu den Mauthäuschen hinüber, wo soeben der Chrysler Imperial des Gouverneurs vorgefahren war. Chrom und Lack glänzten in der strahlenden Sommersonne. Albert nickte und streckte seinen Zeigefinger in die Höhe. Dann ging er mit seinem Kameramann auf einen Mann in einem weißen Hemd mit aufgerollten Ärmeln zu, der mit düsterer Miene zu dem Podium hinaufblickte.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns Ihre Meinung mitzuteilen, Mr …?«
»Dawes. Nein, durchaus nicht.« Er hatte eine weiche, angenehme Stimme.
»Klappe«, murmelte der Kameramann.
Der Mann im weißen Hemd sagte im gleichbleibend angenehmen Tonfall: »Ich finde, das ist eine ganz große Scheiße.«
Der Kameramann verzog das Gesicht. Albert nickte, bedachte den Hemdsärmeligen mit einem vorwurfsvollen Blick und machte mit dem Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand eine Geste, als würde er etwas zerschneiden.
Der ältliche Herr hatte die Szene entsetzt beobachtet. Oben bei den Mauthäuschen machte der Gouverneur Anstalten, aus seinem Imperial zu steigen. Sein hellgrüner Schlips leuchtete in der Sonne.
Der Mann im weißen Oberhemd fragte höflich: »Werden Sie das Interview in den Sechs- oder Elf-Uhr-Nachrichten senden?«
»Ha-ha, Mister, Sie sind ein Revoluzzer«, antwortete Albert säuerlich und ging weg, um den Gouverneur zu interviewen. Der Kameramann trottete hinter ihm her. Der Mann im weißen Hemd betrachtete aufmerksam den Gouverneur, der jetzt vorsichtig den Grashang herunter kam.
Albert sollte den Mann mit den aufgerollten Hemdsärmeln siebzehn Monate später noch einmal treffen, aber da keiner von beiden sich an diese erste Begegnung erinnern konnte, hätte es ebensogut das erste Mal sein können.
Erster Teil
NOVEMBER
Gestern Nacht Schlug der Regen an mein Fenster
Ich ging durch das dunkle Zimmer und glaubte im Licht der Straßenlampe
Den Geist unseres Jahrhunderts auf der
Straße zu sehen
Der uns sagte, daß wir alle am Rande des Abgrunds stehen.
AL STEWARD
20. November 1973
Er tat immer wieder Dinge, über die nachzudenken er sich nicht gestattete. So war es sicherer. Es war, als hätte er eine Sicherung im Kopf, die immer dann heraussprang, wenn etwas in seinem Gehirn ihn fragten wollte: Warum tust du das?
Dann wurde es sofort dunkel. He, Georgie, wer hat das Licht ausgeschaltet? Huch, das war ich. Wahrscheinlich ein Kurz-schluß. Eine Sekunde, ich dreh’ schnell die Sicherung wieder rein. Die Lichter gehen wieder an. Aber die Frage ist verschwunden. Alles in bester Ordnung. Machen wir weiter, Freddy - wo sind wir stehengeblieben?
Er ging gerade zur Bushaltestelle, als ihm das Schild in die Augen sprang:
Ammo Harveys Waffengeschäft Ammo
REMINGTON WINCHESTER COLT SMITH & WESSON
Jäger sind herzlich willkommen
Es schneite ein wenig, und der Himmel war grau. Es war der erste Schnee in diesem Jahr, und die Flocken fielen wie weißes Backpulver auf den Asphalt, wo sie sofort schmolzen. Ein kleiner Junge mit einer roten Pudelmütze ging mit weit geöffnetem Mund an ihm vorbei und versuchte, mit der Zunge eine Schneeflocke einzufangen. Sie wird sofort schmelzen, Freddy, dachte er, als er das Kind beobachtete, aber der Kleine bog den Kopf noch weiter in den Nacken und ging, mit dem Gesicht zum grauen Himmel weiter.
Vor dem Waffengeschäft blieb er stehen, zögerte aber einzutreten. Neben der Tür stand ein Zeitungsständer, in dem die Spätausgabe der Tageszeitung steckte. Die Schlagzeile lautete:
UNSICHERER WAFFENSTILLSTAND HÄLT AN
Auf dem Kasten mit den Zeitungen klebte ein schmuddeliges weißes Schildchen:
BITTE BEZAHLEN SIE IHRE ZEITUNG!
DER HÄNDLER MUSS FÜR SEINE VERLUSTE SELBST
AUFKOMMEN!
Drinnen war es warm. Der Laden war ein langer, nicht sehr breiter Raum. Links neben der Tür stand eine Glasvitrine mit Munitionsschachteln. Die .22 Patronen erkannte er sofort wieder, denn er hatte als kleiner Junge in Connecticut ein .22-Kaliber-Gewehr besessen. Drei Jahre lang hatte er um das Gewehr gebettelt, und als er es endlich bekam, hatte er nicht mehr gewußt, was er damit anfangen sollte.
Eine Weile lang hatte er damit auf Konservenbüchsen geschossen und dann auf einen Eichelhäher. Das war kein sauberer Schuß gewesen. Der Häher hatte, umgeben von einem rosaroten Blutfleck, im Schnee gesessen und langsam den Schnabel auf und zu gemacht. Danach hatte er das Gewehr an den Nagel gehängt, wo es weitere drei Jahre geblieben war, bis er es für neun Dollar und einen Karton Comichefte an einen Freund verkauft hatte.
Die andere Munition war ihm weniger vertraut. Dreiunddreißiger, sechsunddreißiger Kaliber und etwas, das wie Haubitzenpatronen aussah. Welche Tiere tötet man denn damit? fragte er sich. Tiger? Dinosaurier? Aber sie faszinierte ihn, wie sie da so in der Vitrine lag, wie Bonbons in den großen Glasbehältern eines Gemischtwarenladens.
Der Verkäufer oder Geschäftsinhaber unterhielt sich gerade mit einem dicken Mann in einer grünen Hose und einem grünen Flanellhemd. Das Hemd hatte zwei Brusttaschen mit dreieckigen Klappen. Sie verhandelten über eine Pistole, die in ihre Einzelteile zerlegt auf der Glasplatte einer weiteren Vitrine lag. Der Dicke hatte mit dem Daumen den Sicherheitshahn zurückgedrückt, und jetzt blinzelten beide mit zusammengekniffenen Augen in den geölten Pistolenlauf. Der Dicke ließ eine Bemerkung fallen, und der Verkäufer oder Geschäftsinhaber lachte.
»Was, Automatikpistolen klemmen immer? Das hast du von deinem Vater, Mac, gib’s zu.«
»Harry, du steckst voller Blödsinn; bis zum Rand voller Blödsinn.«
Du steckst auch voller Blödsinn, Fred, bis zum Rand. Ist dir das klar, Fred?
Fred antwortete, daß ihm das klar sei.
An der rechten Wand stand ein Glasschrank, der die gesamte Länge des Ladens einnahm. Er war voller Pistolen und Gewehre, die fein säuberlich nebeneinander in den Regalen aufgereiht waren. Er kannte die doppelläufigen Flinten, aber alle anderen waren für ihn ein großes Geheimnis. Und doch gab es Menschen - zum Beispiel die beiden da hinten am Ladentisch -, die über diese geheim nisvollen Dinge mit der gleichen Selbstverständlichkeit sprachen, mit der er seine Buchführungskurse am College absolviert hatte.
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