Er arbeitete sich zu einer Bushaltestelle vor und bewegte sich vorsichtig, um sich nicht selbst zu erstechen. Das Erste, was er im Hotel machen wollte, war Bobby anzurufen und ihm zu erzählen, dass das Schwert eine Niete war.
Albert konnte es nicht glauben. Er konnte es einfach nicht.
Alles lief so gut und schon wieder kam so ein Gaijin und machte alles kaputt – genau wie diese Leute vor zwanzig Jahren. Der hier hatte sogar ein besonderes Schwert.
Schnell schickte Albert den Geist zurück. Hier gab es zu viele Zeugen und Lin war schon weggelaufen.
Dummerweise war das Unglück bereits passiert. Tommy war vorne rausgerannt, zusammen mit zwei Kellnern, um den Gaijin zu verfolgen.
Albert war zurückgeblieben und konnte den Schaden betrachten, den er angerichtet hatte. Er verfluchte sich, weil er so ein Narr gewesen war. Seine Abneigung gegen Lin hatte ihn seine Vernunft vergessen lassen. Es war wichtig, das Herz des Drachen subtil einzusetzen, um die auszumerzen, die ihm im Weg standen.
Lin stand Albert nicht im Weg, er war nur ein Idiot.
Albert würde niemals erfolgreich sein, wenn er weiter solche dummen Fehler machte.
Mit einem Seufzen ging er zurück durch das Restaurant. Glas und Porzellan knirschten unter seinen Füßen. Die Gäste begannen sich zu beruhigen. Einige untersuchten sich auf Verletzungen und alle flüsterten leise miteinander.
Nach ein paar Augenblicken fiel Albert auf, dass alle dasselbe sagten: Das Herz des Drachen war nach zwanzig Jahren zurückgekehrt.
Zuerst wollte er sie niederbrüllen, dass sie sich alle dem Aberglauben und Irrsinn hingaben. Dann ging ihm auf, dass das ein Fehler wäre. Immerhin konnte er nicht bestreiten, was sie mit ihren eigenen Augen gesehen hatten.
Außerdem, da er jetzt schon die Büchse der Pandora geöffnet hatte, konnte er die Situation zu seinem Vorteil nutzen.
Tommy stampfte zurück ins Restaurant und bellte wütend: „Was zur Hölle war das?“
„Es sieht so aus“, sagte Albert, „als wäre es das Herz des Drachen. Es hat versucht, Lin zu töten.“
„Das ist nicht, was ich gesehen habe“, sagte Tommy. „Es hat versucht, diesen Touristen mit dem Schwert umzubringen.“ Dann lächelte er. „Aus irgendeinem Grund will das Herz des Drachen uns beschützen.“
Dann verflog das Lächeln.
„Al, ich möchte, dass du alles über dieses Ding herausfindest, was du nur kannst – wo es herkam, was es will und warum es uns hilft. Und wen zur Hölle es töten wollte.“
Einer der Kellner, Albert konnte sich nicht an seinen Namen erinnern, erhob das Wort.
„Boss, ist das nicht das Ding, das Johnny und …“
„Hmm, daran hatte ich nicht gedacht.“ Tommy rieb sich das Kinn. „Wenn dem so war, hatte er vielleicht einen guten Grund. Wir brauchen mehr Informationen. Komm, Albert, du hast immer ganz gute Ideen – also, was ist dieses Ding und was will es von mir?
„Kannst du mir Antworten besorgen?“
Albert verbeugte sich respektvoll.
„Allerdings, Tommy.“
Sechzehn
Bobby wollte gerade das Abendessen für sich und die Jungs machen, als das Telefon klingelte. Er griff nach dem neuen, schnurlosen Hörer in der Wandhalterung und hielt ihn ans Ohr.
„Hallo?“
Zur Antwort klingelte das Telefon noch einmal.
Mit einem Seufzen hielt er das Telefon vors Gesicht und drückte die Sprechtaste.
„ Hallo?“
Es war John Winchester.
„Was zur Hölle versuchst du hier abzuziehen, Bobby?“
Jetzt blickte Bobby finster, wunderte sich, warum genau er diesen Blödsinn eigentlich mitmachte.
Stimmen aus dem Wohnzimmer drangen in die Küche.
„ Deeeean! Das ist mein Stift!“
„Dann hol dir doch einen anderen, Schlaumeier-Sammy.“
Er fuhr sich mit der anderen Hand durch das dicke Haar.
„Ich ziehe hier überhaupt nichts ab, John“, antwortete er und verkniff sich seine Wut, so gut es ging. „Was zur Hölle meinst du?“
„Du schickst mich hierher, das Schwert kommt mit der Post und ich stehe da und schwinge es herum wie ein Trottel. Das verdammte Ding funktioniert nicht.“
Bobby begann, sich die Augen zu reiben, aber es waren rote Haarbüschel zwischen seinen Fingern. Er bekam eine Glatze und in diesen undankbaren Augenblicken gab er John dafür die Schuld.
„Sieh mal, warum gehst du nicht zu diesem Berkeley-Professor, der Bartow das Ding angedreht hat.“
Es gab eine lange Pause, bis er Johns Antwort hörte.
„Wie ist sein Name?“
„Marcus Wallace.“
Bobby ging ins Wohnzimmer. Dean stand auf Zehenspitzen und hielt seine linke Hand so hoch es ging in die Luft – mit Sams Stift in den Fingern.
Sam für seinen Teil sprang auf und ab und versuchte, den Stift seinem wesentlich größeren Bruder zu entreißen.
Kopfschüttelnd wühlte Bobby in den Papieren auf seinem Schreibtisch.
„Bleib dran – okay, hier ist es“, fügte er hinzu, als er den Brief aus Bartows Hinterlassenschaft herauszog. Er fand Wallace’ Durchwahl auf dem Berkeley-Campus und las sie vor.
„In Ordnung“, sagte John. Ich werde ihn anrufen, aber ich werde mir etwas ausdenken müssen. Entweder das oder ich ende auf dem Grill. Ich melde mich wieder, Bobby.“
Den Jungs geht es übrigens gut“, sagte Bobby schnell, bevor John auflegen konnte.
Dean senkte seinen Arm und wandte sich zu Bobby um.
„Ist das Dad?“
Sam nutzte die Gunst des Augenblicks und grapschte den Stift mit einem „Ha!“ aus der Hand seines Bruders. Dean bemerkte es kaum.
John hörte sich am anderen Ende der Leitung ungeduldig an. „Das habe ich mir schon gedacht, sonst hättest du ja etwas gesagt. Ich muss auflegen, die Kosten für ein Ferngespräch bringen mich sonst um.“
Dann legte er auf.
„Darf ich mit ihm sprechen?“, fragte Dean in bittendem Tonfall.
Während Bobby die Taste drückte, um die Verbindung zu beenden, ließ er die Hand an der Seite herunterbaumeln.
„Sorry, Dean. Er, äh – war gerade auf dem Sprung. Aber er hat mich gebeten, euch auszurichten, dass ihr artig sein und auf mich hören sollt. Und dass er euch lieb hat.“
Dean legte den Kopf zur Seite und schenkte Bobby einen Blick, der Bände sprach.
„Hat Dad das wirklich gesagt?“
„Natürlich hat er das. Und eines sag ich dir, Junge. Hör auf, deinem Bruder die Sachen wegzunehmen. Wenn du einen Stift brauchst, fragst du mich, okay?“
Dean nickte.
„Okay, ich habe meine Hausaufgaben sowieso schon fertig.“
„Wirklich?“
Im Gegensatz zu Bobby gab der Junge seine Lüge zu.
„Na ja, das meiste.“
„Das habe ich mir gedacht. Du machst sie fertig, bis ich das Abendessen auf den Tisch stelle, in Ordnung?“
„Okay.“
Dean setzte sich neben Sam auf die Couch. Sam hatte sich wieder an die Hausaufgaben gesetzt, an denen er gearbeitet hatte, bevor Dean ihm den Stift geklaut hatte.
Dean blickte Bobby an.
„Kann ich einen Stift haben?“
Bobby grinste.
„Klar.“ Er öffnete eine Schublade und fischte einen Kugelschreiber heraus. Er hatte ihn aus einem der Hotels, in dem sie während der Jagd abgestiegen waren.
Er gab ihn Dean und ging wieder in die Küche.
„Der schreibt nicht!“, hörte er den Zehnjährigen sagen. „Der Stift nervt !“
Als er in den Kühlschrank schaute, um die Butter zum Braten herauszuholen, befand Bobby, dass die gesamte Winchester-Familie schuld daran war, dass ihm die Haare ausfielen.
John hatte sich vorgestellt, das Büro des Professors sei ein großer Raum mit einem hölzernen Schreibtisch, einem Ledersessel und Wänden, die vollständig mit Bücherregalen bedeckt waren.
Als er auf dem Campus der University of California in Berkeley ankam und in das Gebäude an der Fulton Street ging, in dem die kürzlich umbenannte Abteilung für Asiatische Studien lag, war er etwas enttäuscht.
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