«Und hier beginnt es«, sagte Ser Arthur Dayne, das Schwert des Morgens. Er zog Dawn aus der Scheide und hielt es mit beiden Händen. Die Klinge war fahl wie Milchglas, wie lebendig im Licht.
«Nein«, sagte Ned mit Trauer in der Stimme.»Hier endet es. «Als sie in einem Rausch von Stahl und Schatten aufeinanderstießen, hörte er Lyanna schreien.»Eddard!«rief sie. Ein Sturm von Rosenblättern wehte über einen blutdurchstreiften Himmel, blau wie die Augen des Todes.
«Lord Eddard«, rief Lyanna erneut.
«Ich verspreche es«, flüsterte er,»Lya, ich verspreche es… «
«Lord Eddard«, hallte die Stimme eines Mannes aus dem Dunkel.
Stöhnend schlug Eddard Stark die Augen auf. Mondlicht fiel durch die hohen Fenster in den Turm der Hand.
«Lord Eddard?«Ein Schatten beugte sich über das Bett.
«Wie… wie lange?«Die Decken waren zerwühlt, sein Bein war geschient und eingegipst. Dumpf pulsierender Schmerz fuhr ihm durch die Seite.
«Sechs Tage und sieben Nächte. «Die Stimme gehörte Vayon Poole. Der Haushofmeister hielt einen Becher an Neds Lippen.»Trinkt, Mylord.«
«Was…?«
«Nur Wasser. Maester Pycelle sagte, Ihr würdet Durst haben.«
Ned trank. Seine Lippen waren ausgetrocknet und gesprungen. Das Wasser schmeckte süß wie Honig.
«Der König hat Befehl gegeben«, erklärte ihm Vayon Poole, als der Becher leer war.»Er will Euch sprechen, Mylord.«
«Morgen«, sagte Ned.»Wenn ich bei Kräften bin. «Er konnte jetzt nicht mit Robert sprechen. Der Traum hatte ihn schwach wie ein Kätzchen zurückgelassen.
«Mylord«, sagte Poole,»er hat befohlen, Euch im selben Augenblick zu ihm zu schicken, in dem Ihr die Augen aufschlagt. «Der Haushofmeister zündete eilig eine Kerze neben dem Bert an.
Ned stieß einen leisen Fluch aus. Robert war nie für seine Geduld bekannt gewesen.»Sagt ihm, ich sei zu schwach, um zu ihm zu kommen. Wenn er mich zu sprechen wünscht, will ich ihn gern hier empfangen. Ich hoffe, Ihr weckt ihn aus tiefem Schlaf. Und ruft…«Eben wollte er Jory sagen, als es ihm einfiel.»Ruft den Hauptmann meiner Garde.«
Alyn betrat das Schlafgemach wenige Augenblicke, nachdem der Haushofmeister gegangen war.»Mylord.«
«Poole sagt mir, es sei sechs Tage her«, sagte Ned.»Ich muß wissen, wie die Lage ist.«
«Der Königsmörder ist aus der Stadt geflohen«, erklärte Alyn.»Man sagt, er sei nach Casterly Rock geritten, um sich seinem Vater anzuschließen. Die Geschichte, wie Lady Catelyn den Gnom gefaßt hat, ist in aller Munde. Ich habe zusätzliche Wachen eingeteilt, wenn es Euch beliebt.«
«Das tut es«, versicherte Ned ihm.»Meine Töchter?«
«Sie sind jeden Tag bei Euch gewesen, Mylord. Sansa betet still, nur Arya…«Er zögerte.»Sie hat kein Wort gesagt, seit man Euch brachte. Sie ist ein wildes, kleines Ding, Mylord. Nie zuvor habe ich solchen Zorn bei einem Mädchen beobachtet.«
«Was immer auch geschieht«, sagte Ned,»ich will, daß meine Töchter in Sicherheit sind. Ich fürchte, das alles ist nur
der Anfang.«
«Ihnen wird nichts geschehen, Lord Eddard«, versprach Alyn.»Darauf verpfände ich mein Leben.«
«Jory und die anderen… «
«Ich habe sie den schweigenden Schwestern übergeben, damit sie nach Winterfell geschickt werden. Jory würde neben seinem Großvater liegen wollen.«
Es würde sein Großvater sein müssen, da Jorys Vater weit im Süden begraben war. Martyn Cassel war mit den anderen gefallen. Später hatte Ned den Turm eingerissen und mit dessen blutigen Steinen acht Gräber auf dem Hügel aufgeschichtet. Es hieß, Rhaegar habe diesen Ort den Turm der Freude genannt, doch für Ned bot er nur eine bittere Erinnerung. Sie waren sieben gegen drei gewesen, doch allein zwei von ihnen hatten überlebt. Eddard Stark und der kleine Pfahlbaumann Howland Reed. Er hielt es für kein gutes Omen, daß dieser Traum nach so vielen Jahren zurückgekehrt war.
«Ihr habt gut getan, Alyn«, sagte Ned, als Vayon Poole wiederkam. Der Haushofmeister verneigte sich tief.»Seine Majestät ist draußen, Mylord, und die Königin mit ihm.«
Ned schob sich höher, zuckte zusammen, als sein Bein vor Schmerz zitterte. Er hatte nicht erwartet, daß Cersei mitkommen würde. Auch das war kein gutes Zeichen.»Schickt sie herein und laßt uns allein. Was wir zu sagen haben, sollte innerhalb dieser vier Wände bleiben. «Schweigend zog sich Poole zurück.
Robert hatte sich mit dem Ankleiden Zeit gelassen. Er trug ein schwarzes, samtenes Wams, auf dessen Brust mit goldenem Faden der gekrönte Hirsch von Baratheon prangte, dazu einen goldener Mantel mit einem Umhang von schwarzen und goldenen Quadraten. Einen Weinkelch hielt er in der Hand, und sein Gesicht war bereits vom Trunk gerötet. Cersei Lannister trat nach ihm ein, mit juwelenbesetzter Tiara im Haar.
«Majestät«, sagte Ned.»Verzeiht. Ich kann nicht aufstehen.«
«Macht nichts«, sagte der König barsch.»Etwas Wein? Aus Arbor. Guter Jahrgang.«
«Einen kleinen Becher«, sagte Ned.»Mein Kopf ist noch schwer vom Mohnblumensaft.«
«Ein Mann in Eurer Lage sollte sich glücklich schätzen, daß sein Kopf noch auf den Schultern sitzt«, verkündete die Königin.
«Still, Weib«, fuhr Robert sie an. Er brachte Ned einen Becher Wein.»Hast du noch Schmerzen im Bein?«
«Ein wenig«, sagte Ned. Er fühlte sich umnebelt, doch wollte er vor der Königin keine Schwäche eingestehen.
«Pycelle schwört, daß es sauber verheilen wird. «Robert legte die Stirn in Falten.»Ich denke, du weißt, was Catelyn getan hat?«
«Ich weiß es. «Ned nahm einen kleinen Schluck Wein.»Meine Hohe Gattin trifft keine Schuld, Majestät. Alles, was sie getan hat, tat sie auf meinen Befehl hin.«
«Ich bin nicht erfreut, Ned«, brummte Robert.
«Mit welchem Recht wagt Ihr es, Hand an mein Fleisch und Blut zu legen?«verlangte Cersei zu wissen.»Für wen haltet Ihr Euch?«
«Die Rechte Hand des Königs«, erklärte Ned mit eisiger Höflichkeit.»Von Eurem eigenen Hohen Gatten dazu aufgerufen, den Frieden des Königs zu wahren und das Recht des Königs durchzusetzen.«
«Ihr wart die Hand«, setzte Cersei an,»aber jetzt…«
«Still!«brüllte der König.»Ihr habt ihm eine Frage gestellt, und er hat sie beantwortet. «Cersei fügte sich, kalt vor Wut, und Robert wandte sich wieder Ned zu.»Um den Frieden des Königs zu wahren, sagst du. So wahrst du meinen Frieden, Ned? Sieben Mann sind tot.«
«Acht«, berichtigte die Königin.»Tregar starb heute morgen von dem Hieb, den Lord Stark ihm versetzt hat.«
«Entführungen auf der Kingsroad und trunkenes Gemetzel auf meinen Straßen«, sagte der König.»Das lasse ich nicht zu, Ned.«
«Catelyn hatte guten Grund, den Gnom… «
«Ich sagte, das lasse ich nicht zu! Zum Teufel mit ihren Gründen. Du wirst ihr befehlen, den Zwerg auf der Stelle freizulassen, und du wirst Frieden mit Jaime schließen.«
«Drei meiner Männer wurden vor meinen Augen niedergemetzelt, weil Jaime Lannister mich züchtigen wollte. Soll ich das vergessen?«
«Mein Bruder war es nicht, der diesen Streit begonnen hat«, erklärte Cersei dem König.»Lord Stark kehrte betrunken aus einem Bordell heim. Seine Männer haben Jaime und seine Wache angegriffen, ganz wie seine Frau Tyrion auf der Kingsroad angegriffen hat.«
«Du kennst mich besser, Robert«, sagte Ned.»Frag Lord Baelish, wenn du mir nicht glaubst. Er war dabei.«
«Ich habe mit Littlefinger gesprochen«, sagte Robert.»Er behauptet, er sei vorausgeritten, um die Goldröcke zu holen, bevor der Kampf begann, aber er gibt zu, daß ihr aus irgendeinem Bordell kamt.«
«Aus irgendeinem Bordell. Verdammt, Robert, ich war dort, um mir deine Tochter anzusehen! Ihre Mutter hat sie Barra genannt. Sie sieht aus wie das erste Mädchen, das du gezeugt hast, als wir Jungen zusammen im Grünen Tal waren. «Er beobachtete die Königin, während er sprach. Ehr Gesicht war wie eine Maske, still und blaß, gab nichts preis.
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